Von TikTok über YouTube bis Instagram – auf Social-Media-Plattformen vermitteln sogenannte "Finfluencer" komplexe Finanzthemen in leicht verständlicher Sprache und treffen damit einen Nerv. Während viele traditionelle Banken und Finanzinstitutionen als unnahbar oder schwer verständlich wahrgenommen werden, bringen Content Creator eine dringend benötigte menschliche und leicht zugängliche Dimension in die Finanzwelt.
Vom Bankfilialbesuch zum #FinTok-Trend
Die Zahlen verdeutlichen die Dynamik: Allein auf TikTok stiegen die Aufrufe von Videos mit dem Hashtag #FinTok im Jahr 2024 um 275 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein bemerkenswerter Indikator für den Hunger nach Finanzwissen jenseits traditioneller Kanäle.
Besonders die Generation Z und junge Millennials sind dabei treibende Kräfte. Laut aktuellen Studien folgen inzwischen knapp 60 Prozent der 18- bis 30-Jährigen mindestens einem Finfluencer. Bemerkenswert ist auch das hohe Mass an Vertrauen. Eine Umfrage der BaFin aus dem Mai 2024 zeigt: über 50 Prozent der Befragten im Alter von 18 bis 45 Jahren bewerten soziale Medien als verlässliche Informationsquelle, und etwa 60 Prozent sehen sie gar als gute Alternative zur professionellen Beratung.
Diese Entwicklung spiegelt sich im Anlageverhalten wider. So streuten Social-Media-affine Nutzer deutlich stärker und diversifizierter, unter anderem in Kryptowährungen.
Dabei sind es weniger die grossen Stars der Szene, die den Ton angeben, sondern Micro- und Nano-Influencer. Sie wirken authentisch, vermeiden Fachjargon und erklären Zusammenhänge so, dass sie im Alltag verständlich werden. Geldfragen erscheinen dadurch weniger einschüchternd, was die Hemmschwelle senkt, sich mit Sparen, Investieren oder Altersvorsorge auseinanderzusetzen.
Der Preis der Nähe: Compliance als Achillesferse
Doch die Kehrseite dieser Entwicklung ist nicht zu übersehen. Der direkte Zugang zu Millionen von Followern geht mit erheblichen Risiken einher. Denn wo Nähe und Authentizität grossgeschrieben werden, fehlt es oft an regulatorischer Kontrolle. Die britische Finanzaufsicht FCA hat das Problem jüngst eindrücklich illustriert. So wurden in Grossbritannien im letzten Jahr über 650 Social-Media-Inhalte wegen illegaler Finanzberatung entfernt, zudem wurden 50 nicht autorisierte Webseiten geschlossen.
Während die FCA in Grossbritannien bereits aktiv einschreitet, ist auch in der DACH-Region die Diskussion über regulatorische Lücken in vollem Gange. Wichtige Medien berichten über die rechtlichen Grauzonen, in denen sich viele Finfluencer bewegen. In Deutschland fallen Finanzempfehlungen schnell unter die streng regulierte Anlageberatung, für die eine BaFin-Lizenz erforderlich ist.
Wer ohne Zulassung Tipps zu Wertpapieren oder Versicherungen gibt, riskiert nicht nur Abmahnungen, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen. Österreichs Finanzmarktaufsicht (FMA) und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) beobachten die Szene ebenfalls kritisch.
Chance für Finanzunternehmen, aber mit klaren Regeln
Trotz dieser Risiken eröffnet sich für Banken, FinTechs und Versicherungen eine grosse Chance: Sie können Verbraucher dort erreichen, wo diese sich ohnehin informieren – in den sozialen Medien. Entscheidend ist jedoch, wie professionell und verantwortungsbewusst dieser Schritt umgesetzt wird.
Influencer-Kampagnen im Finanzbereich brauchen klare Ziele und verbindliche Leitplanken. Dazu gehören transparente Kennzeichnungen, enge Abstimmung mit den Compliance-Abteilungen sowie eine sorgfältige Auswahl der Kooperationspartner. Unternehmen sollten auf Creator setzen, die sowohl ein Verständnis für ihre Community als auch ein Bewusstsein für regulatorische Rahmenbedingungen mitbringen. Nur dann lassen sich Reichweite und Vertrauensvorschuss sinnvoll in seriöse Markenkommunikation übersetzen.
Vom Risiko zum Mehrwert
Richtig umgesetzt, können Kooperationen mit Finfluencern helfen, die inzwischen berüchtigte "Finanzbildungslücke" zu schliessen. Junge Menschen bekommen praxisnahe Erklärungen, die ohne Fachchinesisch auskommen und echte Orientierung bieten. So lassen sich komplizierte Themen wie ETFs, nachhaltige Geldanlage oder private Altersvorsorge verständlich aufbereiten.
Im Idealfall ergibt sich ein Dreiklang: Unternehmen gewinnen Zugang zu einer schwer erreichbaren Zielgruppe, Konsumenten profitieren von verständlicher Information, und die Finanzbildung in der Gesellschaft verbessert sich insgesamt. Die Voraussetzung: Verantwortlichkeit.
Regulierung als Wegweiser, nicht als Bremse
Die Compliance-Debatte um Finfluencer ist ein Warnsignal, aber zugleich auch ein Weckruf. Sie macht deutlich, dass der Trend nicht einfach ignoriert werden kann. Vielmehr braucht es Regeln, die Klarheit sowohl für Creator als auch für Finanzunternehmen schaffen.
Für die DACH-Region gilt: Wer Finfluencer-Marketing professionell gestaltet, die rechtlichen Rahmenbedingungen ernst nimmt und in Qualität statt nur in Reichweite investiert, kann vom wachsenden Bedürfnis nach verständlicher Finanzkommunikation profitieren. Die Diskussion um Regulierung sollte deshalb nicht als Bremse verstanden werden, sondern als notwendiger Rahmen, um die Verbindung von Nähe und Seriosität zu ermöglichen.
Ob BaFin, FMA oder FINMA – die Aufsichtsbehörden der DACH-Region senden zunehmend klare Signale: Social-Media-Finanzkommunikation braucht klare Rahmenbedingungen. Wer diese beachtet, kann Vertrauen aufbauen und die Finanzbildung nachhaltig stärken.
Denn am Ende entscheidet nicht die Plattform, sondern die Glaubwürdigkeit. Und Glaubwürdigkeit ist in Finanzfragen bekanntlich unbezahlbar.