Kommentar

Der neue Tausender und die Befürchtungen der Bargeld-Gegner

Die neue Tausend-Franken-Note
Bild: Schweizerische Nationalbank

Mit der Ausgabe der neuen 1000-Franken-Note am 13. März 2019 unterstreicht die Schweizerische Nationalbank die Bedeutung von Bargeld – und stellt sich gegen den internationalen Trend.

Der Entscheidung der Europäischen Zentralbank vom 4. Mai 2016, die 500-Euro-Note ab Ende 2018 zum Auslaufmodell zu machen, gingen hitzige Diskussionen voraus. Bargeld-Gegner argumentierten, dass Bargeld an sich und der 500-Euro-Schein im Besonderen bevorzugt für illegale Machenschaften eingesetzt werde. Fakten und Statements dazu im Hintergrundbericht aus dem Entscheidungsjahr 2016: "Bargeld steht auf dem Prüfstand".

Dass die Schweizerische Nationalbank mit der Neuauflage der 1000-Franken-Note genau in die entgegengesetzte Richtung fährt, dürfte den Bargeld-Diskussionen im In- und Ausland in nächster Zeit wieder neuen Auftrieb geben. Zumal die Schweiz mit dem Tausender weltweit die Einzelnote mit dem höchsten Wert in Umlauf bringt (ausgenommen 10'000-Dollar-Note Brunei). Ärger und harsche Kritik sind vorprogrammiert.

Kann es wirklich sein, dass Bargeld für kriminelle Zwecke missbraucht wird?

Die Frage ist ähnlich intelligent gestellt, wie wenn man sich darüber wundern würde, dass auf Autobahnen oder im Internet, neben dem Heer von rechtschaffenen Nutzern, auch ein Anteil an Kriminellen unterwegs ist. Es liegt in der Natur von "Werkzeugen", welche der gesamten Bevölkerung zur Verfügung stehen, das sich in der Nutzung dieser Werkzeuge sämtliche Teile der Bevölkerung abbilden, die Guten und die Bösen.

Im Falle der Autobahnen und des Internets käme kein vernunftbegabter Mensch auf die Idee, die Verkehrsachsen und Kommunikationskanäle zu kappen oder mit einschneidenden Restriktionen zu belegen. Beim Bargeld funktioniert das anders, weil die digitalen Alternativen bereits verfügbar sind. Die sattsam strapazierten und zugespitzt vorgetragenen Argumente wirken allerdings oftmals vorgeschoben und etwas scheinheilig.

Argumente der Bargeld-Gegner

Peter Bofinger, deutscher Ökonom, Professor für Volkswirtschaftslehre und bis Ende Februar 2019 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands, plädierte bereits 2015 für die Abschaffung von Bargeld. Bofinger betrachtete Bargeld primär als Treibstoff der Märkte für Schwarzarbeit und Drogen. Und er vertrat die Meinung, dass es sinnvoll wäre, wenn der Euroraum, die USA, Grossbritannien und die Schweiz das Bargeld gleichzeitig abschaffen würden. (Quelle: FAZ | 16. Mai 2015)

Bei den heutigen technischen Möglichkeiten sind Münzen und Geldscheine tatsächlich ein Anachronismus

John Cryan, damals Co-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, befeuerte die Diskussion aus einer anderen Optik. Er liess sich am Weltwirtschaftsforum 2016 in Davos zur Prognose hinreissen, dass es bereits in zehn Jahren wohl kein Bargeld mehr geben würde (Quelle: Wired | 21. Januar 2016). Seine Begründung:

Cash ist fürchterlich teuer und ineffizient

Stimmt, nur ist das "fürchterlich Teure und Ineffiziente" eng verbunden mit Begriffen wie Tradition, Vertrauen, Freiheit, Autonomie, Privatsphäre, Datenschutz und mehr. Ein "Anachronismus", den sich Industrienationen hierzulande leisten können und leisten müssen. Vor allem auch deshalb, weil ihre Bürger das wollen. Und diesen Anspruch auch verteidigen werden. 

Bargeld als Zahlungs- und Aufbewahrungsmittel wird auch dann nicht obsolet, wenn sich Zahlungsflüsse zunehmend vom Bargeld in digitale Kanäle verlagern. Bürger freiheitlicher Nationen sollen die Wahl haben und auch behalten, wie sie bezahlen und wie sie ihr Geld aufbewahren möchten.

War es in den vergangenen zwei Jahren etwas ruhiger, dürfte die Diskussion rund um die Notwendikeit oder Sinnlosigkeit von Bargeld in den nächsten Jahren wieder an Dynamik gewinnen. Die Haltung der Schweiz und die neue Tausend-Franken-Note könnte das eine und andere Gemüt im EU-Raum zusätzlich erhitzen.

Ein guter Zeitpunkt deshalb für einige zusätzliche emotionsfreie Betrachtungen, welche Argumente für kommende Diskussionen liefern können.

Bargeldverwendung und Missbrauchsrisiken

Am 18. Dezember 2018 hat die interdepartementale Koordinationsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung (KGGT) ihren Bericht zur Bargeldverwendung und deren Missbrauchsrisiken für die Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung in der Schweiz vorgelegt.

Dieser aktuelle Bericht ist so ausführlich wie interessant, die KGGT analysiert die potenziellen Risiken des Bargeldverkehrs sowie die durch die Finanzintermediäre und Behörden ergriffenen Massnahmen, um diese Risiken zu mindern. Einige Zitate aus dem Bericht vorweg:

Risiko der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung durch Bargeld
Das Risiko der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung durch Bargeld in der Schweiz besteht; es kann aktuell aufgrund der ergriffenen präventiven und repressiven Massnahmen und in Anbetracht der Besonderheit des Schweizer Finanzplatzes mit einem stark international ausgerichteten Bankensektor aber als moderat eingestuft werden.

Nutzung von Bargeld als Zahlungsmittel
Die Zahlungsmittelumfrage der SNB vom Herbst 2017 zeigt klar, dass Bargeld in der Schweiz das meist genutzte Zahlungsmittel ist, 70 Prozent der Transaktionen werden in bar abgewickelt.

Vergleich zur Eurozone
Dabei weist die Bevölkerung in der Schweiz insgesamt ein ähnliches Zahlungsverhalten auf wie die Bevölkerung in der Eurozone im Durchschnitt.

Warum wird Bargeld verwendet?
Eine Reihe von allgemeinen Faktoren beeinflussen die Verwendung von Bargeld für Zahlungszwecke: Bargeld ist umtauschbar, kann zur Wertaufbewahrung genutzt werden und kann unabhängig vom Bestehen eines Bankkontos, einer Zahlungsinfrastruktur oder der Stromversorgung genutzt werden. Ausserdem muss es von allen Gegenparteien als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Darüber hinaus gewährleistet Bargeld bei der Abwicklung von Zahlungen auch einen besseren Schutz der persönlichen Daten bzw. der finanziellen Privatsphäre, dies namentlich in Bezug auf Cyber-Risiken, die in den letzten Jahren stark zugenommen haben.

Der Faktor Vertrauen
Die hohe Bargeldnutzung in der Schweiz ist abgesehen von den genannten allgemeinen Faktoren auf weitere Faktoren zurückzuführen. Die politische Stabilität der Schweiz und die Sicherheit und Wertbeständigkeit des Schweizer Frankens stiften beispielsweise Vertrauen, das sich auch über eine stabile Nachfrage nach Banknoten dieser Währung äussert.

Bargeld als Wertaufbewahrungsmittel
Nebst der Funktion als Zahlungsmittel spielt Bargeld für die Schweizer Haushalte auch eine wichtige Rolle als Wertaufbewahrungsmittel.

Missbrauchsrisiko und Geldwäscherei ohne Bargeld
Dennoch wird Bargeldnutzung für Geldwäscherei von Erlösen aus Drogenhandel, Betrug, Diebstahl, krimineller Organisationen, qualifizierter Steuervergehen, Bestechung und für Terrorismusfinanzierung beobachtet. Es besteht daher ein reales Missbrauchsrisiko.

Das Missbrauchsrisiko von Bargeld aus dem Betäubungsmittelhandel für Geldwäscherei ist höher. Die Polizeibehörden stellen aber eine Zunahme beim Einsatz dematerialisierter Transaktionen für diese Art Geldwäscherei fest, was zeigt, dass es dafür kein Bargeld braucht.

Der Bericht zum Runterladen

Die umfassende Analyse geht in zahlreichen weiteren Punkten in die Tiefe, sämtliche Erkenntnisse sind auf 42 Seiten zusammengefasst. 

National Risk Assessment (NRA):
Bericht über die Bargeldverwendung und deren Missbrauchsrisiken für die Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung in der Schweiz

Bericht der interdepartementalen Koordinationsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung (KGGT)