E-Commerce

Porsche und Galaxus: Die Automobilbranche pflügt ihre Vertriebsstrukturen um – und ein Blick in die Zukunft

Kundin bestellt einen Porsche online auf dem Smartphone
Bild: Porsche Deutschland

Die Automobil-Branche definiert sich über digitale Technologien und Kanäle neu – das hat Auswirkungen auf Vertragshändler, Garagen und auf das Verhalten von Autokäufern.

Die Automobil-Branche ist im Umbruch. Vor allem und gerade auch im Vertrieb. Führte die Anschaffung eines neuen Wagens bis vor kurzem noch ohne Alternative in den Showroom des Marken-Importeurs oder eines Garagisten des Vertrauens, öffnen sich zunehmend Online-Kanäle für den Autokauf.

Diese Öffnung zusätzlicher Absatzkanäle wird getrieben durch die Autohersteller selbst, aber nicht nur. Auch Online Shops wie Galaxus mischen mit, geben dem Autokauf neues Tempo und nahezu schon dieselbe Selbstverständlichkeit wie Schuhe kaufen bei Zalando.

Dazu kommt beim Vertrieb: der Autokauf steht nicht mehr bedingungslos und ausschliesslich im Vordergrund – die Gewohnheiten verschiedener Kundengruppen haben sich geändert und werden sich weiter ändern. Insbesondere die Generationen Y und Z ticken anders und prägen den neuen Umgang mit Mobilität.

Ein Blick auf die aktuelle Entwicklung – zuerst am Beispiel des neuen Online-Kanals aus dem Hause Porsche.

Der nächste Porsche kann online gekauft werden

Porsche hat gemeinsam mit den 88 deutschen Porsche-Zentren einen eigenen digitalen Vertriebskanal für sofort verfügbare Neu- und Gebrauchtfahrzeuge eröffnet.

Auf der Website von Porsche Deutschland gibt's neu den Link Online kaufen – wer klickt, kann sich über eine Suchmaske seinen Porsche als Neuwagen oder als Zweithandwagen aussuchen. Oder unter dem Link Verfügbare Porsche einfach schauen, was grad im Angebot ist. Ein Klick dazu und das Wunschmodell kann online reserviert, bestellt und gekauft werden.

Die Kaufabwicklung für den ersten Porsche zuoberst auf der Liste, den 918 Spyder, habe ich jetzt nicht durchgespielt, obschon der Bolide mit 887 PS und erst 6'179 km auf dem Tacho mit 1'490'000 Euro locker als Schnäppchen durchgeht.

Ich war aber nicht sicher, ob Twint das stemmen kann oder meine Karte ohne Zicken mitmacht – die sind sich bisher eher triviale Alltagseinkäufe in zwei- und dreistelligen Beträgen gewohnt.

Mein fehlender Wagemut ist jedoch nicht jedermanns Beschränkung – wer mag, kann seinen Porsche ab sofort online einkaufen. Zudem, und um nicht alle Porsche-Träume gleich zu Beginn schon platzen zu lassen, die Reihe der verfügbaren Wagen startet bei Preisen in der fünfstelligen Region.

Detlev von Platen, Vorstand für Vertrieb und Marketing bei Porsche, zur neuen Plattform:

Kunden bewegen sich heutzutage wie selbstverständlich zwischen der digitalen Welt und dem physischen Handel – unser neuer digitaler Marktplatz entspricht diesem Bedürfnis und macht das Erlebnis des Fahrzeugkaufs damit noch einfacher und komfortabler

Porsche digitalisiert seinen Fahrzeugvertrieb im deutschen Markt

Die aktuell gestartete Online-Plattform will der Sportwagenhersteller zu einem Marktplatz von Porsche-Produkten und -Services ausbauen. Kunden können dort ab sofort die wesentlichen Schritte zum Kauf oder Leasing eines Fahrzeugs online erledigen, unabhängig von Zeit und Ort. Allerding erfolgen die Legitimation des Kunden und der finale Vertragsabschluss vorderhand noch weiterhin im Porsche Zentrum.

Alexander Pollich, Vorsitzender der Geschäftsführung von Porsche Deutschland, sieht die Schiene des E-Commerce als logische und auch notwendige Erweiterung:

Mit der Einführung des Online-Fahrzeugvertriebs stellen wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Porsche Zentren in Zeiten der Digitalisierung sicher

Zum Start ist die digitale Kauf-Option innerhalb der Porsche-Umgebung auf den Markt Deutschland beschränkt. Kunden haben aktuell die Möglichkeit, ihr Wunsch-Fahrzeug zu reservieren und zwischen Barkauf und Leasing zu wählen. Im Falle von Leasing kann direkt online eine Leasinganfrage an die Porsche Financial Services ausgelöst werden.

Sofern die Käufer ihre gebrauchten Fahrzeuge in Zahlung geben möchten, können sie online erste Angaben dazu übermitteln. Der Bezahlprozess wird von einer flexiblen End-to-End-Lösung unterstützt, die für ein nahtloses und komfortables Kundenerlebnis sorgen und sensible Daten absichern soll. 

Europaweiter Rollout startet im Jahr 2020

Zum Start des digitalen Vertriebskanals sind bereits mehr als 4'000 sofort verfügbare Neu- und Gebrauchtfahrzeuge der deutschen Porsche-Zentren online bestellbar. Das Angebot soll in den kommenden Monaten weiter ausgebaut werden. Nach dem Start in Deutschland ist im Jahr 2020 der europaweite Rollout geplant.

Die Automobilbranche pflügt ihre Vertriebsstrukturen um

Vertriebspartner und Vertragswerkstätten bleiben im Moment noch wichtig, werden jedoch im Laufe der Zeit an Bedeutung verlieren – oder eine andere Rolle einnehmen. 

Ist man sich das Modell des Direktvertriebs von Tesla bereits gewohnt, ziehen andere Autohersteller nach, testen neue Vertriebskanäle oder starten mit dem Online-Verkauf wie aktuell Porsche. Das hängt, neben dem generellen Trend zur Digitalisierung, mit weiteren Faktoren zusammen, die sich an Verhaltensweisen von Konsumenten festmachen lassen.

Zum einen sind es sich Konsumenten mehr und mehr gewohnt, auch höherpreisige Produkte online zu kaufen. Wer weiss, was er will und das Produkt kennt, braucht weder Verkaufsgespräche noch Demonstrationen – günstige Preise, unkomplizierte Online-Abwicklung und schnelle Lieferzeiten stehen dann im Vordergrund.

Zum anderen hat der Autokauf nicht mehr die Bedeutung von früher. Der Deal soll problemlos und vor allem schnell über die Bühne gehen. Zumindest bei den Generationen Y und Z, welche das Auto, sofern sie überhaupt noch eines kaufen (!), nicht mehr als Prestige-Objekt sehen, sondern nur als Alltagsgegenstand nutzen. Gekauft, geleast oder in geteilter Nutzung (!) innerhalb der Sharing Economy. Letzteres wird die Automobil-Branche, deren Vertriebskanäle und Geschäftsmodelle in den nächsten Jahren zusätzlich fordern.

Neue Technologien werden die Automobilbranche umpflügen

Ein Blick in die nahe Zukunft: Technologische Umwälzungen werden nicht nur Vertriebsstrukturen, sondern vielmehr das Herz, Produkte und neue Geschäftsmodelle der Automobil-Industrie betreffen. Mag es auch noch eine Weile dauern, bis selbstfahrende Flotten und Cabs unterwegs sind – sie werden kommen.

Diese Visionen haben die Sphären der überspannten Theorien längst verlassen – da sind neue Märkte in Entwicklung, deren Technologien von zahlreichen grossen Namen aus der Tech- und der Automobil-Industrie mit sehr viel Kapital vorangetrieben werden. Beförderung zu Lande und in der Luft, sauber, effizient und kostengünstig. Die Technologien sind sehr weit fortgeschritten, zahlreiche Probleme sind jedoch noch zu lösen. Deshalb steht die Einführung noch nicht morgen vor der Tür – ab übermorgen ist damit zu rechnen. 

Ob uns noch fünf, zehn oder fünfzehn Jahre vom Cab trennen, das uns auf Abruf in gewünschter Grösse fahrerlos vor der Haustüre abholt und komfortabel von A nach B bringt, ist nicht der Punkt. Wesentlich ist der Fakt, dass neue Technologien Autonutzung und Autobesitz in der heutigen Form eher schnell in eine Nische drängen werden. 

Galaxus als Vorreiter im Online-Auto-Verkauf

Zurück in die Gegenwart: Nicht nur Autohersteller setzen auf Online-Kanäle, die Migros-Tochter Galaxus trägt dem Zeitgeist und dem Konsumverhalten im Wandel bereits seit Frühling 2019 Rechnung.

Galaxus bietet eine wachsende Fahrzeug-Palette der Marken BMW, Ford, Honda, Hyunday, Land Rover, Toyota, Volkswagen und weitere, die "ab Stange" online gekauft oder gemietet werden können. Bemerkenswert dabei sind mindestens zwei Punkte:

Der erste Punkt: Autos können gekauft oder gemietet werden. Die Mindestmietdauer liegt bei kurzen 3 Monaten. Das heisst, wer sich nicht für Jahre verpflichten will und zum Beispiel aktuell eine schnelle Übergangslösung braucht, kann bei Galaxus landen und ist praktisch am nächsten Tag mobil.

Der zweite Punkt: Die angebotene und wachsende Fahrzeug-Palette richtet sich nach den Wünschen der Konsumenten, deshalb ist sie breit ausgelegt. Elektro-Autos und Hybrid-Fahrzeuge, Benziner und Diesel, grössere und kleinere Autos sind lieferbar. Im "vernünftigen" Bereich gibt's mehrere kleinere und grössere Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge zum Kaufen und zum Mieten. Am oberen Ende der Skala listet Galaxus aktuell den Muscle Car Klassiger Ford Mustang Fastback 5.0 mit V8-Motor und 451 PS für CHF 49'400.–. Zwei Stück am Lager, lieferbar innerhalb von 3 bis 5 Tagen.

Galaxus folgt mit ihrer Strategie den Wünschen der Konsumenten und setzt selbst keine moralischen oder begrenzenden Masstäbe. Die Flotte der Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge wächst, Diesel und Benziner sind mit im Spiel, ausgewählte Exoten, welche anderen Käufergruppen Spass machen können, bleiben nicht ausgeschlossen.

Der Service ist gedacht für Menschen, die nicht aus tausend Optionen auswählen und mehrere Monate auf ihr komponiertes Wunsch-Fahrzeug warten möchten, sondern einfach, schnell und unkompliziert einen neuen Wagen haben wollen. 

Vorteil: Das fabrikneue Fahrzeug wird nach Hause geliefert, oftmals am nächsten Tag oder nach Absprache – jeweils eingelöst, fahrbereit, mit Vignette und vollgetankt. Die Leistungen von Galaxus sind in Angeboten und Marketing rund gedacht und seit Frühling 2019 im Markt. Die Auto-Schiene, die im Online Shop von Galaxus gewissermassen neben Dampfkochtopf, Wohn-Accessoires und Unterhaltungs-Elektronik funktioniert, darf als Dauertest verstanden werden. Der Markt und die Wünsche der Konsumenten beeinflussen die Ausrichtung der Angebote.

Die Digitalisierung der Automobilbranche

Die Automobilbranche hat Erfahrung im Umgang mit Digitalisierung. Neue Technologien und Robotik spielen in der Produktion von Autos schon längst eine grosse Rolle. Naheliegend deshalb, dass die Branche in der Lage ist, zusätzliche Aspekte der Digitalisierung nach vorne zu denken und auch massgebend mitzuprägen.

Pflügt die Automobilindustrie aktuell ihre Vertriebsstrukturen um, werden in den nächsten Jahren neue Technologien die Automobilbranche als Ganzes umpflügen. Die eine wie die andere Phase bringt neue Player aufs Spielfeld, welche aktiv darauf hinwirken, die Spielregeln zu verändern.

Im Gegensatz zu einigen anderen Branchen, stehen die Chancen in der Automobilindustrie jedoch eher gut, dass die Exponenten der Branche tatkräftig mit am Pflug der umwälzenden Technologien operieren.

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, Beispiel Musik- oder Verlagsbranche, dass verlorenes Terrain und Marktanteile nur schwer wieder zurückerobert werden können. Wer am Rande der Spielfelder die Innovationen der neuen Protagonisten argwöhnisch beäugt und sich zu lange darauf beschränkt, die Entwicklungen paralysiert und in Schockstarre zu beobachten, kann den Anschluss verlieren. 

Zahlreiche Unternehmen der Automobilindustrie sind in Sachen Digitalisierung und mit der Entwicklung neuer Technologien schon länger mit im Spiel. Und die Bereitschaft zur eigenen Disruption, um nicht ausschliesslich von aussen disruptiert zu werden, scheint vorhanden zu sein. Ein klarer Vorteil, um die eigene Position neu zu definieren und zu sichern.