Der Vorstandsvorsitzende der Sparda-Bank Berlin denkt über New Work nach und schafft seine eigene Firmenzentrale ab

Das Logo der Sparda-Bank an einem Bankhaus
Bild: Cineberg | Getty Images

Ob Frank Kohler das Kind gleich mit dem Bade ausschüttet oder einfach die Zeichen der Zeit richtig deutet – der Chef der Sparda-Bank Berlin geht einen mutigen Schritt.

Der Vorstandsvorsitzende der Sparda-Bank Berlin zieht einen bemerkenswerten Schritt entschlossen durch. Frank Kohler erklärte vor einigen Tagen auf LinkedIn, was er und seine Bank unter New Work und "Präsenzstrategie" verstehen und fasste eine gefällte Entscheidung mit folgendem Statement zusammen:

Eine Bankzentrale gibt es bei uns ab 2023 nicht mehr. Unser Arbeiten wird so flexibel wie unser Leben.

«Wir sind auf Kurs», legte Kohler nach und unterstreicht den fortschrittlichen Kurs mit einem Bild der neuen Firmenzentrale:

Wer im Bild weder Bankhaus noch gewohnt repräsentative Fassade und Portal ausmachen kann, ist nicht Opfer einer temporären Sehschwäche, vielmehr Zeuge eines mutigen und zukunftsorientierten Konzepts. Die Grosszügigkeit und visuelle "Luftigkeit" der neuen Zentrale sowie die Auswirkungen und Vorteile der neuen Strategie verdeutlicht Frank Kohler mit folgenden Ausführungen:

«Wir ziehen im Dezember aus unserer bisherigen Zentrale in der Storkower Strasse in Berlin aus. In der Folge reduzieren wir die Büroflächen der Bank netto um mehr als 11'000 Quadratmeter. Und damit auch die dafür notwendigen Betriebs- und Energiekosten. 

Unsere Standorte (früher "Filialen" genannt) werden künftig Begegnungsstätten für Kundinnen, Mitglieder, Geschäftspartner und Mitarbeitende gleichermassen. Wir bleiben persönlich in der Fläche präsent und schaffen Räume für Beratungen oder Workshops ebenso wie für konzentriertes Arbeiten oder Meetings.»

Ist eine klassissche Bank ohne Zentrale noch eine Bank?

Sicher, vielleicht etwas weniger klassisch, aber möglicherweise agiler, flexibler, motivierter und dadurch noch näher bei ihren Kundinnen und Kunden. Von der neuen "Präsenzstrategie" sind rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen, die allerdings nicht zu neuer Freiheit verdonnert werden, sondern offenbar Teil der Entscheidungsfindung waren. 

Auf die Frage, ob der Schritt als Top-down-Entscheidung oder als Ergebnis eines Mitarbeiter-Projekts gemacht wird, meint Kohler: «Beides: Management-Entscheidung in Folge eines gemeinsamen Projekts.»

Die demzufolge breit abgestützte neue Strategie bringt erweiterte Spielräume und einen neuen Rhythmus in den Arbeitsalltag der gesamten Crew der Sparda-Bank Berlin.

Gegenüber dem Branchenportal "Finanzbusiness" gab der Vorstandschef zu Protokoll:

«Durch die Schliessung werden alle Mitarbeiter remote arbeiten – dazu können sie die Begegnungsstätten nutzen, für die wir die Filialen aktuell umbauen, sowie ins Home Office oder in Co-Working Spaces gehen»

Zentraler Punkt: die Sparda-Bank will ihren Mitarbeitern für die finanzielle Mehrbelastung durch Home Office oder Co-Working-Space-Miete einen Ausgleich zahlen.

Die Sparda-Bank setzt einen eigenständigen Standard im New Work-Kontext

Der Schritt ist konsequent, fortschrittlich und mutig, folgt jedoch Einsichten und Erfahrungen der Vergangenheit. Die Corona-Pandemie hat im Bereich New Work Tore geöffnet und das Terrain für neue Arbeitsmodelle geebnet.

Pro Mitarbeiter werden in Zukunft noch 0.3 stationäre Arbeitsplätze in den Gebäuden der Bank zur Verfügung stehen. Haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch die freie Wahl zwischen Home Office und Co-Working Spaces, wird es in den neuen Begegnungsstätten (einstmals Filialen) ziemlich sicher kein Gedränge geben. Zumal die Verantwortlichen der Sparda-Bank schon vor der Corona-Pandemie die Beobachtung gemacht haben, dass kaum mehr als 50 Prozent zur selben Zeit im Büro waren.

Die Bank ist aktuell bereits im Prozess der Umsetzung der neuen Strategie. So ist zum Beispiel die Filiale in Berlin Mitte momentan im Umbau, um modellhaft die geplante Begegnungsstätte für Kundenberatung mit Meetingräumen und Einzelarbeitsplätzen zu schaffen. Zudem hat die Bank drei Etagen in der jetzt noch bestehenden Zentrale bereits abgesperrt und ein Buchungssystem für Arbeitsplätze in Betrieb genommen, um das Modell der Zukunft zu testen.

Ob das Beispiel der Sparda-Bank Kreise zieht und in der Finanzindustrie Schule machen kann, wird sich zeigen. Die Wünsche von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der einen Seite sowie hohe Raum- und Betriebskosten für schlecht genutzte Büroflächen auf der anderen Seite dürften jedoch verstärkt zu Überlegungen bei Geldhäusern führen. Lösungen und neue Arbeitsmodelle können unterschiedlich ausfallen, das Thema "New Work" hat viele Facetten – die Bewegung an sich ist jedoch auch in der Bankenwelt angekommen.