Challenger-Banken

Mit Vivid Money startet eine neue Challenger-Bank in Europa

App und Karte der Challenger-Bank Vivid Money
Bild: Vivid Money

Die Macher der russischen Tinkoff Bank haben den Worten Taten folgen lassen – die Neo-Bank Vivid Money ist in Deutschland gestartet.

Warum das russische FinTech Tinkoff auch für zahlreiche Branchenkenner westlich von Moskau oftmals unter dem Radar fliegt, haben wir letzten Februar in einem ausführlichen Artikel über die Neo-Bank beleuchtet.

Die Story hat ebenfalls thematisiert, weshalb die Tinkoff Bank in ihren östlichen Kernmärkten mit bemerkenswerten und anhaltenden Erfolgen Geschichte schreibt.

Für diesen Erfolg stehen primär Artem Yamanov, Senior Vice President und Business Development Director der Tinkoff Bank, und Alexander Emeshev, Vice President. Beide haben Ihr Engagement bei der Tinkoff Bank abgebaut, um mit der neuen Challenger-Bank Vivid Money in Europa zu starten, erstmal in Deutschland.

Die Ankündigung dieses Projektes im Februar 2020 hat Chris Weafer, der ehemalige Chefstratege der russischen Sberbank, damals mit der Bemerkung quittiert:

Das ist ein direkter Angriff auf Revolut und N26 – sie werden mit einer Aggressivität auf den Markt kommen, die Revolut und N26 so noch nicht kennen

Diese Prognose ist insofern bemerkenswert, als N26 und vor allem Revolut in Strategie, Expansion und Wachstum auch nicht durch Zurückhaltung auffallen und selbst mit sichtbarer Aggressivität unterwegs sind. Sollte Weafer Recht behalten und der Begriff "Aggressivität" durch die Macher der Challenger-Bank Vivid Money neu definiert werden, darf man auf die zusätzliche Bewegung in den Märkten gespannt sein.

Tinkoff-Gründer und Vivid Money-Investor Oleg Tinkov (TCS Group Holding PLC) jedenfalls ist überzeugt von der Durchschlagskraft des Duos Yamanov und Emeshev – er hat bei der Ankündigung des Projekts im Februar gegenüber unseren Kollegen von Finance Forward verlauten lassen, dass sein "mit Abstand talentiertester Manager, Artem Yamanov, Revolut-Gründer Nikolay Storonsky "in den Hintern treten" wird. So viel zur Aufstellung der Protagonisten bei der der Schlacht um die vordersten Plätze im Ranking der Neo-Banken.

Die ersten Details zum Start von Vivid Money in Deutschland

Die Challenger-Bank startet vorerst ohne eigene Banklizenz und kooperiert deshalb mit der Solaris Bank. Als Kartenpartner ist Visa mit im Boot. Vivid Money positioniert sich selbst als "die erste Finanzplattform, die alle täglichen Bedürfnisse rund um das Thema Geld in einer App vereint. Egal ob Banking, Sparen oder Investieren". – Ein grosses Versprechen, das sich auch N26 und Revolut auf die Flagge geschrieben haben, allerdings bereits mit grossem Vorsprung.

Das Unternehmen hat sich nach eigenen Angaben das Ziel gesteckt, "Kunden in ganz Europa eine unvergleichbare Banking- und Anlageerfahrung zu bieten und eine breite Palette von Finanz-Dienstleistungen ohne unnötige Gebühren anzubieten", Sparkonten, Multiwährungskonten und Aktienhandel inklusive. Sämtliche Leistungen sollen weitgehend gebühren- und provisionsfrei angeboten werden.

Zum Start lanciert Vivid Money zwei Kontotypen, Vivid Standard zum Nulltarif und Vivid Prime für 9.90 Euro pro Monat. Die ersten drei Monate bleiben kostenlos, ebenso die schmucke Metallkarte im Hochformat, die mitgeliefert wird. 

Die Funktionen der App zum Launch

Einige Funktionen, wie zum Beispiel der provisionsfreie Aktienhandel, werden nicht sofort, sondern "demnächst" aufgeschaltet, zum Start sind die folgenden Funktionen verfügbar:

  • Kostenloses Girokonto mit deutscher IBAN, abgesichert mit bis zu 100'000 € im Rahmen des Deutschen Einlagensicherungssystems (DGS)
  • Dreimonatige Test-Mitgliedschaft von Vivid Prime ohne automatische Verlängerung inkl. kostenloser Visa Debitkarte aus Metall, die auch nach Ablauf der Testmitgliedschaft weiter verwendet werden kann
  • Virtuelle Visa Debitkarten für sicheres Online-Shopping (direkt aus der Vivid App auf Knopfdruck erstellt)
  • Kostenlose Überweisungen
  • Kostenlose Bargeldabhebungen weltweit von bis zu 200 Euro (Vivid Standard) / 1'000 Euro (Vivid Prime)
  • Einkaufs-Cashback von bis zu 10% bei zahlreichen Partnern bis maximal 20 Euro im Monat
  • Mit Stock-Reward-Program Cashback bis insgesamt 20 Euro vermehren
  • Unbegrenzt viele kostenlose Unterkonten (Pockets) mit jeweils eigener deutscher IBAN in über 100 Währungen
  • Detaillierte Statistik über Ausgaben und Einnahmen sowie Budgetierungsfunktion
  • Mobil bezahlen mit Google Pay und demnächst auch Apple Pay
  • Gebührenfreier Währungsumtausch zum aktuellen Wechselkurs

Wie gesagt, da kommt noch mehr, das sind die Funktionen im Überblick, mit denen Vivid Money in Deutschland an den Start geht. 

Die freundlich formulierte Kampfansage

«Wir befinden uns in einer Zeit, in der Menschen gar keine oder teilweise sogar negative Zinssätze für ihre Einlagen erhalten und hohe Transaktionskosten zahlen. Ausserdem leiden sie unter einem schlechten Service beim Banking und Investieren. Mit Vivid Money möchten wir das ändern. Wir ermöglichen unseren Kunden, ihr finanzielles Leben einfach, sicher und in all seinen unterschiedlichen Facetten zu organisieren – vom Ausgeben über das Sparen bis zum Investieren. Alles in einer App und individuell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Wir möchten Menschen darüber aufklären, wie sie ihr Vermögen mit den richtigen Tools automatisch vermehren können. Mit Vivid Money haben sie zahlreiche Möglichkeiten, ohne für jede Leistung ein separates Konto oder Depot bei unterschiedlichen Anbietern eröffnen zu müssen. So können Kunden auf einfache Art und Weise mit dem Aktienhandel starten und die Kontrolle über ihr finanzielles Leben übernehmen.»

Artem Yamanov, Mitgründer von Vivid Money

Eine erste Einschätzung

Wer da genau wen "in den Hintern treten" wird, bleibt noch offen. Zudem: Artem Yamanov, Alexander Emeshev und ein Team von mehr als 130 Mitarbeitern haben sich in Berlin installiert und werden sich nicht damit aufhalten, um sich zu treten. Die Challenger-Bank wird sehr produktiv, effizient und in schneller Folge weitere Funktionen aufschalten, um den Start in Deutschland als solide Basis für die Expansion in Europa zu etablieren.

Dass sie das können, haben Yamanov und Emeshev sehr eindrücklich am Beispiel der Tinkoff Bank in Russland bereits bewiesen. Geld für den Deutschland-Start und für die Europa-Expansion ist aller Voraussicht nach genügend vorhanden und wird von der TCS Group Holding PLC zur Verfügung gestellt. Dieses Kapital ist auch notwendig, N26 und Revolut sind mit komfortablem Vorsprung unterwegs, der nicht von heute auf morgen einzuholen ist – mit Kleckern schon gar nicht, ohne Klotzen wird das nicht gehen.

Dass Vivid Money mit den definierten Services gegen etablierte Banken antreten wird, so wie andere Challenger-Banken auch, liegt auf der Hand. Dass jedoch auch N26 und Revolut in der Fahrspur im Wege stehen dürften, zeigt sich ansatzweise bereits in der Ausrichtung von Vivid Money: Im Look und in den Standard-Services erinnert die App von Vivid Money zum Teil stark an N26, in den speziellen Funktionen und Services dann eher an Revolut. 

Man soll die Challenger-Bank nicht vor dem Abend loben, weder die etablierten noch die neuen, der Markt ist offen und aufnahmefähig für wirklich gute Lösungen. N26 und Revolut haben diese guten Lösungen in zahlreichen Märkten mit bemerkenswertem Wachstum seit einigen Jahren im Einsatz. Wie und mit welchem Tempo Vivid Money für Überraschungen und Augenreiben bei der Konkurrenz sorgen will, bleibt abzuwarten. So oder so profitieren werden Kunden, welche neu aus einer weiteren Ecke mit Komfort, smarten Features und tiefen Gebühren verwöhnt werden.