DSGVO

Datenschutz nach DSGVO: Morgen sind wir nur noch Nummern

Kind steht am Klingelbrett eines Wohnblocks
Bild: Lumineimages | Getty Images

Die grösste kommunale Hausverwaltung Europas hat ein Problem: Wiener Wohnen der Stadt Wien verwaltet 220'000 Gemeindewohnungen – und ist jetzt gezwungen, aus Mietern und Menschen mit Namen neu Nummern zu machen.

Wiener Wohnen der Stadt Wien ist die grösste kommunale Hausverwaltung in Europa. 4'500 Mitarbeiter verwalten und bewirtschaften die städtischen Wohnhausanlagen Wiens. Der soziale Wohnungsbau hat in Wien eine lange Tradition, jeder vierte Einwohner von Wien lebt in einem Gemeindebau und damit in einer von 220'000 Gemeindewohnungen. 

Keine Namen an der Türklingel

Einer von 220'000 Mietern hat sich beschwert, dass mit seinem Namen an der Türklingel die Vorschriften der DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) verletzt werden – und er hat recht bekommen. Wiener Wohnen muss nun die standardmässige Namens-Beschriftung der Gegensprechanlagen und Klingelbretter auf neutrale Nummern umstellen. 

Auch die Hauswegweiser, das sind Holzkästen im Eingangsbereich von Wohnblöcken mit Wohnungsnummern und Familiennamen, müssen entfernt werden. Das gilt für sämtliche Liegenschaften und für die Mieter aller 220'000 Wohnungen.

Müllerhuber ist zur Nummer geworden und nennt sich jetzt 49

Das heisst konkret: Wer in einem grossen Wohnblock mit fünfzig Wohnungen den Adolar Müllerhuber besuchen möchte, hat unten beim Klingelbrett die Auswahl aus fünfzig nichtssagenden Nummern und damit möglicherweise ein aktues Problem. Kein einziger Name an Brett und Klingeln, nur Nummern. Wer nicht weiss, dass der Müllerhuber die Wohnung mit der Nummer 49 bewohnt, zieht halt unverrichteter Dinge wieder ab. Müllerhuber ist zur Nummer geworden, nennt sich jetzt 49 und der DSGVO ist damit Genüge getan.

Wenn Gesetze Purzelbäume schlagen

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU, seit 25. Mai 2018 in Kraft, ist gross, breit, tief, fett und dadurch sehr komplex geraten. Mit der guten Absicht gedacht, Menschen und ihre Daten zu schützen, schiesst sie in weiten Teilen deutlich über dieses Ziel hinaus. Auch und gerade dann, wenn Menschen vielleicht gar nicht dermassen vollumfänglich geschützt werden möchten. 

Stört sich ein Mieter daran, dass sein Name am Klingelbrett steht, könnte er sein legitimes Recht auf Anonymität dadurch sichern, indem er das Namensschild einfach entfernt. Oder durch eine Nummer ersetzt, wenn er denn eine sein will. Das wäre pragmatisch und das individuelle Problem wäre gelöst.

Kraft der DSGVO geht das offensichtlich auch anders. Wird die Verordnung interpretiert und durchgesetzt wie im Wiener Beispiel, wird nicht nur der beschwerdeführende Mieter geschützt, im selben Aufwasch werden auch gleich 219'999 weitere Mieter zwangsgeschützt, welche das möglicherweise gar nicht wollen. Zumal es praktisch sein kann, wenn Post, Besucher, Freunde und Bekannte unten schon wissen, wo sie drücken sollen, damit das Klingeln am richtigen Ort ankommt. Wer will schon zu einer Nummer?

Die Verwaltung von Wiener Wohnen stellt ihren Mietern frei, zusätzlich zu den Nummern "auch ihren Namen selbst an der Gegensprechanlage aussen am Tableau anzubringen". Dass dann allerdings erst, nachdem Wien und die Gemeindewohnungen flächendeckend anonymisiert und durchnummeriert worden sind, so wie es die DSGVO will. Das soll nach Angaben der Verwaltung bis Ende 2018 ausgeführt und abgeschlossen sein.