Regulierung

Neo-Broker: EU will "Payment for Order Flow" verbieten

Frau beim Börsenhandel über ihr Smartphone
Bild: Getty Images | gorodenkoff

Schlechte Nachrichten für Neo-Broker: Wird "Payment for Order Flow" verboten, bekommt das Erlösmodell der FinTechs Risse.

Auf EU-Ebene hat man sich nach längerem Hin und Her und Gezerre offenbar darauf verständigt, das umstrittene Modell "Payment for Order Flow" (PFOF) nun doch zu verbieten. Das ist nicht erstaunlich, kommt jetzt aber dennoch überraschend – die bereits früher diskutierte Praxis hat es in früheren EU-Runden nicht bis zum Verbot geschafft. 

Ein PFOF-Verbot ist bisher am Widerstand mehrerer Länder gescheitert, zum Beispiel Deutschland. Andere Länder in der EU haben das Verbot auf nationaler Ebene schon länger umgesetzt, zum Beispiel die Niederlande.

Was bedeutet Payment for Order Flow?

Payment for Order Flow (PFOF) bezeichnet die Vergütung, welche insbesondere Neo- und andere Broker von spezialisierten Handelshäusern erhalten. In Deutschland zum Beispiel von Lang & Schwarz als Market Maker. LS Exchange zahlt diese Provision im Austausch dafür, dass der Broker die Wertpapier-Orders seiner Kunden an diesen bestimmten Market Maker zur Ausführung weiterleitet.

Das Erlösmodell zahlreicher Neo-Broker wie Robinhood in den USA oder Trade Republic in Deutschland basiert auf Kooperationen mit solchen "PFOF-Handelsplätzen". Die Neo-Broker bieten ihren Kundinnen und Kunden in dem Sinne kostenlose Trades an, als diese keine Ordergebühren zahlen müssen. Die notwendigen Einnahmen (Gebühren pro Trade) kommen deshalb nicht von den Kunden, sondern als Rückvergütung von den Handelshäusern. Mit diesem Modell sind die heute bedeutenden Neo-Broker schnell gewachsen und gross geworden. 

PFOF wird als "Kickback"-Modell gesehen und ist umstritten

Online-Broker, die ihren Kunden Handelsgebühren direkt belasten, gelten tendenziell als teuer im Vergleich zu den "Gratis-Neo-Brokern", die ihre Provisionen extern einziehen. Dieser Punkt ist nicht unbedingt problematisch und kann unter Konkurrenz mit unterschiedlichen Gebühren-Modellen verbucht werden.

Problematisch wird's, wenn Neo-Broker versucht sind, die Orders ihrer Kunden an diejenigen Handelsplätze weiterzuleiten, die ihnen die höchsten Provisionen zahlen. Das könnte zur Folge haben, so die Befürchtung von Regulatoren, dass die Aufträge der betroffenen Kunden des Neo-Brokers nicht zu den bestmöglichen Kursen ausgeführt werden, weil hohe Provisionen auf anderen Wegen wieder reingespielt werden müssen.

Mitte 2022 Entwarnung von der BaFin

Deutschland gehört zu den Ländern, die sich bisher gegen ein Verbot auf EU-Ebene gewehrt haben. Unterstützung kam im Mai 2022 von der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin. Die Behörde teilte grundsätzlich die Bedenken der ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), dass PFOF die angesprochenen Interessenskonflikte beim weiterleitenden Broker auslösen könnte. 

Die BaFin sehe wohl die Risiken, die mit Payment for Order Flow einhergehen können, sie sehe aber auch die Vorteile – zum Beispiel die Reduktion der Transaktionskosten. Die Behörde stellte sich auf den Standpunkt, dass ein übereiltes Verbot möglicherweise nur den Handel für Privatkunden verteuere, ansonsten aber nichts bewirke. Dies müsse deshalb schon aus Verbraucherschutzgründen ausgeschlossen werden.

Die Finanzdienstleistungsaufsicht untermauerte ihre Betrachtung mit einer Studie, in der sie unter anderem zu folgendem Schluss kam:

"Für Kundenaufträge mit kleineren Volumina ist die Ausführung über PFOF-gewährende Handelsplätze überwiegend vorteilhaft. Denn sofern Transaktionskosten berücksichtigt wurden, waren die Ergebnisse für Kunden mehrheitlich besser als an den Referenzmärkten."

Die Überlegungen und Ausführungen der BaFin zum Thema PFOF in voller Länge gibt's hier.

Jetzt nun doch ein Verbot für Payment for Order Flow auf EU-Ebene?

Offenbar hat sich der Wind inzwischen gedreht. Die Europäische Union will 2026 Payment for Order Flow verbieten. Anlegerinnen und Anleger sollen dadurch vor "suboptimalen Handelsentscheidungen" geschützt werden. Im Grundsatz soll das Verbot nach Inkrafttreten sofort gelten, der gesetzte Termin bis Juni 2026 gilt als Übergangsfrist für Länder in der EU mit hoher PFOF-Verbreitung, welche ihren Online- und Neo-Brokern mit PFOF-Strategie Raum geben wollen, ihre Erlösmodelle zu überarbeiten. 

Dieses Verbot von Payment for Order Flow soll nach einem Bericht von Bloomberg Teil eines umfassendes Reformpakets sein, auf das sich letzte Woche die EU-Mitgliedstaaten mit dem Europäischen Parlament geeinigt hätten. Die letzten Hürden sehen Experten als Formsache, das Verbot wird kommen, ist die vorherrschende Meinung.

Ganz exotisch steht ein PFOF-Verbot nicht in der Landschaft. In Europa ist Payment for Order Flow zum Beispiel in den Niederlanden schon heute verboten. In den USA ist PFOF seit längerem in der Diskussion, bisher jedoch von der SEC nicht verboten worden. Das könnte sich irgendwann ändern, SEC-Chef Gary Genslers ablehnender Blick von 2021, wir haben berichtet, dürfte nicht der letzte gewesen sein. Neo-Broker wie Robinhood oder Häuser wie Charles Schwab profitieren von dieser aktuell noch anhaltenden Duldung. Anders und neu ist die Praxis in Singapur, das PFOF-Verbot ist im Inselstaat am 1. April 2023 in Kraft gesetzt worden.

Weltweit ist man sich über die mögliche Problematik von Payment for Order Flow einig – nicht aber über die Notwendigkeit eines Verbots, da gehen die Betrachtungen heute noch auseinander. Ein umfassendes Verbot auf EU-Ebene dürfte jedoch eine Signalwirkung auf den Rest der Welt haben.

Mögliche Auswirkungen eines PFOF-Verbots

Für Neo-Broker mit PFOF-Strategie ist das Verbot einschneidend. Das verkaufsfördernde Argument der kostenlosen Trades wäre Geschichte. Jedenfalls ist die Kreativität der Neo-Broker gefragt, wenn die zentrale Einnahmequelle über Payment for Order Flow wegfällt. Wollen sie die notwendigen Gebühren ihren Kundinnen und Kunden nicht direkt belasten, kann der Weg über Abo-, Flatrate- oder andere Modelle für aktive Trader führen.

Betroffene Neo-Broker und auch einige Experten befürchten, dass die von ihnen als "Lobbyarbeit" deklarierte Regulierung weniger dem Anlegerschutz dienen, sondern im Resultat zu steigenden Gesamtkosten für Anlegerinnen und Anleger führen würde.

Grössere Online-Broker, die Ordergebühren immer schon direkt von ihren Kunden verlangt haben, dürften hingegen frohlocken – die erfolgreichen Neo-Broker mit dem bestechenden Argument der Gratis-Trades sind ihnen aus naheliegenden Gründen ein Dorn im Auge. 

Für Market Maker wie Lang & Schwarz dürfte das Verbot schmerzhaft spürbar werden – ihre heutigen Noch-Partner, die Neo-Broker mit PFOF-Strategie, bewegen inzwischen beträchtliche Kunden- und Handelsvolumen.