Mobile Payment

Apple Pay & Co. beissen nur gerade noch bei der Postfinance auf Granit – und wie Twint in diesem Umfeld agiert

Smartphone beim Mobile Payment
Bild: zoranm | Getty Images

Welche Schweizer Banken die mobilen Bezahllösungen der Big Techs inzwischen unterstützen – und welche Pläne die Schweizer Lösung Twint verfolgt.

Bereits im April 2020 haben wir berichtet, dass die Allianz der Schweizer Banken gegen Apple Pay, Google Pay und auch Samsung Pay faktisch nicht mehr existent ist.

Banken haben sich über Jahre gegen die Bezahllösungen von Big Techs gestemmt, um den Markt für Twint freizuhalten oder freizumachen. Ob Twint diesen "Support" gebraucht hat oder nicht, mag dahingestellt bleiben – so oder so ist die Schonfrist inzwischen abgelaufen und Twint muss sich in Zukunft als eigenständige Lösung im Schweizer Markt beweisen.

Der Heimatschutz-Gedanke hat sich in Luft und Einsicht aufgelöst

Von der einstigen Aversion der Schweizer Banken ist heute nicht mehr viel zu spüren, der längere Zeit gepflegte Heimatschutz-Gedanke hat der Einsicht Platz gemacht, Kunden das zu geben, was sie haben wollen. Dazu kommt, dass das schweizerische Twint und die internationalen Lösungen von Apple, Google und Samsung ohnehin nicht direkt vergleichbar sind. Twint hat Vorzüge und seine Fans, so wie die anderen Lösungen auch, die Möglichkeiten von Twint enden jedoch an der Schweizer Grenze. Ob überhaupt und wann Twint diese Grenzen sprengen will, steht in den Sternen. 

Welche Schweizer Banken sind mit im Boot von Apple, Google und Samsung?

Der Online-Vergleichsdienst Moneyland hat eine aktuelle Übersicht zusammengestellt – und dabei auch einen Blick auf Twint geworfen.

Noch vor gut einem Jahr (April 2019) bot noch keine der acht grossen Schweizer Banken UBS, Credit Suisse, Raiffeisen, Zürcher Kantonalbank, Postfinance, Valiant Bank, Migros Bank und Bank Cler ihren Kunden Apple Pay, Google Pay oder Samsung Pay an. Das hat sich inzwischen geändert, mittlerweise unterstützen Kreditkarten und Prepaidkarten von fast allen Schweizer Banken die Bezahllösungen von Apple, Google, Samsung und anderen Anbietern. 

Ausnahme bleibt vorderhand die Postfinance, welche weiterhin exklusiv auf Twint setzt und die internationalen Lösungen nicht unterstützt.

Offenbar hat sich bei Schweizer Banken nun die Einsicht durchgesetzt, dass sie ohne die mobilen Lösungen von Apple, Google und Samsung schlechter fahren als mit. Diese Haltungsänderung dürfte durch die Reaktion zahlreicher Bankkunden befeuert worden sein: Wird einem Kunden die Nutzung seiner Wunschlösung verweigert, ist diese Nuss sehr einfach zu knacken – der Kunde holt sich eine zusätzliche Karte bei einem anderen Anbieter, welcher den gewünschten mobilen Service unterstützt. Unerwünschter und spürbarer Nebeneffekt: die Umsätze und Erträge laufen über andere Kanäle und werden ausserhalb der Hausbank generiert.

Benjamin Manz, Geschäftsführer von Moneyland, benennt einen zusätzlichen Aspekt, der aus seiner Sicht mit in die Waagschale gehört:

Neobanken wie Revolut, Transferwise und Neon machen Schweizer Banken zurzeit grösseres Bauchweh als digitale Riesen wie Apple – die neuen Smartphone-Banken konkurrenzieren Schweizer Banken bereits viel direkter als die Technologie-Riesen

Als Beleg für seine These führt Manz die kürzliche Lancierung der neuen Kreditkarten von UBS mit günstigeren Wechselkursen ins Feld – Manz ist zudem überzeugt, dass weitere Produktanpassungen von Schweizer Banken folgen werden.

Die Übersicht von Karten der grossen Schweizer Banken

Die meisten grossen Banken sitzen bereits im Boot, wer heute noch nicht dabei ist, wird bald folgen. Einzig die Postfinance will vorderhand nichts von den Internationalen wissen und verteidigt das Terrain von Twint.

Wie hat sich Twint in den letzten zwölf Monaten entwickelt?

Twint hat, wie praktisch alle kontaktlosen Bezahllösungen, von der Corona-Krise profitiert. Allerdings konnte Twint schon vor Corona gute Zahlen melden. Ein Überblick zur Entwicklung innerhalb der letzten zwölf Monate:

Stand Juli 2019
Registrierte Nutzer: 1,6 Millionen
Transaktionen pro Monat: rund 3 Millionen

Stand September 2019
Registrierte Nutzer: 1,7 Millionen
Transaktionen pro Monat: rund 4 Millionen

Stand Januar 2020
Registrierte Nutzer: mehr als 2 Millionen
Transaktionen pro Monat: über 5 Millionen

Stand Mai 2020
Registrierte Nutzer: 2,5 Millionen
Transaktionen pro Monat: rund 7,5 Millionen

Ebenfalls Ende Mai 2020 hat Twint kommuniziert, dass sich die Neuregistrierungen während der Corona-Krise verdoppelt hätten und gab an, pro Woche 45'000 neue User an Bord zu nehmen.

Unsere Fragen zum (wichtigen) Verhältnis von registrierten und wirklich aktiven Nutzern mochte Twint bisher nicht mit klaren Aussagen beantworten. Letztmals hat Twint unserer Redaktion im Januar eine Teil-Antwort gegeben, nachzulesen in der Story: Wie belastbar ist die erreichte Marke von zwei Millionen Nutzerinnen und Nutzern?

Wie steht Twint da im Vergleich zu Apple Pay & Co.?

Moneyland hat in einer diesjährigen Umfrage auch zu diesem Thema Nutzungszahlen erhoben, die Vergleichswerte hier im Überblick:

Bereits 38 Prozent der Befragten nutzen Twint in Geschäften (in unterschiedlicher Häufigkeit) als Zahlungsmittel. Zum Vergleich: Bei Apple Pay sind es erst 10 Prozent, bei Google Pay 9 Prozent und bei Samsung Pay 7 Prozent.

Wenn man nur die Nutzer berücksichtigt, welche die jeweiligen Bezahldienste häufig im Geschäft nutzen, ergeben sich folgende Zahlen: 7 Prozent nutzen Twint oft. Bei Apple Pay sind es hingegen nur 3 Prozent, bei Google und Samsung Pay je 2 Prozent.

Die aktuellen Pläne von Twint

Ende Mai 2020, beflügelt von den Zuwachszahlen während des Lockdowns, hat Twint kommuniziert, das "Niveau der Debitkarten" erreichen zu wollen. Mit angepasster Organisations-Struktur sowie "mit zusätzlichen Produkten und Funktionalitäten" soll dieses hochgesteckte Ziel erreicht werden und Twint soll damit "zum neuen Zahlungsstandard der Schweiz" werden.

Zur Verstärkung hat Twint aktuell einen ehemaligen PayPal-Manager ins Haus geholt. Jens Plath ist neu als Chief Marketing Officer (CMO) mit an Bord. Zuletzt war Jens Plath als Berater und Mitgründer im Startup-Umfeld unterwegs, hauptsächlich im Finanz- und Technologiebereich. Seine Erfahrungen in der Zahlungsindustrie hat Plath primär während seiner Zeit bei PayPal 2011 bis 2018 gesammelt. Dort verantwortete er zunächst den Bereich Partnerschaften und baute anschliessend PayPal zum führenden P2P-Zahlungsdienst in der Region Deutschland, Österreich und der Schweiz aus.

Mit neu formierter Kern-Geschäftsleitung und einer ebenfalls neu zusammengesetzten erweiterten Geschäftsleitung, der auch Jens Plath angehört, will Twint das Kunststück in Angriff nehmen, zum "Niveau der heutigen Debitkarten-Benutzung" aufzuschliessen.