Mobile Payment

Digitec Galaxus trennt sich von Twint – oder umgekehrt?

Schreibmaschine mit geschriebenem Text in eingespanntem Blatt
Bild: 3283197d_273 | Getty Images

Der Zahlungsdienstleister Twint hat Digitec Galaxus den Service abgeschaltet, die beiden Parteien zoffen sich öffentlich – über eine Eskalation, die nur Verlierer produziert.

Wie bei vielen Scheidungen, sind auch bei der Trennung von Digitec Galaxus und Twint die Leidtragenden vor allem die Scheidungskinder. Die Kunden können das nach Angaben von Digitec drittpopulärste Zahlungsmittel nach Kreditkarte und Rechnung nicht mehr nutzen.

Aktuell waschen die geschiedenen Parteien öffentlich ihre unterschiedlich eingefärbte Wäsche. Beide über am Sonntag publizierte Mitteilungen. Digitec zeigt sich offensiv angriffig, Twint hält dagegen, bezeichnet die veröffentlichten Behauptungen von Digitec Galaxus als "falsch und irreführend", und präsentiert eine andere Sicht der Dinge.

Digitec greift an und sagt: "Prinzip Giesskanne? Ohne uns!"

"Es hat sich ausgetwintet", schreibt Alex Hämmerli am Sonntag auf der Digitec-Website. Mit dieser Mitteilung informiert der grösste Onlinehändler der Schweiz seine Kunden darüber, dass die Zahlungsoption Twint in Online Shops von Digitec und Galaxus ab sofort nicht mehr zur Verfügung steht.

Twint hat den Service für die beiden Shops von Digitec und Galaxus per Ende Februar 2020 abgeschaltet. Den Grund für das Steckerziehen des Zahlungsdienstleister packt der Public Relations Manager mit folgenden Worten in die Message an Digitec-Kunden:

Wir wollten euch keine Gebühren oder versteckte Kosten zumuten

Der Schritt soll sich nach Alex Hämmerli seit Monaten abgezeichnet haben: "Twint wollte uns eine Zahlungsgebühr aufzwingen, die bei einem Vielfachen des bisherigen Preises liegt. Wir haben uns geweigert, die Offerte anzunehmen. Schliesslich hätten wir die Mehrkosten auf unsere Kunden abwälzen müssen – über generell höhere Preise oder über eine nicht zeitgemässe Gebühr für Twint-Zahlungen."

Hämmerli unterstellt in seiner Mitteilung, dass nach der Fusion von Paymit und Twint "unnötigerweise jede Bank eine eigene Twint-App haben wollte" und dass "unter anderem dieser Extra-Aufwand von den Aktionären nun durch die Preiserhöhung wieder hereingeholt werden soll". Hämmerli legt maliziös nach:

Doch was können wir oder unsere Kunden dafür, dass Twint geschätzt eine halbe Milliarde für eine vereinfachte Banküberweisung verbrannt hat?

Nach Alex Hämmerli hätten sich die Twint-Eigentümer darauf geeinigt, dass die den Händlern belastete Kommission teilweise an die Bank weitergereicht werden soll, deren App benutzt wird. Und, so Hämmerli, damit überhaupt Geld zum Verteilen da ist, wäre Twint noch stärker genötigt, seine Preise zu erhöhen. Dagegen hätte sich Digitec Galaxus gewehrt und bis heute nicht nachgegeben. Hämmerli plädiert auf eine Verschlankungskur und meint:

Wir wünschen uns ein entschlacktes Twint zurück, mit dem wir und vor allem unsere Kunden günstig bezahlen können

So weit Alex Hämmerlis und damit Digitecs Sicht der Dinge. Auch Twint holt medialen Anlauf und stellt die Wurzel der Streitereien in einen etwas anders beleuchteten Kontext.

Twint kontert und sagt: "Digitec Galaxus verbreitet unwahre Informationen"

In der sonntäglichen Entgegnung auf die "unwahren Informationen" halten die Verantwortlichen fest, dass Twint den Vertrag zur Nutzung von Twint als Zahlungsmittel gekündigt hätte, weil Digitec Galaxus nicht bereit wäre, "Twint eine faire und bei allen Zahlungsmitteln übliche Übermittlungsgebühr zu bezahlen".

Twint taxiert die von Digitec Galaxus veröffentlichten Behauptungen als "falsch und irreführend" und bezeichnet als Tatsache, dass Twint zu den Zahlungsmitteln mit den tiefsten Transaktionsgebühren gehören würde, günstiger als viele Zahlungsmittel, die auch Digitec Galaxus im Angebot hätte. Twint wehrt sich gegen den von Digitec erhobenen Vorwurf, "versteckten Kosten" zu verrechnen und kontert die gesamte Argumentation von Digitec Galaxus summarisch mit den Worten:

Auch die anderen Behauptungen von Digitec Galaxus sind reine Augenwischerei

Richtig wäre, so Twint, dass man nicht mehr länger bereit gewesen sei, Digitec Galaxus Sonderkonditionen einzuräumen, wie sie beim Start von Twint üblich gewesen waren. Schliesslich würden auch die anderen rund 7'000 Händler in der Schweiz faire und auch im Vergleich zu Kreditkarten und anderen Zahlungsanbietern günstige Transaktionsgebühren zahlen.

Twint hätte Digitec Galaxus bereits seit mehreren Monaten einen neuen Vertrag angeboten, mit denselben Preismodellen, die für alle Händler gelten würde. Digitec Galaxus wäre jedoch nicht bereit gewesen, diese Konditionen zu akzeptieren. Twint-CEO Markus Kilb zum Thema:

Dass sich Digitec Galaxus ausgerechnet mit dem grössten schweizerischen mobilen Zahlungsmittel Twint nicht einigen will, aber die Gebühren bei alle anderen Zahlungsmitteln offenbar akzeptiert, halten wir für unfair

Kilb gibt in der Mitteilung seiner Hoffnung Ausdruck, dass Kunden von Digitec Galaxus bald wieder mit Twint bezahlen könnten und bekräftigt seine Offenheit, "weiterhin mit Digitec Galaxus über eine faire Entgeltung der Services zu sprechen". Dabei will der Twint-CEO jedoch nicht auf die "faire Bezahlung für den Service verzichten" und bezeichnet es "gegenüber allen Händlern als unfair, wenn Twint einem Marktteilnehmer völlig andere Konditionen gewähren würde". Markus Kilb stellt klar:

Twint hat in der Einführungsphase – wie dies branchenüblich ist – Sondertarife und Einführungsverträge gehabt, diese Zeit ist nun aber vorbei

So viel zur Haltung von Markus Kilb und zu den Ausführungen von Twint, die in der Mitteilung vom Sonntag auf der Website von Twint kommuniziert worden sind.

Ein Kommentar: Was ist von dieser Eskalation zu halten?

Dass es zwischen Twint und Digitec Galaxus bald zu einer Einigung kommen könnte, bleibt eher unwahrscheinlich. Der Onlinehändler pocht auf bisherige Sondertarife und Markus Kilb verweist auf die "nun branchenüblichen Preismodelle, welche von Twint ausnahmslos eingesetzt" würden.

Der Punkt der geringen Chancen auf Versöhnung und Wiedervereinigung liegt allerdings noch weniger in den offensichtlichen Uneinigkeiten, als vielmehr in der Tatsache und auch in der Art und Weise, wie sich die geschiedenen Parteien in der Öffentlichkeit fetzen, zoffen und sich gegenseitig mehr oder eben auch weniger dezent kräftig an den Karren fahren.

Wie gesagt, die Leidtragenden sind die Scheidungskinder, die Kunden von Digitec Galaxus, die Twint offensichtlich geschätzt haben und nun darauf verzichten müssen. Ausquartierte Scheidungskinder, möglicherweise vernünftiger und pragmatischer als ihre streitbaren Eltern, werden sich zu helfen wissen und einfach eine andere der zahlreichen Zahlungsoptionen wählen.

Der grösste Onlinehändler der Schweiz kann ohne Twint. Das "beliebteste mobile Zahlungssystem der Schweiz" kann ohne Digitec Galaxus. Beide verlieren auf unterschiedliche Weise und die Öffentlichkeit wundert sich.

Meine Grossmutter, eine besonnene und vor allem sehr kluge Frau vom Lande, hat früher im Angesicht solch streithähniger Ereignisse jeweils nur geseufzt und schlicht kommentiert:

Wie chammer nume!?

Für unsere deutschen Leserinnen und Leser: Das ist die schweizerdeutsche Redewendung in kurz und höflich für: Geht's noch? Was ist denn in euch gefahren? Seid ihr vom Affen gebissen?