Finanzielle Bildung in buddhistischen Klöstern in Nepal

Buddhistisches Kloster in Nepal
Buddhistisches Kloster in Nepal (Bild: Getty Images | Byelikova_Oksana)

Wird in buddhistischen Klöstern über die Psychologie des Geldes nachgedacht? Oder über Aktiendividenden diskutiert? Erstaunliche Einsichten aus Nepal.

Mönche, die das Buch "Über die Psychologie des Geldes" lesen und in Workshops zum Thema finanzielle Allgemeinbildung Fragen zu Aktiendividenden stellen – entspricht das Ihrer Vorstellung von einem tibetisch-buddhistischen Kloster in Zentralnepal?

Ich war nicht nur überrascht zu sehen, dass Mönche zunehmend in (digitale) Finanztransaktionen involviert sind, sondern auch, als ich das folgende Zitat über der Tafel in einem der Klassenzimmer der Kopan Monastery Secondary School entdeckte:

An investment in knowledge pays the best interest

Wenn Sie aus dem Finanzbereich kommen, kennen Sie vielleicht dieses Zitat von Benjamin Franklin, aber ich hatte nicht erwartet, es in einem klösterlichen Klassenzimmer zu sehen, als ich während meines Freiwilligeneinsatzes im August 2022 Workshops und Umfragen zur finanziellen Bildung durchführte.

Ist finanzielle Bildung für buddhistische Mönche relevant?

Warum sollten Mönche an solchen Themen interessiert oder dafür empfänglich sein? Und warum sollte Finanzwissen in einem Kloster überhaupt von Bedeutung sein? In einem klösterlichen Kontext, und noch dazu in einem tibetisch-buddhistischen, würde man annehmen, dass Finanztransaktionen so gut wie nicht vorkommen und das Thema daher für Mönche irrelevant ist. Warum also Workshops zur finanziellen Bildung mit den Mönchen durchführen?

Der einfache Grund: die Mönche waren sehr interessiert an diesen Themen und sie haben darum gebeten. Und wie sich herausstellte, sind finanzielle Themen für sie relevant. Die Analyse von zwei tibetisch-buddhistischen Klöstern – Kopan und Drikung – ergibt in der Tat ein anderes Bild, als man vermuten würde. Es zeigt sich, dass die Mönche nicht völlig isoliert von der sie umgebenden (finanziellen) Realität sind, sondern sich zunehmend mit Mobile-Money-Lösungen, Bankkonten und Finanztransaktionen im Allgemeinen beschäftigen.

Finanzielle Bildung ist für Mönche relevant, und sie schneiden in einer Umfrage zur Finanzkompetenz viel besser ab als erwartet – und, bemerkenswert, sogar besser als einige Nicht-Mönche mit Bachelor- und Masterabschluss.

Warum ist das für die Welt von Relevanz?

Auch wenn finanzielle Allgemeinbildung oder finanzielle Eingliederung nicht ausdrücklich als eines der Ziele nachhaltiger Entwicklung der Vereinten Nationen genannt werden, sind beide Faktoren für viele dieser Ziele von entscheidender Bedeutung. Sobald eine Person an das Finanzsystem angeschlossen ist, ist sie besser in der Lage, sich aus der Armut zu befreien, indem sie zum Beispiel in Bildung investiert. Speziell für Nepal zeigen Studien, dass der Zugang zu Finanzdienstleistungen mit höheren Bildungsausgaben und einem höheren Bildungsniveau verbunden ist.

Internationale Organisationen unternehmen grosse Anstrengungen im Bereich der finanziellen Bildung, um sicherzustellen, dass keine Gruppe oder Gesellschaft ausgeschlossen und zurückgelassen wird. Da Finanztransaktionen in der digitalen Welt nur einen Maus- oder Fingerklick entfernt sind, sollten Mönche und generell Menschen, die in einem klösterlichen Umfeld leben, keine Ausnahme bilden. Finanzielle Bildung ist ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung sozialer Ungleichheiten – und Massnahmen zur Verbesserung der finanziellen Allgemeinbildung sollten nicht an den Klostertoren haltmachen.

Was haben buddhistische Mönche mit Finanzthemen zu tun?

Während der Workshops mit den Mönchen erkundigte ich mich nach der Bedeutung des Geldes in ihrem Leben. Die Mönche erzählten mir, dass sie zuallererst Bargeld zum Kauf von Lebensmitteln und Getränken, für Kleidung, auch für kleinere Urlaubsreisen und Wochenendtrips sowie zum Aufladen von mobilen Daten und Guthaben für ihr Smartphone verwenden.

In Bezug auf Letzteres gaben die Mönche an, dass sie täglich gängige Social-Media-Apps wie Facebook, TikTok, Twitter, YouTube oder WeChat (chinesische Social-Media- und mobile Zahlungs-App) nutzen. Hinsichtlich der Bankkonten gaben die Mönche über 18 Jahren an, ein (bisher eher unregelmässig genutztes) Bankkonto zu haben. Darüber hinaus wurde über die verstärkte Nutzung von Mobile-Money-Lösungen, insbesondere eSewa, berichtet.

Über das digitale Zahlungsportal von eSewa können die Kunden sowohl online als auch offline (per SMS) Zahlungen vornehmen. eSewa erleichtert zum Beispiel Zahlungen an Händler, Überweisungen auf verschiedene Bankkonten, das Aufladen von Mobiltelefonen, die Bezahlung von Rechnungen für Versorgungsleistungen oder Internet, für Schulgebühren sowie auch Zahlungen an verschiedene Regierungsstellen.

Mobiles Geld und mobiles Banking

Es ist wichtig, zwischen mobilem Geld (Mobile Money) und mobilem Banking zu unterscheiden. Während Letzteres ein formelles Bankkonto voraussetzt und den Kunden den Zugang zu traditionellen Bankdienstleistungen ermöglicht, können die Nutzer mit mobilem Geld ähnliche Transaktionen über ein Mobiltelefon (kein Smartphone erforderlich) durchführen, ohne ein Bankkonto zu besitzen.

Da Zahlungen als Ausgangspunkt für die finanzielle Eingliederung und als Einstiegsprodukt in andere (digitale) Finanzdienstleistungen für finanziell unterversorgte Menschen betrachtet werden, sollten die Erfahrungen der Mönche mit eSewa und digitalen Zahlungen nicht unterschätzt werden. Komplexere Finanzdienstleistungen wie Sparkonten, Kredite oder Versicherungen beinhalten ausnahmslos Zahlungen und bauen auf der Fähigkeit auf, Geld sicher aufzubewahren und Transaktionen durchzuführen. Im Gegensatz zu Sparkonten oder Krediten erfordern Zahlungen auch kein Vertrauen zwischen den Parteien, was sie zu einem guten Einstiegsprodukt macht.

Zudem entscheiden sich nur 5 bis 10 Prozent der Mönche (in dieser Region Nepals) dafür, nach Abschluss der formalen Schulausbildung im Kloster als Mönch zu bleiben, was die Relevanz von Finanzfragen deutlich erhöht, da die Mönche auf das Leben und die Welt ausserhalb der Klostertore vorbereitet werden sollten. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Finanzfragen im Leben der Mönche eine wichtige Rolle spielen, sowohl in der Gegenwart als auch vermutlich in noch grösserem Masse in Zukunft. Doch wie steht es um die finanzielle Kompetenz der Mönche?

Wie haben die Mönche in der Umfrage zur finanziellen Allgemeinbildung abgeschnitten?

In Anbetracht des klösterlichen Kontextes ist das Gesamtergebnis der Mönche erstaunlich gut, insbesondere im Vergleich zu früheren empirischen Studien. Für Nepal zeigt der Standard & Poor's Global Financial Literacy Survey ein finanzielles Bildungsniveau von lediglich 18 Prozent. Das Niveau der Finanzkompetenz der Mönche von 26 Prozent schneidet im Vergleich zur Referenzstudie sehr gut ab, wobei das Kloster Kopan sogar 35 Prozent erreicht. Die Ergebnisse der Mönche sind auch im Vergleich zu anderen Studien wie der OECD/INFE Financial Literacy 2020 Survey in Bezug auf das Konzept des einfachen Zinses und des Zinseszinses positiv zu bewerten.

Interessanterweise schnitten die Mönche beider Klöster – Kopan und Drikung – ähnlich gut oder sogar besser ab als ebenfalls befragte NGO-Mitarbeiter in Kathmandu, die über zahlreiche Bachelor- und Masterabschlüsse und mehr Erfahrung in Geldangelegenheiten verfügen. Während zum Beispiel 12 Prozent der Mönche alle fünf Fragen und damit alle vier Dimensionen richtig beantworten konnten, im Kloster Kopan sogar 18 Prozent, konnte keiner der NGO-Mitarbeiter alle Fragen richtig beantworten.

Welche Faktoren erklären die guten Ergebnisse und die Unterschiede zwischen den Klöstern?

Die Ziele der buddhistischen Klosterausbildung liegen in der Ausbildung der Schüler, um ihre allgemeine Entwicklung in Bezug auf Disziplin, Charakter, Wissen und Gesundheit zu fördern, und nicht in der Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten für das spätere Berufsleben. Das Ziel ist die Entwicklung menschlicher Qualitäten wie (aber nicht nur) Demut, Kooperation, Toleranz, Geduld und Warmherzigkeit. Darüber hinaus waren in den beiden untersuchten Klöstern buddhistische Philosophie und Debatten integraler Bestandteil der klösterlichen Ausbildung. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Auswendiglernen der Gebete und Liturgien, die in der klösterlichen Gesangstradition üblich sind.

Dies würde die guten Leistungen der Mönche nicht erklären und ausserdem spielt die Mathematik in der traditionellen klösterlichen Ausbildung eine untergeordnete Rolle. Während im Drikung-Kloster keine formale mathematische Ausbildung auf dem Lehrplan steht, kombiniert der moderne Lehrplan des Kopan-Klosters den offiziellen Nepal-Schul-Lehrplan und die klösterlichen Grundsätze mit Fächern wie Mathematik, Naturwissenschaften und Sozialkunde. Dieser moderne Rahmen scheint zu wesentlich besseren Ergebnissen zu führen als der traditionelle Ansatz des Drikung-Klosters.

Besonders deutlich wird dies bei den Finanzkenntnissen, die bei 35 beziehungsweise 16 Prozent liegen. Insgesamt schnitten die Mönche des Klosters Kopan bei fast allen Fragen besser ab als die Mönche des Klosters Drikung, wobei das Konzept der Risikostreuung mit 68 beziehungsweise 27 Prozent die grösste Diskrepanz zwischen den beiden Klöstern aufwies.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich das Interesse und die Erfahrung der Mönche in Finanzfragen auch in ihrem finanziellen Bildungsstand widerspiegelt.


Um den Lesefluss nicht zu hemmen, wurde in diesem Gastbeitrag auf Quellenangaben verzichtet. Alle Literaturhinweise können in der Originalstudie eingesehen werden.

Der Autor: Dr. Andreas Hecht

Dr. Andreas Hecht, Dozent für Financial Management & Sustainable Financing an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW)

Andreas Hecht ist Dozent für Financial Management & Sustainable Financing an der ZHAW, der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. 

In seiner Forschungstätigkeit beschäftigt er sich unter anderem mit finanzieller Bildung. Im Rahmen von Freiwilligenaufenthalten untersucht er auch die Finanzkompetenz von unterrepräsentierten Gesellschaftsgruppen – beispielsweise in einer Schule in Liberia oder in buddhistischen Klöstern in Nepal.

In Workshops zur finanziellen Allgemeinbildung, die vor Ort auf grosses Interesse stossen, wird zuerst das Finanzwissen der Teilnehmenden analysiert und darauf aufbauend werden lokale Lösungsmöglichkeiten erarbeitet.