Im Kern sind in der Geschichte der Neo-Bank Radicant immer schon zwei nicht kompatible Kulturen aufeinandergeprallt.
Auf der einen Seite der progressive CEO der Basellandschaftlichen Kantonalbank, John Häfelfinger, der mit einer Neo-Bank das Spektrum der BLKB verbreitern und einen grossen Fuss in die FinTech-Neuzeit setzen wollte.
Auf der anderen Seite der konservative Landrat, das Parlament des Kantons Basel-Landschaft, dessen Mitglieder mit FinTech nichts am Hut haben – man will eine Kantonalbank, die sich auf ihre Kernaufgaben im Kanton konzentriert.
Beide Positionen sind legitim, nur passen sie eben einfach nicht zusammen. Diesen Aspekt zu unterschätzen war möglichweise der grösste Fehler von Häfelfinger, der ihn und die Neo-Bank Radicant letztlich zu Fall gebracht hat.
Was ist schief gelaufen bei der Neo-Bank Radicant?
Einiges, aber längst nicht alles, wie inzwischen zahlreiche beflissene Marktbeobachter glauben und zu berichten wissen. Zu den problematischen Punkten gehört sicher das Anrichten mit der ganz grossen Kelle. Radicant wurde (zu) gross gedacht und überbordend grosszügig finanziert.
Belaufen sich die Kosten und investierten Mittel für die Neo-Bank final auf geschätzte 150 Millionen Franken, ist das sehr viel mehr, als hätte sein müssen.
Schwer zu verstehen ist auch, warum Radicant mit sehr viel Aufwand und Geld mit einer eigenen Banklizenz ausgestattet worden ist. Als Tochter der BLKB hätte sie kostengünstig unter der Lizenz des Mutterhauses operieren können.
Das ursprüngliche und zu enge Konzept einer grünen Nachhaltigkeits-Bank liest sich auf Papier möglicherweise gut, funktioniert in der Praxis aber nicht. Die Kunden sind viel weniger grün als die Bank, die mögliche Kundengruppe war viel zu klein, der Start verlief denn auch entsprechend harzig.
2024 hat Anton Stadelmann als neuer CEO der Neo-Bank eine völlig andere Positionierung verpasst, eine strategische Schubumkehr vollzogen und Radicant massentauglich gemacht. Ab diesem Zeitpunkt gewann die Neo-Bank laufend neue Kunden, ausgehend allerdings von einer tiefen Basis.
Dieser Strategiewechsel kam aber wahrscheinlich zu spät, die hoch finanzierte Neo-Bank war zu diesem Zeitpunkt längst ins Kreuzfeuer der basellandschaftlichen Politik geraten.
Mit zu den grossen Fehlern gehört wahrscheinlich auch die Fusion von Radicant und Numarics. Müssen bereits kurze Zeit nach der Fusion rund 105 Millionen Franken abgeschrieben werden, lässt sich das schwer erklären.
Hätte Radicant eine Chance im Markt gehabt?
Radicant hat zu viel Zeit mit kostspieligen Experimenten und Umwegen verloren, war aber zum Zeitpunkt ihrer angekündigen Liquidation als Bank erstmals auf einem guten Weg. Hätte man die Neo-Bank redimensioniert und ihr genügend Zeit eingeräumt, hätte Radicant mit ihrer Positionierung als populäre und kostengünstige Neo-Bank mit Private-Banking-Touch durchaus eine Chance gehabt.
Die nun vom Mutterhaus angekündigte Liquidation von Radicant folgt nicht unbedingt der einzig möglichen Logik, vielmehr dem Druck der Politik.
Salopp ausgedrückt: Die Kohle in beträchtlichem Umfang ist in der Vergangenheit längst verpulvert worden. Die Chance, in der Zukunft diese Kohle zurückzugewinnen, wird mit der Liquidation aufgegeben.
Diese Entscheidung ist deshalb nicht unbedingt mutige Entschlossenheit zum finalen Schlussstrich, vielleicht auch nur eine Konsequenz der fortgeschrittenen Mutlosigkeit. Letzteres ist allerdings ein Stück weit erklärbar durch die Tatsache, dass zu viele Kräfte den Karren in völlig unterschiedliche Richtungen zerren wollen.
Liquidation im Alleingang und auf eigene Kosten
Bemerkenswert ist, dass die BLKB ihre Tochter jetzt im Alleingang und auf eigene Kosten geordnet liquidieren will. Das nimmt wahrscheinlich ziemlich viel Zeit in Anspruch und in dieser Zeit wird das bestehende Personal gebraucht, Geschäfte, Systeme und Prozesse laufen weiter. Die Liquidation dürfte also ziemlich teuer werden.
Dass man sich mit keinem der gut 20 Kauf-Interessenten aus dem Inland und Ausland einigen konnte, ist ebenfalls bemerkenswert. Gerade für Banken wie Revolut oder Wise ist eine Schweizer Banklizenz interessant. Ein Verkauf hätte die aufgelaufenen finanziellen Verluste zumindest gedämpft.
Die BLKB und die basellandschaftliche Politik haben allerdings durch ihre eigene Kommunikation der letzten Monate den Wert ihrer Tochter deutlich reduziert, gewissermassen kleinkommuniziert. Offenbar haben sich die Ansprüche der BLKB nicht mit den Erwartungen von gut 20 Interessenten getroffen.
Deshalb geht die BLKB jetzt einmal mehr den teuren Weg, gibt die Banklizenz von Radicant zurück und liquidiert ihre Neo-Banken-Tochter allein und auf eigene Kosten.