Studien & Analysen

Wie ticken Gründerinnen und Gründer in der Schweiz?

Frau mit einer Spielzeug-Rakete auf dem Schreibtisch drückt den Startknopf
Bild: AndreyPopov | Getty Images

Warum wird überhaupt gegründet? Welche Bedenken beschäftigen vor der Gründung, welche Sorgen danach? Macherinnen und Macher im Fokus einer Studie.

Die schwer abschätzbare Wirtschaftslage 2021 hat Gründerinnen und Gründer nicht davon abgehalten, ihr eigenes Startup zu lancieren – mehr Menschen als je zuvor haben letztes Jahr den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt: 33'000 Neugründungen, das sind 67 Prozent aller Neueinträge ins Schweizer Handelsregister.

Postfinance und das IFJ Institut für Jungunternehmen haben in 725 Interviews Gründerinnen und Gründer nach ihren Motiven befragt. Und zu vielen weiteren Punkten, welche Jungunternehmer in der Gründungsphase beschäftigen. Um die Befindlichkeiten vor und nach der Gründung zu erforschen, sind Personen befragt worden, die in den letzten 24 Monaten ein eigenes Unternehmen gegründet haben. Einige Erkenntnis aus der "Gründerstudie Schweiz 2021".

Warum wird überhaupt gegründet?

Das eindeutige Motiv mit 35 Prozent der Nennungen klar an der Spitze: in ihrem eigenen Unternehmen sehen Gründerinnen und Gründer den ultimativen Weg zu mehr und zu grösserer Freiheit. 

16 Prozent möchten eigene Kompetenzen einbringen, 12 Prozent streben nach Selbstverwirklichung, 11 Prozent suchen mehr Herausforderungen und ebenfalls 11 Prozent wollen ihre Leidenschaft zum Beruf machen. 10 Prozent der Befragten haben sich aufgrund einer unbefriedigenden Arbeitssituation oder Stellenverlust für die Selbstständigkeit entschieden. 

Interessanter Punkt: Geld und damit der Wunsch nach einem höheren Einkommen gehört nicht zu den Triebfedern, diese Motive stehen nur gerade für 4 Prozent der Befragten im Vordergrund.

Allein oder im Team und mit welcher Gesellschaftsform in die Selbstständigkeit?

Zwei Drittel der Startups waren Einzelgründungen. Nur 4 Prozent starteten bereits mit mehr als zehn Personen im Team. Dennoch stiessen bei 24 Prozent der neu gegründeten Unternehmen bereits weitere Personen zum Team dazu.

Weiterhin grosse Beliebtheit geniesst die GmbH, 40 Prozent der Neugründerinnen und Neugründer wählten diese Rechtsform. Für die Aktiengesellschaft hat sich nur gut ein Fünftel der Jungunternehmer entschieden.

Pragmatismus und Kostenbewusstsein spielen eine grosse Rolle

63 Prozent der Gründungen wurden an der Privatadresse der Selbstständigen realisiert. Mit diesem pragmatischen Vorgehen konnten die Befragten auf langwierige Immobiliensuchen verzichten und hohe Erstausgaben für Mieten und Betriebseinrichtungen einsparen.

Eine Balance zwischen Risiko und Sicherheit versucht eine Mehrheit der Gründerinnen und Gründer mit folgendem Vorgehen zu schaffen: Zum Zeitpunkt der Gründung waren 66 Prozent der Befragten noch in einem anderen Unternehmen angestellt. Nach der Gründung ging diese Zahl auf immer noch relativ hohe 40 Prozent zurück. Der Wunsch nach mehr Freiheit ist mit dem Gedanken nach Sicherheit offenbar unter einen Hut zu bekommen.

Welche Sorgen stehen vor und nach der Gründung im Vordergrund?

Es liegt auf der Hand, dass Gründerinnen und Gründer zahlreiche Fragen und Unsicherheiten rund um Themen wie Auftragslage, Umsätze, Einkommen, Administration und mehr beschäftigen. Wie die Tabelle unten zeigt, ist der Katalog der möglichen Sorgen eher umfangreich.

Interessant jedoch: Viele Sorgen scheinen sich kurz nach der Gründung bereits in Luft aufgelöst zu haben – zahlreiche Problemkreise brachten die Gründerinnen und Gründer nach ihrem Start deutlich weniger oder gar nicht mehr ins Schwitzen.

Die Gegenüberstellung der Sorgen vor und nach der Gründung:

Ebenfalls bemerkenswert: 18 Prozent der Jungunternehmer erkannten bereits vor der Gründung im Katalog der möglichen Probleme und Herausforderungen keine Punkte, die ihnen Sorgen und damit schlaflose Nächte bereiten könnten. Diese Zahl wächst kurz nach der Gründung auf 34 Prozent, das heisst: ein Drittel der Gründerinnen und Gründer ist nach eigenen Aussagen ohne Sorgen unterwegs.

Eine starke Zahl mit einer klaren Message: zahlreiche Gründerinnen und Gründer sind in der Lage Probleme zu lösen, bevor sie sich zu Sorgen auswachsen können.

Wer investiert wie viel für die Gründung?

Auffallend und erstaunlich ist, dass im Sorgen-Katalog die Themen von Gründungskosten oder Kapitalbeschaffung eine völlig untergeordnete Rolle spielen. Wie kommt's?

Die Gründungskosten bleiben überschaubar: Rund ein Drittel der Befragten gab an, weniger als 500 Franken für die Gründung ausgegeben zu haben. 20 Prozent der Befragten investierten dafür 2’000 Franken und mehr, zumeist für juristische und treuhänderische Dienstleistungen.

Woher kommt das Kapital für das eigene Startup?

Auch das Kapital scheinen die Schweizer Gründerinnen und Gründer eher mühelos zu organisieren. Die Studie zeigt, dass fast die Hälfte aller Einzelfirmen ein Startkapital von weniger als 5’000 Franken Startkapital besassen. 64 Prozent der neuen GmbHs hatten ein Startkapital von 20’000 Franken und über die Hälfte der Aktiengesellschaften brachten zwischen 50’000 und 100’000 Franken mit in die Realisierung.

Bemerkenwert ist, dass Investoren ausserhalb der engsten Kreise der Gründerinnen und Gründer praktisch keine Rolle spielen, das Kapital für alle gewählten Rechtsformen der Befragten stammt zum grössten Teil aus privaten Eigenmitteln. Die Übersicht der Geldquellen als Antwort auf die Frage nach der Kapitalherkunft:

  • Privates Eigenkapital: 93%
  • Private Investoren (Freunde, Familie): 11%
  • Privatkredite: 3%
  • Geschäftliche Investoren, Business Angels: 1%
  • Crowdfunding: 1%
  • Hypotheken auf Immobilien in Privatbesitz: 1%
  • Firmenkredite: 0%
  • Anderes: 2%

Spielt sich das investierte Kapital zurück?

Ob und wann das investierte Kapital Früchte trägt, scheint zumindest laut Studie ein Balanceakt zu sein. In der Totalmenge der Befragten gaben 35 Prozent an, die gesetzten Umsatzziele im ersten Jahr nach der Gründung übertroffen zu haben, während 29 Prozent vom Gegenteil berichteten.

Und doch zeigen sich Durchhaltewille und Selbstvertrauen der Schweizer Gründerinnen und Gründer an jeder Verzweigung des eingeschlagenen unternehmerischen Weges. Danach befragt, ob sie bei einer erneuten Gründung etwas verändern würden, antworteten überwältigende 51 Prozent mit einem klaren Nein.