Challenger-Banken

Gebärdet sich die Challenger-Bank N26 wie eine Sparkasse?

Geschäftsmann im Labyrinth
Bild: gremlin | Getty Images

Ja, meint ein verärgerter Wirtschaftsredaktor der Frankfurter Allgemeine. Hat N26 eine neue Flagge gehisst? Mögliche Gründe für den Kurswechsel der Challenger-Bank.

Waren bisher eher traditionelle Banken auf Gebühren-Reglemente abonniert, die sich so kompliziert lesen, dass sie eben keiner liest, zeigt nun die Berliner Challenger-Bank N26 erste Tendenzen in diese Richtung. Der Journalist Mark Fehr reklamiert in der FAZ einerseits die Gebühren-Erhöhungen, vor allem jedoch "das Einfache", das die Bank mit ihrer neuen Gebühren-Ordnung opfert.

Immerhin, so Mark Fehr, wäre die Bank mit dem Versprechen unterwegs, Banking klar, einfach und ganz "ohne Bullshit" anzubieten. Fehr kanzelt die neue Preisliste des FinTechs mit der Bemerkung ab:

Die Preisliste des Fintech liest sich mittlerweile so sperrig wie die einer Sparkasse oder Volksbank

Der Mai macht auch die Gebühren bei N26 neu

N26 erhöht ab 10. Mai 2020 die Preise für mehrere Services. Ganz dramatisch sind diese Erhöhungen nicht, wie die Preisliste zeigt – allerdings langt N26 in einigen Bereichen deutlich kräftiger zu als bisher. Klar erkennbar ist vor allem die Absicht, aus Gelegenheitsnutzern mit etwas Preisdruck Kunden mit Hauptkonto bei N26 zu machen.

Wo der motzende Journalist sicher recht hat, die Preisliste arbeitet neu mit Variablen im Sinne von: Bei Konto Soundso, zahlst du das, falls nicht, dann jenes, Ausnahme mit Konto X, dann nochmals ganz anders, es sei denn, wenn...

Um im Wording der Bank und des Claims von N26 zu bleiben: "Einfach" und "Banking ohne Bullshit" geht tatsächlich anders. 

Nicht unkreativ, aber ziemlich verwegen: Die neue Glücksspiel-Gebühr

Was uns in der Preisliste von N26 zusätzlich aufgefallen ist: Wer den Fehler begeht, seine N26 Mastercard in Casinos, bei Lotterien oder in Wettbüros einzusetzen, wird mit einer Gebühr von satten 3 Prozent bestraft. Dieser kreative Zusatzumsatz-Generator ist keine exklusive Erfindung von N26, diese Praxis ist bei zahlreichen Banken im In- und Ausland schon seit Jahren Gang und Gäbe.

Wer moralische Bedenken, Sucht-Prävention oder andere hehre Motive vermutet, liegt falsch, es handelt sich schlicht um eine zusätzliche Einnahmenquelle. Eine sachliche Begründung für diese Glücksspiel-Gebühr war bisher von keiner Seite zu hören. Einzig ein Sprecher der deutschen Postbank hat vor einiger Zeit gegenüber dem Handelsblatt (Artikel bezahlpflichtig) einen nicht unkreativen, wenn auch ziemlich abenteuerlichen, Grund zu Protokoll gegeben:

"Der Erwerb von Lotto- oder Wettscheinen oder Chips im Spielcasino sowie bei entsprechenden Online-Anbietern entspricht dem Wesen nach dem Erwerb von Bargeld", meinte der findige Pressesprecher. „Ähnlich wie ein Geldschein repräsentieren solche Scheine oder Chips einen Wert, der für weitere Zwecke – hier das Glücksspiel – eingesetzt wird.“ Deshalb käme der Einsatz der Karte in diesen Bereichen einem Bargeldbezug gleich. 

Diese Begründung ist so verstiegen wie originell und könnte auf jeden anderen gewünschten Bereich angewendet werden Zum Beispiel auf den Kauf von Tomaten. Wer Tomaten mit der Karte bezahlt und die Tomaten auch isst, wird erstarken. Wer erstarkt, ist leistungsfähig und wird seine Einkünfte deshalb mehren. Die generierten Zusatzeinkünfte können folglich als Bargeldbezug betrachtet und mit einer satten Gebühr belastet werden. Logisch, oder? Eben.

Aus der Sicht von klassichen Banken ist diese Massnahme eine Möglichkeit, Zusatzgebühren zu generieren. Aus der früheren Sicht von N26 gehören solche Massnahmen zur sehr konsequent angeprangerten Kategorie "Bullshit Banking". Mit dieser Haltung und auf diesem Boden hat N26 ihr explizites "No Bullshit Banking" zum Geschäftsmodell gemacht. 

Banking ohne Bullshit?

Dass N26 nun auch auf diesen Zug aufspringt, zeigt tatsächlich, dass N26 dabei ist, sich von der Challenger-Bank zur klassischen Bank wandeln. Immerhin eine, mit einer smarten App und interessanten Leistungen, aber dennoch auf dem Weg zu einer klassischen Bank – gemessen an den Massstäben, die sich N26 selbst gegeben hat.

Die Metamorphose ist erlaubt und muss nicht schlecht sein – überraschend ist sie im Fall von N26 aber schon. Und damit tatsächlich eine Überlegung wert, ob N26 sich vom Claim "Banking ohne Bullshit" oder vom Hashttag #nobullshit Banking langsam verabschieden sollte. Begründung: Die smarten N26-Banker tun jetzt genau das, was sie in der Vergangenheit der Konkurrenz der traditionellen Banken als Vorwurf, Makel und eben als Bullshit-Komponente angelastet haben. 

Verlieren regulierte FinTechs den hippen Status?

Diese Frage haben wir vor dreieinhalb Jahren gestellt, als N26 die Vollbanklizenz erhalten hat. Damals kamen wir zum Schluss, dass ein neuer Typus von Finanzdienstleister im Markt aktiv ist – Startups, welche ihre Startup-DNA nicht verlieren müssen, nur weil sie erfolgreich unterwegs sind und schnell wachsen.

Wir glauben auch heute nicht, dass jede Challenger-Bank zur Sparkasse wird, wenn sie "in die Jahre" kommt. Immerhin gibt es mit Fidor, Transferwise, Klarna und anderen zahlreiche "alte" FinTechs, welche ihre Wurzeln nicht vergessen haben. Möglicherweise spielt bei N26 ein anderer Aspekt eine Rolle, der nicht mehr jede hippe Strategie zulässt.

N26 ist mit 470 Millionen Dollar hoch finanziert durch Investoren wie Allianz, Earlybird Venture Capital, Hedesophia (Ian Osborne), Tencent Holding, Valar Ventures (Peter Thiel) und weitere. Investoren nehmen Risiken und setzen auf schnelles Wachstum, aber nicht bedingungslos auf hipp.

Kann es sein, dass die Challenger-Bank N26 im verflixten siebten Jahr ihres Bestehens mehr Druck von ihren Investoren aufgesetzt bekommt? Zumindest ist es nachvollziehbar, sollten stark engagierte Kapitalgeber Rentabilität und die verkürzte Distanz zum Return-on-Investment nach einigen Jahren deutlich höher gewichten, als hipp und extensives #nobullshit Banking.

Mit verstärktem Druck würden sich neue Gebühren-Reglemente, die unseren Kollegen von der FAZ an eine "Sparkasse oder Volksbank" erinnern, erklären lassen. So wie auch der kürzlich kommunizierte und überraschende Rückzug von N26 aus Grossbritannien, der weniger den vorgeschobenen Brexit-Hürden, sondern mehr nüchterner Kalkulation und damit wirtschaftlichen Überlegungen folgen dürfte.

Jede (neue) klassische Bank mit smarten Services und starken Leistungen ist ein Gewinn und schafft Raum für frische Challenger, die einige Jahre lang unter der #nobullshit Banking-Flagge segeln dürfen. Die altgedienten Challenger, welche im Begriff sind, das Lager zu wechseln, können auch unter neuer Flagge sehr erfolgreich geschäften, wenn sie ihre ihre Ursprungs-DNA nicht über Bord werfen und deshalb ihre Wurzeln und und Motive nicht vergessen. Schliesslich bleiben sie, wenn auch nicht mehr Challenger mit Startup-Biss, weiterhin smarte Digital-Banken mit Weg, Hintergrund, Erfahrung und Zukunft. Dass sie ihre Kommunikation irgendwann mit ihrer neuen Positionierung in Einklang bringen werden, liegt auf der Hand. Weil Glaubwürdigkeit zum Geschäft von etablierten Banken und genauso von gereiften FinTech Startups gehört, die sich auf den Weg gemacht haben, etablierte Banken zu werden.