Banken

Wer kassiert bei der Credit Suisse noch Boni – und wer nicht?

Ein Verkehrsschild mit der Aufschrift "Bonus just ahead"
Bild: Getty Images | gguy44

Die Boni- und Vergütungskultur bei Banken verstehen ausser den Boni-Empfängern und den Banken selbst nur wenige – der sanfte Riegel des Bundesrates für die CS.

Die aktuellen Verluste der CS sind hinlänglich bekannt, 2022 hat die Grossbank einen Jahresverlust von 7.3 Milliarden Franken geschrieben. Dennoch war der Bonustopf für Auszahlungen 2023 noch mit 1 Milliarde gefüllt. Das ist deutlich weniger als 2021 und 2020, dennoch bleibt weiterhin erstaunlich, wie grosszügig krachender Misserfolg belohnt werden soll.

Der Rekordverlust im letzten Jahr könnte als Ausreisser betrachtet werden, die CS hat ja auch schon bessere Tage gesehen. Eine Betrachtung über lange Sicht zeigt jedoch, dass die Boni-Kultur im Sinne einer Belohnung für herausragende Leistungen und Ergebnisse schon länger auf Grund gelaufen ist.

Der "Tages-Anzeiger" hat kürzlich nachgerechnet und ein bemerkenswertes Zahlenverhältnis publiziert. Nach den Berechnungen der Kollegen, auf der Basis der Geschäftsberichte, hat die CS hat seit 2013 kumuliert 3.2 Milliarden Franken Verlust gemacht. Im gleichen Zeitraum hat das Top-Management der Bank 32 Milliarden an Boni nach Hause getragen. 

Die Besten der Besten und Spitzenkräfte müssen belohnt werden

Stimmen die Zahlen der Kollegen vom Tages-Anzeiger, bedeutet diese Gegenüberstellung im Klartext: Boni werden auf Biegen und Brechen ausbezahlt, völlig unabhängig von erzielten Resultaten. Versagen auf der ganzen Linie, Missmanagement, Skandale und Riesenverluste werden genauso belohnt wie wirklich gute Leistungen. Ohne Unterschied. Boni gehören einfach zur Grossbanken-Kultur.

Das immer wieder ins Feld geführte Argument, nur so könnten die Besten der Besten, die exzellenten Spitzenkrätte aus Wirtschaft und Finanz an Bord geholt und auch gehalten werden, bekommt durch die CS-Geschichte der letzten Jahre und durch die jüngsten Ereignisse eine andere Farbe. Die Bonus-Exzesse sind schon länger schwer verständlich, sie sind es noch weniger, wenn man sich das aktuelle Resultat und damit das Versagen dieser Spitzenkräfte vor Augen führt: die CS ist Geschichte. Wen kümmert's, die Boni sind gebunkert, die Spitzensaläre in Form der fixen Vergütungen ebenfalls, abgenickt von den Aktionären und die Besten der Besten haben das auf Grund gelaufene Schiff längst verlassen.

Wer kassiert bei der Credit Suisse noch Boni – und wer nicht?

Die Spitzen der CS waren offenbar unbeirrt weiterhin entschlossen, bis Ende März eine Milliarde Franken Boni auszuschütten. Nach einem Bericht von Bloomberg so bestätigt in einem internen Memo von der CS an die Crew – Übernahme durch die UBS hin oder her. In einigen Ländern wären die Boni bereits ausbezahlt worden, so die Bank, in anderen noch nicht, man rechne jedoch nicht mit Einschränkungen oder Problemen bei der Auszahlung.

Diese weiterhin generöse Haltung ist an der denkwürdigen Medienkonferenz letzten Sonntag beflügelt oder zumindest bestätigt worden – Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatte explizit festgehalten, dass Bonus-Zahlungen weiterhin möglich wären, der Bund könne darauf keinen Einfluss nehmen.

Offfenbar im Falle der Credit Suisse nun doch. Die UBS als Käuferin der CS bleibt weiterhin frei im Umgang mit der Bonus-Kultur, für die CS hingegen gelten neu geänderte Regeln. Nachdem die Geschäftsleitung der CS von sich aus auf variable Vergütungen für das Geschäftsjahr 2022 verzichtet, schiebt der Bund nun einen weitergehenden Riegel für Boni, die noch nicht ausbezahlt worden sind, allerdings einen eher sanften. Die Mitteilung des Bundesrates liest sich folgendermassen:

"Der Bundesrat hat zur Kenntnis genommen, dass das EFD mittels Verfügung an die Credit Suisse die bereits zugesicherten, aber aufgeschobenen variablen Vergütungen für die Geschäftsjahre bis 2022 vorläufig sistiert. Ausgenommen sind lediglich aufgeschobene Zahlungen, die sich bereits in Auszahlung befinden. Aufgeschobene variable Vergütungen sind variable Lohnbestandteile, die ebenfalls zugesichert, aber erst künftig ausbezahlt werden, zum Beispiel Aktienansprüche. Zudem hat der Bundesrat das EFD beauftragt, ihm weitere Massnahmen zur variablen Vergütung für die Geschäftsjahre bis 2022 und folgende vorzuschlagen."

Allerdings verzichtet der Bundesrat aus Gründen der Rechtssicherheit darauf, bereits zugesicherte und sofort ausbezahlte variable Vergütungen an CS-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter für das Geschäftsjahr 2022 rückwirkend zu verbieten. Man will auch verhindern, so der Bundesrat, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getroffen werden, welche die Krise nicht selbst verursacht haben.

Letzteres dürfte auf einen beträchtlichen Teil der Crew zutreffen. Diese Ungleichheit der Behandlung dürfte intern zu Unzufriedenheiten und Frustrationen führen: Wer Boni bereits erhalten hat, darf sie behalten und hatte einfach Glück. Wer erst in den nächsten Tagen an der Reihe gewesen wäre, kann den zugesagten Bonus abschreiben und erhält nichts.

Banken: Exzessive Boni-Kultur wie gewohnt – oder neue Zurückhaltung?

Werden Banken gerettet oder durch den Staat unterstützt, hat der Bund Möglichkeiten, bei variablen Vergütungen einzuschreiten. Dass die Finanzministerin am Dienstag einschreiten musste, nachdem die CS am Montag ihre Absicht dokumentiert hatte, die Boni auszuzahlen, liegt auf der Hand. Das Timing hinterlässt jedoch einen schalen Nachgeschmack. 

Völlig unverständlich ist, warum eine Bank, die sich ins Debakel geritten hat und übernommen werden musste, einen Tag nach Übernahme weiterhin Boni auszahlen möchte, als wäre die Welt in Ordnung. Die Intervention des Bundesrates als Reaktion wäre als Aktion bereits am Sonntag besser platziert gewesen.

Dass die Boni-Kultur der UBS unangetastet bleibt, trotz Unterstützung durch den Bund, mag Teil des Deals sein – die Grossbank agierte aus einer sehr starken Verhandlungsposition heraus und konnte Forderungen stellen. Die UBS hätte jedoch die Möglichkeit, nun von sich aus die Kultur der Boni auf neue Schienen zu stellen, die auch breit verstanden wird, weil sie nachvollziehbar ist:

Herausragende Leistungen und Erfolge werden belohnt, allerdings jenseits von Exzessen und in Form von aufgeschobenen Zahlungen oder Aktienpaketen. Schlechte Leistungen und negative Ergebniisse werden konsequent nicht belohnt, im Gegenteil: Um Letztere zu glätten, könnten aufgeschobene variable Vergütungen wieder gestrichen werden. Top-Kader würden nur das Netto erhalten, das nach einigen Jahren im Topf noch vorhanden ist.

Was fair und auch selbstverständlich klingt, gehört bisher nicht zu den Gepflogenheiten von Banken. Boni werden durchgedrückt und ausbezahlt, koste es buchstäblich, was es wolle. Die aktuelle Zäsur und die damit verbundenen Ereignisse der letzten Tage wären eine gute Gelegenheit, die Boni-Kultur und die teilweise gefährlichen Anreizsysteme grundsätzlich zu überdenken und auf tragfähige Säulen zu stellen. Immerhin geht es nicht nur um Geld, es geht auch um das Ansehen einer ganzen Branche und deren Protagonisten. Und langsam wäre es an der Zeit, das Image der "gierigen Banker" und der "Top-Kader ohne Skrupel und Verantwortung" durch neue Bilder zu ersetzen, welche der Branche einen Teil ihres verlorenen Glanzes zurückbringen könnten.