Das Thema Open Finance kommt in der Schweiz nur langsam und mit politischem Druck in die Gänge. Diesen Druck hat der Bundesrat Ende 2022 deutlich verstärkt, mit der klar formulierten Absichtserklärung, Open Finance in der Schweiz voranbringen zu wollen, wir haben berichtet. Die Regierung hat Banken, Finanzdienstleister und Versicherer bei der Öffnung der Datenschnittstellen zu "konkreteren Fortschritten sowie mehr Verbindlichkeit" verpflichtet.
Der Warnschuss von Bundesrat und EFD
Sollte sich "die Finanzbranche nicht ausreichend für die Öffnung ihrer Schnittstellen engagieren", zieht der Bundesrat in Betracht, mit entsprechenden Massnahmen die Durchsetzung von Open Finance in der Schweiz zu forcieren. Zu diesen Massnahmen könnten auch regulatorische Vorschriften gehören, vergleichbar mit der PSD2 und PSD3, welche das Thema Open Finance für alle Banken in der EU verpflichtend definieren.
Das würde bedeuten, dass Banken und Finanzdienstleister den von ihnen bevorzugten Weg des marktgetriebenen oder marktbasierten Ansatzes verlassen müssten. Open Finance, inklusive Open Banking, Open Pension, Open Wealth und weitere Open-Bereiche würden mit der verordneten Öffnung der Datenschnittsellen für Drittparteien für Banken und für Versicherer verpflichtend.
Marktgetriebener Ansatz vs. verpflichtende Regulierung
Marktgetrieben oder marktbasiert bedeutet, dass Banken und Versicherer freiwillig und ohne regulatorischen Druck auf Signale und Bedürfnissse aus dem Markt reagieren. Das heisst im Klartext, was tatsächlich den Wünschen und Bedürfnissen von Kundinnen und Kunden entspricht, wird umgesetzt und angeboten.
Das klingt vernünftig und vor allem auch kundenzentriert. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt jedoch, dass Banken und Versicherer Signale aus dem Markt entweder nicht hören oder vielleicht auch schlicht nicht hören wollen. Oder, ebenfalls möglich, diese Signale völlig anders interpretieren.
Erkenntnisse aus dem Ausland und auch Studien in der Schweiz zeigen, dass Kunden sich sehr viel mehr Open-Finance-Funktionen von ihren Banken wünschen, als diese zu geben bereit sind. Beispiele aus einer aktuellen Studie der Hochschule Luzern gibt's hier.
Die Angst vor dem Verlust der Kundenschnittstelle und vor Drittparteien, welche diese Schnittstelle über APIs nutzen können, scheint nach wie vor grösser zu sein im Verhältnis zu den neuen Chancen und Möglichkeiten, welche Open Finance gerade auch Banken und Versicherern öffnet.
Auf der entgegengesetzten Seite der Freiwilligkeit und des marktgetriebenen Ansatzes stehen verpflichtende Regulierungen, welche der Finanzbranche sehr klar und detailliert vorschreiben würden, wie Open Finance zu definieren ist, wie es umgesetzt werden muss und wer mit Einverständnis der jeweiligen Kunden auf Konto und Kundendaten zugreifen darf, um neue Services anzubieten.
Das wären dann zum Beispiel – neben Banken und Versicherern selbst – FinTechs, Neo-Banken, innovationsgetriebene Unternehmen, Big Techs und andere Drittparteien, welche mit neuen Leistungen und Komfort das finanzielle Leben breiter Bevölkerungsgruppen einfacher, transparenter oder auch vielseitiger machen wollen.
Stehen Banken und Versicherer zu einem beträchtlichen Teil heute noch auf der Open-Finance-Bremse, kann das die Durchsetzung von Open Finance mit allen Möglichkeiten und Konsequenzen nicht verhindern, lediglich verzögern. Seit Bundesrat und EFD verstärkt Druck machen, nimmt allerdings die Bremskraft und die verzögernde Wirkung des sich-dagegen-Stemmens deutlich ab.
Die Reaktion der Banken auf den Warnschuss des Bundesrates
Nachdem "offizielle" Parteien wie der Verein Swiss FinTech Innovations (SFTI), die Schweizerische Bankiervereinigung (SBA) und SIX mit der Plattform und Infrastrukur von bLink Open Finance schon länger portieren, haben einige Schweizer Banken auf den Warnschuss des Bundesrates reagiert und in Kooperation mit den drei Genannten eine Multibanking-Initiative lanciert – und diese auch umgesetzt.
Aktuell allerdings noch nach dem Prinzip des Flickenteppichs. Sind nicht alle Banken mit an Bord, funktioniert Multibanking zwangsläufig unvollständig und mit Lücken. Zudem bleiben die Funktionen mit "Read only" eingeschränkt. Wer seine verschiedenen Bankbeziehungen in einer App bündelt, kann Konten und Bewegungen sehen und lesen, hat jedoch keine Möglichkeit, Zahlungen auszulösen oder sonstwie seine Konten zu managen.
Wirkliches Multibanking setzt schon voraus, dass man nicht nur gucken, sondern auch agieren kann. Ist das nicht der Fall, müssen sich Kundinnen und Kunden trotz Multibanking immer wieder bei den jeweils anderen Banken separat einloggen, wenn sie irgendwie aktiv werden möchten.
Wie bewertet der Bundesrat die Entwicklung von Open Finance in der Schweiz?
Der Bundesrat ist und bleibt seit 2022 am Ball und hat sich an seiner Sitzung vom 12. Dezember 2025 durch das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) über die neusten Entwicklungen von Open Finance in der Schweiz informieren lassen.
In seiner Mitteilung macht der Bundesrat nochmals seine Haltung zu Open Finance deutlich und bestätigt damit auch seine Erwartungen an Banken und an Versicherer. Das ist insofern interessant, als die Regierung das Spektrum von Open Finance nicht limitiert und eingeschränkt betrachtet, sondern breit und tatsächlich "open" definiert:
"Open Finance bezeichnet die Praxis, dass Finanzinstitute auf Wunsch der Kundinnen und Kunden Finanzdaten über standardisierte und sichere Schnittstellen anderen Finanzdienstleistern wie FinTechs, Versicherungen oder Banken zur Verfügung stellen. Die Kundschaft kann so von neuen, innovativen Produkten profitieren. Mit einem Knopfdruck könnte zum Beispiel ein Überblick über alle Bankkonten, Investitionen und Altersguthaben erstellt oder der CO2-Fussabdruck der Finanzanlagen berechnet werden."
Die Bestandesaufnahme, welche das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) zu Handen des Bundesrates über die Umsetzung von Open Finance erstellt hat, bezeichnet das BR-Gremium als "durchmischt". Die Regierung anerkennt den Start der Umsetzung der Multibanking-Initiative der Bankenbranche als "wichtigen Meilenstein".
Allerdings, so der Bundesrat, bleiben Herausforderungen beim Zugang der Daten für sichere Drittanbieter bestehen. Zudem wären die Fortschritte in anderen Bereichen zögerlich. Im Versicherungssektor wäre beispielsweise keine vergleichbare Initiative umgesetzt worden. Eine koordinierte Initiative der Branche im Bereich der beruflichen Vorsorge wäre erst angekündigt worden.
Der Bundesrat wird nochmals konkret und erhöht den Druck
Der Bundesrat erhöht den Druck mit der Ankündigung, dass das EFD in den kommenden Monaten zusammen mit der Branche präzise Indikatoren erarbeiten würde. Um die 2022 festgelegten Ziele innerhalb nützlicher Fristen zu erreichen, würde das EFD die weiteren Fortschritte der Banken- und Versicherungsbranche anhand dieser präzisen Indikatoren messen und überprüfen.
Im Weiteren verweist der Bundesrat auf das Eidgenössische Departement des Innern, das sich mit der Umsetzung eines parlamentarischen Vorstosses befassen würde, der einen standardisierten Zugang zu persönlichen Vorsorgedaten ermöglichen soll. Damit ist die Motion des Mitte-Ständerats Erich Ettlin zum Thema Open Pension gemeint, wir haben berichtet.
Der Bundesrat setzt in Bezug auf seine Erwartungen und formulierten Ziele nochmals klar Flagge. Die Regierung verweist auf bestehende Regulierungen in der Europäischen Union und im Vereinigten Königreich, welche Finanzinstitute gesetzlich dazu verpflichten, Drittanbietern auf Wunsch der Kundschaft Finanzdaten zugänglich zu machen.
Solche Vorschriften bestehen in der Schweiz im Moment noch nicht. Der Bundesrat geht weiterhin davon aus, dass ein marktbasierter Ansatz in der Schweiz funktionieren kann und der Privatsektor die Standardisierung und Öffnung der Datenschnittstellen vorantreibt.
Allerdings, so der Bundesrat, sollte das nicht oder nicht genügend der Fall sein, bleibt die Einführung gesetzlicher Pflichten eine Option. Diese explizite Warnung der Regierung sollte und dürfte von den Finanzinstituten verstanden worden sein,