Kryptowährungen

Elon Musk – genialer Kindskopf, kühler Rechner mit Krypto-Visionen, zündelnder Troll oder Coach der Krypto-Community?

Achterbahn gegen blauen Himmel
Bild: bukharova | Getty Images

Diese Frage muss nicht beantwortet werden, weil Elon Musk das sein darf, was er sein will. Interessanter ist der Blick auf eine hysterische Krypto-Community.

Tesla-Chef Elon Musk hat eigentlich keine Zeit für Comedy und Witze. Der Mann arbeitet extrem viel, ist ein genialer Visionär, ein technologischer Macher und er will erklärtermassen die Welt in mehrfacher Hinsicht zu einem besseren Ort machen – den Mond und den Mars übrigens auch.

Als Gründer, Boss oder Triebfeder von Unternehmen wie Tesla, SpaceX, Neuralink und Boring Company verfolgt er ehrgzeizige Ziele. Kein Wunder, dass er sich zuweilen auf weniger ernsthaften und spassigen Bühnen austoben will. Berührungsängste kennt er dabei nicht, Musk mimt auch in einer TV-Show wie "Saturday Night Live" den Clown, ohne eine wirklich gute Figur abzugeben. Das scheint das Multitalent Musk allerdings nicht zu kratzen – ein Hinweis darauf, dass er sich immer wieder mal und vorsätzlich den Luxus gönnen will, als Kindskopf zu agieren.


Elon Musk als Steuermann des Roller Coaster

Auf Twitter verfolgen inzwischen mehr als 56 Millionen Follower jede seiner Bewegungen, um jedes gesprochene Wort auf die Goldwaage zu legen. Oder besser: auf die Kryptowaage. Manchmal genügt ein Wort, zuweilen braucht's auch einen ganzen zusammenhängenden Satz, um an den Kryptobörsen ein neues Erdbeben auszulösen.

Diese Erdbeben wirken sich nicht in ein, zwei, drei Prozentpunkten aus, die Ausschläge gehen locker in Richtung von zehn oder auch zwanzig Prozent. Nach unten oder nach oben, je nach Tagesform, Laune und Statement von Zampano Musk. Das trifft in der Regel die Leitwährung Bitcoin oder auch die Witzwährung Dogecoin. Im Schlepptau folgen dann auch zahlreiche Altcoins, die sich dem Sog der gesprochenen Botschaft von Elon Musk nicht entziehen können.

Dass Musk sich in der Rolle des zündelnden Trolls gefallen könnte, mag man ihm nicht verdenken. Das Phänomen von kleiner Ursache und sofort sichtbarer eruptiver Wirkung hat schon Reiz. Es wirft jedoch weniger ein Licht auf den temporären Troll Musk, es wirft ein Licht auf eine unreife Community.

Genügen Ankündigungen wie der Stopp von Bitcoin als Zahlungsmittel für Tesla, um den Bitcoin-Kurs dramatisch abstürzen zu lassen, ist das bemerkenswert. Reicht ein einziges Wort wie ein schlichtes "indeed", um die Bitcoin-Bewertung noch tiefer in den Keller zu schicken, ist das noch erstaunlicher. Hievt Musks Aussage, dass er mit Dogecoin-Entwicklern im Gespräch ist und dieser Austausch "möglicherweise vielversprechend" sein könnte, den Kurs der Spasswährung auf neue Höhen, zeigt das eindrücklich, wer gerade am Steuerpult des Roller Coasters sitzt.

Der Roller Coaster-Steuermann erntet übrigens höchstes Lob und breite Zustimmung sowie auch verbale Prügel und Hasskommentare – je nachdem, welchen Krypto-Kurs er gerade nach oben oder nach unten schickt. Auch hier scheint Elon Musk in grosser Distanz zu seinen Followern zu agieren, Lobgesänge oder Hasstiraden haben keinen Einfluss auf seine Twitter-Kommunikations-Strategie.

Ist der Kryptomarkt inzwischen reifer als seine Community?

Der Kryptomarkt ist heute sehr viel fortgeschrittener und reifer als noch vor einigen Jahren. Das zeigt die grosse Zahl der Service-Anbieter und auch die wachsende Zahl von privaten und institutionellen Anlegern, die mit Bedacht und Kalkül in Kryptowährungen investieren. Eher langfristig, deshalb dürfte ein beträchtlicher Teil dieser Investoren gegen Elon Musks Troll-Tweets weitgehend immun sein. Sie tun das, was sie mit Überzeugung seit längerem tun: halten. Vielleicht auch nachkaufen.

Die aktuelle Instablilität, weit über die "normale Volatilität" von Kryptowährungen hinaus, wird ein Stück weit von der Krypto-Community selbst produziert. Von Kleinanlegern, allerdings in gewaltigen Massen, die nahezu schon hysterisch und panisch verkaufen – oder auch kaufen. Immer dann, wenn ein Wort, eine Ankündigung, ein Daumen runter oder Daumen hoch ihres Gurus in ihrer Betrachtung neues Glück oder eben auch niederschmetterndes Unglück verheisst. Für die eine oder für die andere Kryptowährung.

Gesund ist das nicht. Allzu ungesund allerdings auch nicht, weil es auf die langfristige Entwicklung der Kryptomärkte keine grossen Auswirkungen haben dürfte. Kryptowährungen und Märkte sind immer noch in Entwicklung, sie sind jedoch in mehrfacher Hinsicht gefestigter, auch wenn sie in den letzten Tagen nicht unbedingt diesen Eindruck hinterlassen.

Elon Musk als Coach einer hysterischen Community?

Ob gewollt oder zufällig, auch diese Rolle besetzt Elon Musk in den letzten Tagen. Immerhin führt er panischen, euphorischen, verzweifelten oder eben auch hysterischen Anlegern vor, am jeweils eigenen Beispiel, was sie keinesfalls tun sollten.

Zum Beispiel nicht in Anlagen investieren, die sie nicht wirklich kennen und verstehen. Oder sich nicht von Emotionen, Euphorie oder Panik leiten zu lassen, nur weil ihr Guru hustet. Der hustet bekanntlich nicht durchwegs in derselben Tonlage – was er heute hypt, reisst er morgen in den Keller. Damit reisst er seine Jünger von gestern, die voll des Glaubens an seinen Lippen hängen, gleich mit.

Ob Musk nun also auch pädagogisch unterwegs ist oder nur Spass am Trollen hat, spielt keine Rolle, der Effekt bleibt derselbe. Spätestens nach der dritten oder vierten Panik- oder Euphorie-Attacke aufgrund eines Tweets, müsste sich ein Lerneffekt einstellen.

Zum einen: ein einziger Mensch, auch wenn er Musk heisst, ist nicht genug, um Kryptowährungen durch launige Tweets und durch widersprüchliche Handlungen auf Dauer massgeblich zu beeinflussen. Zum anderen: Kryptowährungen sind eine Anlageklasse, die langfristig Ernte einbringen kann, vielleicht. Und zum Dritten: panisches Verkaufen und euphorisches Kaufen ist eine brandgefährliche Strategie, welche nicht nur die eigene Gefühlslage beeinträchtigen wird, die Strategie kann auch finanziell ins persönliche Desaster führen.

Verfolgt Elon Musk langfristige Krypto-Ziele?

Wie gesagt, die rhetorisch gestellte Frage in der Headline braucht nicht beantwortet zu werden, das Psychogramm von Herrn Musk bleibt seine Privatsache.

Nachdem wir nun aber den genialen Kindskopf, den zündelnden Troll und den Coach der noch etwas unreifen Krypto-Community ansatzweise schon mal gestreift haben, möchten wir die mögliche Rolle des kühlen Rechners mit Krypto-Visionen nicht aussen vor lassen.

Bei Tesla, SpaceX, Neuralink und Boring Company macht der visionäre Geist und Macher Elon Musk durchwegs Nägel mit Köpfen, in erstaunlichen Dimensionen und mit weitreichenden Auswirkungen.

Schwer vorstellbar, dass Musk Kryptowährungen nicht in seine Geschäftsmodelle mit einbezieht. Zumal er als früherer Mitgründer und technischer Leiter des Bezahldienstes PayPal in Sachen digitaler Zahlungen klar vorbelastet ist.

Eher wahrscheinlich deshalb, dass Musk auch im Bereich der Kryptowährungen für mindestens eine Überraschung gut bleibt. Nicht in seiner aktuellen Rolle als Troll oder Marionetten-Dirigent, vielmehr als prägender Macher. Ob dabei seine Liebe zu Bitcoin wieder erblühen mag oder ob er die Witz-Währung Dogecoin aus der Spassecke holt, indem er Doge in ein Projekt integriert, bleibt offen. Denkbar ist auch, dass er die ultimative Kryptowährung, die alles in den Schatten stellen soll, auf der Erde, dem Mond und auch auf dem Mars als Zahlungsmittel dienen wird, gleich selbst erfindet – SpaceX-Coin oder so. 

Eher unwahrscheinlich ist, dass Musk nur gerade als Anleger dem Kryptomarkt verbunden bleibt. Elon Musk ist ein Erfinder und ein visionärer Macher, kein Nutzer.