FinTechs

Hypothekar-Plattformen: Fluch oder Segen für die Kunden?

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Bild: Hispanolistic | Getty Images

Eveline Soliva, Dr. Thomas Richter und Tania Kornsteiner von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zur Entwicklung von Hypothekar-Plattformen.

FinTechs revolutionieren die Finanzbranche und machen auch vor Hypotheken nicht halt. Die wohl wichtigste Innovation im Hypothekarbereich der letzten Jahre sind Hypothekar-Plattformen. Die Grundidee von Hypothekar-Plattformen ist simpel. Die Plattform ist ein Marktplatz, an dem Investoren, die Hypotheken vergeben wollen, und Kreditnehmer, die Hypotheken aufnehmen wollen, zusammenkommen. Der Plattformbetreiber übernimmt je nach Geschäftsmodell unterschiedliche Aufgaben. Einige Plattformbetreiber agieren als reine Vermittler. Andere bieten weitere Dienstleistungen an, zum Beispiel die Verwaltung der Hypotheken oder die Risikoanalyse. Bekannte Plattformen am Schweizer Markt sind etwa Key4 by UBS, Valuu (Postfinance), Hypotheke.ch oder HypoPlus by Comparis.

Der Anteil der Plattformen am Gesamtmarkt wird derzeit auf weniger als 4 Prozent geschätzt, ist aber schnell wachsend. Das über Plattformen vermittelte Marktvolumen ist zwischen 2018 und 2019 um etwa ein Drittel gestiegen. Damit ist dieser Teilmarkt deutlich stärker gewachsen als der gesamte Schweizer Hypothekarmarkt. Eine am ZHAW Real Estate Circle durchgeführte Umfrage unter Fach- und Führungskräften der Finanz- und Immobilienbranche unterstreicht das Wachstumspotenzial der Hypothekar-Plattformen. 67 Prozent der Befragten können sich vorstellen, zukünftig Ihre Hypothek über eine Plattform aufzunehmen.

Was bedeutet diese Entwicklung für die Hypothekar-Kunden?

Zunächst einmal bietet diese Entwicklung viele Chancen. Hypothekar-Plattformen erlauben den Vergleich verschiedener Anbieter und erhöhen daher die Transparenz im Markt. Statt mit unterschiedlichen Anbietern individuelle Termine zu vereinbaren, kann man nun, dank Plattform, per Knopfdruck die Angebote von dutzenden Anbietern einfach und schnell vergleichen.

Hypothekar-Plattformen sind vermehrt auf dem Radar der Kreditnehmer 

Zudem senken die Hypothekar-Plattformen die Eintrittsbarrieren für Anbieter auf dem Hypothekarmarkt. Anbieter ohne oder mit einem lediglich regional ausgebauten Filialnetz haben durch die Plattformen die Möglichkeit, Hypotheken schweizweit online zu vertreiben. Das heisst, Hypothekar-Plattformen begünstigen dadurch die Entwicklung, dass Pensionskassen und Versicherungen zunehmend Hypotheken anbieten. Pensionskassen sind gemäss einer Studie von MoneyPark die Akteure auf dem Hypothekarmarkt, die Ihren Marktanteil derzeit am schnellsten ausweiten. Dies ist nicht zuletzt auf die Entwicklung im Bereich der Plattformen zurückzuführen.

Daneben zeigen Forschungsergebnisse aus den USA, dass FinTech-Kreditgeber, zu denen auch die Hypothekar-Plattformen zählen, Kredite deutlich schneller und effizienter abwickeln als Banken und andere Kreditgeber ausserhalb des FinTech-Bereichs. Dies ist vor allem auf die effizienten Online-Prozesse mit einem hohen Automatisierungsgrad der FinTechs zurückzuführen.

Mehr Transparenz und neue Marktteilnehmer führen zu verstärktem Wettbewerb im Markt für Hypotheken. Dies wiederum hat positive Effekte auf das Preisniveau und die Servicequalität. Wettbewerb belebt bekanntlich das Geschäft. Dies gilt insbesondere für Regionen mit niedriger Filialdichte. Die erhöhte Effizienz geht auch mit Kostenvorteilen der Plattformen einher. Auch diese Kostenvorteile könnten zu niedrigeren Preisen für Hypothekarnehmer führen.

Ausserdem ist anzumerken, dass viele der Anbieter auf Hypothekar-Plattformen in Bezug auf die Hypothekarvergabe weniger stark reguliert sind als die Banken, welche den Markt nach wie vor dominieren. Die Regulierung ist für Banken mit hohen Kosten verbunden, die sich beispielsweise aus hohen Eigenmittelanforderungen und administrativen Aufwänden ergeben. Diese Kosten spiegeln sich auch in den angebotenen Zinssätzen für von Banken vergebenen Hypotheken wider. Anbieter aus dem Nicht-Bankensektor erwächst hierdurch ein weiterer Kostenvorteil.

Defizite in Sachen Beratung?

Aber auch bei den Hypothekar-Plattformen ist nicht alles Gold, was glänzt. Die schlankeren Prozesse werden oft auch durch abgespeckte Beratungsprozesse erreicht. Die Hypothekarkreditvergabe ist ein komplexer Prozess und insbesondere langfristige Hypotheken gehören oftmals zu den grössten Finanzkontrakten, die ein Privatkunde in seinem Leben abschliesst. Eine gute und auf die Situation des Kunden zugeschnittene Beratung ist daher essenziell. Es stellt sich in diesem Fall die Frage, ob reine Online-Prozesse, wie sie einige Hypothekar-Plattformen vorsehen, dies leisten können. Es ist an dieser Stelle aber auch zu erwähnen, dass viele Plattformen nach wie vor auf die Involvierung menschlicher Beratung setzen.

Die Konditionen der Banken sind auf den zweiten Blick oft gar nicht so schlecht wie es zunächst scheint

Daneben ist auch bei komplexen Konstellationen Vorsicht geboten. Nicht alle Plattformen bzw. Anbieter auf den Plattformen können (oder wollen) diese abbilden. Ein Beispiel für eine solche Konstellation wäre etwa ein Baukredit. Daneben gilt es auch zu bedenken, dass bei Banken bei den Konditionen oft noch viel Verhandlungsspielraum besteht. Die Konditionen der Banken sind daher auf den zweiten Blick oft gar nicht so schlecht wie es zunächst scheint. Die Preise auf den Plattformen sind allerdings kaum verhandelbar.

Letztlich ist die Entscheidung für oder gegen eine Hypothekar-Plattform eine individuelle Wahl. Hypothekar-Plattformen sind jedoch vermehrt auf dem Radar der Hypothekarkreditnehmer und sie sind aus dem Hypothekarmarkt nicht mehr wegzudenken. Es benötigt aber auch eine gewisse Offenheit und Vertrauen in digitale Lösungen, die nicht jeder Hypothekarkunde mitbringt.


Autorinnen und Autoren

Eveline Soliva ist Studiengangleiterin der Weiterbildungen im Immobilienmanagement an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

Bevor sie zur ZHAW kam, war sie im Banken- und Versicherungsbereich tätig.

Dr. Thomas Richter ist Dozent für Real Estate Management & Finance im MBA Real Estate Management und Studiengangleiter des MSc Real Estate & Facility Management an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

Zuvor war er im Risikomanagement im Bereich Hypotheken bei einer Schweizer Grossbank tätig.

Tania Kornsteiner ist neben ihrem Master-Studium als wissenschaftliche Assistentin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) tätig.

Sie ist an wissenschaftlichen Projekten im Bereich Real Estate beteiligt und kümmert sich um das Programm-Management der Weiterbildungen im Immobilienmanagement.