Schweizer Banken im Sog der tiefen Gebühren

Konto-Typen der Neo-Bank N26
Bild: N26

Zahlreiche Challenger-Banken verdanken Erfolg und schnelles Wachstum nicht zuletzt den tiefen Gebühren – das bringt nicht nur traditionelle Banken in Zugzwang.

Im Zentrum der Angebote von Neo-Banken steht immer eine Karte, in der Regel eine Debitkarte. Praktisch bei allen bei Neos zeichnen sich diese Karten dadurch aus, dass sie bei Gebühren und Fremdwährungskursen extrem kostengünstig ausgelegt sind. Insbesondere Revolut hat vor fünf Jahren Zeichen gesetzt – zum Start bestand das Angebot im Kern nur aus Konto und Karte, einsetzbar im In- und Ausland praktisch ohne Gebühren und zu "echten" Wechselkursen ohne Aufschläge. Dieses Rezept und Revoluts Weg zum Unicorn mit über 10 Millionen Kunden, 300'000 davon in der Schweiz, hat auch nachfolgende FinTechs auf den Pfad der tiefen Gebühren gebracht. 

Bankkunden stellen neue Ansprüche und ändern ihr Verhalten

Alle FinTechs und Challenger-Banken zusammengenommen haben inzwischen eine Masse erreicht, die zu spürbaren Verhaltensänderungen bei Konsumenten und auch bei Kunden traditioneller Banken führt. Das heisst nicht, dass Bankkunden fahnenflüchtig werden, aber sie leisten sich zunehmend ein zusätzliches Konto mit Karte bei Revolut, N26, Neon, Yapeal oder auch bei Transferwise.

Die digitale Kontoeröffnung übers Smartphone geht bei allen Challenger-Banken in der Regel schnell und einfach. Die Möglichkeiten der Zusatzkarte werden vor allem im Urlaub, im Ausland oder auch bei Online-Käufen in Fremdwährungen genutzt, was sich oftmals in massiven Gebühren-Einsparungen niederschlägt.

Der letzte grosse Kartenvergleich von Moneyland Ende Februar 2020 hat mit verschiedenen Szenarien die Unterschiede berechnet und benannt. Die Gebührendifferenz zwischen dem günstigsten und dem teuersten Anbieter lag bei Einkäufen von Vielnutzern zwischen CHF 34.86 und CHF 561.29, bei Wenignutzern zwischen CHF 4.41 und CHF 185.67.

Banken reagieren auf Verhaltensänderungen ihrer Kunden

Schweizer Banken reagieren noch weniger auf Challenger-Banken, eher auf den Druck vom Markt durch das Verhalten ihrer Kunden. Weichen mehr und mehr Kunden auf Zusatzkarten von Neo-Banken aus, entgehen den Banken dadurch Umsätze und Erträge. Zudem erhöht sich das Risiko, dass Kunden traditioneller Banken mit Zusatzkarte einer Neo-Bank, im Laufe der Zeit auch weitere Leistungen ihres neuen Finanzdienstleisters in Anspruch nehmen. Dieser Aspekt ist nicht zu unterschätzen, Digital- und Smartphone-Banken sind in der Regel sehr innovativ und bauen den Fächer ihrer Services laufend aus.

Diese drohende Erosion an der Kundenfront durch den Trend zur Zusatzkarte von Neo-Banken hat schon vor einiger Zeit Bewegung in die Kartenlandschaft gebracht. Zum Beispiel Swisscard, ein Gemeinschaftsunternehmen von Credit Suisse und American Express, hat bereits vor einem Jahr ihre Cashback Cards lanciert – kostenlose Kreditkarten ohne Jahresgebühr mit bis zu einem Prozent Cashback.

Verstärkte Kursänderungen werden gerade in diesen Tagen spürbar. Die Credit Suisse hat vor zwei Wochen mit der Debit Mastercard die bisherige Maestro-Karte abgelöst. Die neue Karte kann nicht nur mehr, sie setzt auch neue Signale bei den Gebühren. Der Kommentar von Anke Bridge Haux, Head Digitalization & Products bei der Credit Suisse (Schweiz), bei der Lancierung:

Die neu kostenlosen Auslandstransaktionen machen die Debit Mastercard zu einer attraktiven Alternative zu Angeboten von Neo-Banken

Die UBS hat wenige Tage später nachgezogen und mit der Lancierung der Global Cards ein Angebot vorgestellt, das vor allem für Vielreisende und Online Shopper attraktiv sein soll. Die Einkäufe in Fremdwährungen werden zum Mastercard-Wechselkurs umgerechnet, mit einem Aufschlag von 0,5 Prozent. Gleichbleibend und unabhängig von der Währung, deshalb transparent, und auch gültig am Wochenende, verspricht die Grossbank. Weitere Bearbeitungsgebühren bei Zahlungen im Ausland oder auch bei Internet-Einkäufen in ausländischen Online Shops fallen nicht an. Karin Oertli, Chief Operating Officer UBS Personal & Corporate Banking and Region Switzerland, hat das neue Angebot ebenfalls mit einem Seitenblick auf Neo-Banken begleitet:

Wir freuen uns, mit den UBS Global Cards eine attraktive Alternative zu den Angeboten von Neo-Banken anzubieten

Mit im Sog der gebührensensitiven Massnahmen: Bank Cler mit Zak

Aktuell meldet die Bank Cler, dass sie Zak, ihre Smartphone-App, auch über die Gebühren "noch attraktiver" machen will. Zak hat inzwischen die Grenze von 35'000 Nutzern überschritten und will seine Kunden neu im Ausland ohne Gebühren und Aufschläge bezahlen lassen. Den Bearbeitungs­zuschlag von 2 Prozent auf Zahlungen in Fremdwährungen hat die Bank gestrichen. 

Voraussetzung ist, dass die Auslandszahlung mit der virtuellen Visa Prepaid­karte in der jeweiligen Lokalwährung des Landes gemacht wird. Die Abrechnung der Zahlung erfolgt dann zum tagesgültigen Referenzkurs. Wochenendzuschläge gibt's keine so wenig wie eine Beschränkung auf niedrige Freibeträge – Zahlungen im Ausland sind in unbegrenzter Höhe möglich, ohne Zuschläge. Die virtuelle Karte kann fürs Mobile Payment mit Apple Pay, Samsung Pay und Google Pay eingesetzt werden.

Die Bank Cler gibt an, dass bei einer Nutzer-Umfrage mit einer Beteiligung von 1'600 Personen im Frühjahr 2020 als "grösster Wunsch" bei Funktionen und Services der folgende Punkt im Zentrum stand: "Gebührenfreies Bezahlen im Ausland an den Akzeptanzstellen von Visa respektive Mastercard". Etwas im Widerspruch dazu steht ein anderes Ergebnis aus derselben Umfrage: "Besonders positiv bewertet wurde das gute Preis-/Leistungsver­hältnis von Zak (4.52 Punkte auf einer Skala mit max. 5 Punkten)". Wie auch immer, die Diskrepanz ist durch die aktuelle Streichung der Auslandsgebühren ohnehin vom Tisch.

Ein weiteres Resultat aus der Frühjahrs-Umfrage ist interessant: 37 Prozent der Teilnehmer hätten angegeben, Zak als ihr Hauptkonto zu nutzen und über 65 Prozent der Befragten würden Zak täglich oder mehrmals pro Woche nutzen.

Das bestätigt ein Stück weit das mögliche Risiko einer Kundenabwanderung zu Neo-Banken. Zak ist keine typische Neo-Bank, aber als digitale Smartphone App wirkt sie wie eine. Zudem unterscheiden Kunden nicht zwischen Challenger-, Neo- oder anderen Banken – ist es digital, komfortabel, gut und günstig, wird das Angebot zur Alternative.

Apropos Komfort und Kundenausrichtung: Zak wird das Onboarding im 2. Halbjahr einfacher, schnel­ler und kundenfreundlicher ausgestalten. Letzteres mit Blick darauf, dass neu spontan und auch aus­serhalb der bankeigenen Servicezeiten ein Zak-Konto eröffnet werden kann.

Interessante Entwicklung:
Gegenläufige Tendenz bei den Gebühren von Challenger-Banken

N26 wie auch Revolut sind in den letzten Wochen durch partielle Gebühren-Erhöhungen aufgefallen. Ganz dramatisch sind diese Erhöhungen nicht, zumal zahlreiche Challenger-Banken im Bereich der Gebühren mit sehr viel Spielraum und Distanz zu den meisten klassischen Banken operieren. Dennoch eine gegenläufige Tendenz – mit zwei interessanten Aspekten.

Werden Gebühren nur partiell erhöht, kann ganz schnell das bisher "Einfache" verlorengehen, das Neo-Banken auszeichnet, weil Regel, Ausnahme sowie Mengen- oder Häufigkeitsbeschränkungen zu unübersichtlichen Preislisten führen können. Der Journalist Mark Fehr von der FAZ war sichtlich genervt von der neuen N26-Gebührenübersicht und kommentierte im März 2020:

Die Preisliste des Fintech liest sich mittlerweile so sperrig wie die einer Sparkasse oder Volksbank

Der zweite Aspekt ist ebenso wichtig. Challenger-Banken, die Neukunden durch tolle Leistungen, aber auch durch eine aggressive Gebühren-Politik gewinnen, könnten innerhalb ihrer Geschäftsmodelle früher oder später an Rentabilitäts-Grenzen stossen.  

Wohin kann das führen?

Neo-Banken werden sich auch in Zukunft nicht auf das Gebühren-Niveau zahlreicher klassischer Banken emporschwingen, sowenig wie traditionelle Banken bedingungslos den Boden der Tiefgebühren von Challenger-Banken ansteuern. Aber die feststellbare Tendenz der gegenläufigen Annäherung in kleinen Schritten ist bemerkenswert.

Gut möglich, dass diese Entwicklung längerfristig zu etwas Gutem führen kann. Neo-Banken festigen ihre Geschäftsmodelle, indem sie für gute Leistungen faire, transparente und deshalb nachvollziehbare Gebühren verlangen, die sie in eine einfache und vor allem einfach verständliche Preisliste packen. Traditionelle Banken tun genau dasselbe. Die einen erhöhen moderat, die anderen reduzieren, moderat oder kräftiger, je nach aktueller Position. 

Im Resultat entstehen vergleichbare Preislisten, welche sich weniger durch unglaubliche Differenzen im Preis für genau dasselbe auszeichnen, mehr durch variable Leistungen und unterschiedliche Angebote. Konsumenten werden diese neue Klarheit ohne Widerstände akzeptieren, weil auch Nutzer von Finanzdienstleistungen bereit sind, für wirklich herausragende Leistungen einen fairen Preis zu bezahlen.