Wort des Jahres 2019

Wem die Worte ausgehen, der wirft das Wort des Jahres in die Runde

Die Jury Deutsch zum Wort des Jahres
Die Sprachschaffenden der Jury Deutsch (von links nach rechts): Tabea Steiner, Christian Kriele, Patrick Tschirky, Georg Eggenschwiler, Josefa Haas, Kilian Ziegler, Thamar Xandry, Philipp Löpfe, Florian Imbach, Marlies Whitehouse (Bild: ZHAW)

Sollte einem mal gar nichts mehr einfallen, Hoffnung naht: das Wort des Jahres liefert neue Munition für anregende Gespräche.

Das Wort des Jahres entspringt nicht einem blossen Gefühl und kommt auch nicht von einer lustigen Jury, die in weinseliger Laune das vermeintlich Meistgehörte aufs Podest hievt – nein, das Wort des Jahres ist ein Projekt. Und ein wissenschaftliches dazu, verantwortet vom "Departement Angewandte Linguistik" der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften).

Erstaunt? Ja, war ich auch. Auf der anderen Seite auch nicht, weil: das Wort des Jahres hat zwar nicht die Amtsdauer eines amerikanischen Präsidenten, aber immerhin eine Haltbarkeit von einem vollen Jahr – das verträgt keine halben Sachen.

Wie wird ein Wort zum Wort des Jahres?

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysieren die Schweizer Diskursdatenbank Korpus Swiss-AL und bestimmen pro Sprache die zwanzig Wörter, die im Jahr 2019 häufiger oder deutlich anders verwendet wurden als in den Jahren zuvor. Dann wählt eine Jury von Sprachprofis aus dieser Liste, aus Publikumsvorschlägen und aufgrund eigener Erfahrung die drei markantesten Wörter. Und schliesslich zeigen die Forschenden auf, wie sich diese Wörter 2019 im Sprachgebrauch in der Schweiz entwickelt haben und für welche gesellschaftlichen Veränderungen sie stehen.

Die operative Leiterin des Projekts, ZHAW-Linguistin Marlies Whitehouse, begründet die gewählten Sieger mit folgendem Statement:

Diese Wörter haben 2019 den Diskurs in der Schweiz geprägt – wissenschaftlich belegt in der Textdatenbank und bestätigt durch die Wahl der Sprachschaffenden

Das Wort des Jahres gibt's, neben Deutsch, Französisch und Italienisch, 2019 übrigens erstmals auch in Rätoromanisch. Hier einmal die Sieger aus dem deutschsprachigen Raum und Sprachgebrauch.

Das Wort des Jahres 2019

Platz 1: Klimajugend
In ernster Besorgnis rufen die Jugendlichen in der Schweiz dazu auf, endlich etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Und sie haben Biss, Schlagkraft und Ausdauer wie Greta Thunberg: Immer wieder bringen sie Zehntausende auf die Strasse zum Klimastreik. Viele von ihnen wollen auf breiter Front einen Umdenkprozess anstossen und gemeinsam Wege aus der Klimakrise finden, zusammen mit Politikern, Wissenschaftlern und der Bevölkerung. Denn die Jugendlichen wissen: Das Klima geht uns alle an und es bestimmt, wie ihre Zukunft aussieht.

Platz 2: OK Boomer
Kurz und bestimmt. OK Boomer ist die Antwort darauf, wenn sich eine Person aus der Babyboomer-Generation abwertend und herablassend über die Meinung einer jüngeren Person äussert. Er taucht in den letzten Jahren vereinzelt auf und verbreitet sich rasch ab Oktober, unter anderem ausgelöst durch den Zwischenruf in einer Klimadebatte: Ein Babyboomer unterbricht eine junge Rednerin, die mit „OK Boomer“ quittiert. Totschlagformulierung oder Einforderung von Respekt? Fest steht: Alt und Jung wollen gehört sein und ernst genommen werden.

Platz 3: Flugscham
Fliegen oder nicht fliegen? Flugscham wird 2019 zum Thema; das Wort bezeichnet die Scham darüber, trotz Klimawandel nicht auf Flugzeugreisen zu verzichten. Im Wort Flugscham verbindet sich Reiselust mit Klimakrise, setzt Globalisierung ihren ökologischen Fussabdruck, verzahnen sich Flugmeilenprämien mit Gewissensbissen. Die Zahlen zum Reisen über den Wolken sprechen eine deutliche Sprache: Die Anzahl der Flugpassagiere steigt weltweit kontinuierlich an. Flugscham breitet sich währenddessen überall aus, bei den Babyboomern und der Klimajugend.

Mehr davon?

Alle Details zur Wahl, zum mehrstufigen, forschungsbasierten Verfahren und natürlich auch zum Wort des Jahres in weiteren Landessprachen gibt's gleich hier. Unter anderem auch mit Informationen zur widerlegten Behauptung, dass ein Bild mehr als 1000 Worte sagen könnte – gleich ersetzt durch die Vermutung in Form eines Slams: Ein Wort sagt mehr als 1000 Bilder.