Zinsen und Spareinlagen

Zwei Banken streichen die Negativzinsen auf Kundeneinlagen – und das Rennen um Spareinlagen zeichnet sich ab

Die Frontansicht des Hauptsitzes der Bank WIR in Basel
Bild: Bank WIR

Mit der überraschenden Zinserhöhung von -0.75 auf -0.25% hat die SNB das baldige Ende der Negativzinsen eingeläutet. Zwei Banken machen schon vorher Schluss.

Früher und vor allem deutlicher als erwartet hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) am 17. Juni 2022 die Geldpolitik gestrafft und den Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf -0.25% erhöht.

Einige "frühe" Banken lassen ihre Kunden ab sofort profitieren und passen ihr Negativzins-Regime entsprechend an. Andere haben in Aussicht gestellt ab 1. Juli reagieren zu wollen. Im einen wie im anderen Fall werden jedoch weiterhin Negativzinsen belastet, einfach weniger.

Vontobel und Bank WIR schaffen Negativzinsen völlig ab

Zwei Banken preschen vor, Vontobel und die Bank WIR kippen die unbeliebten Strafzinsen komplett aus dem Programm. Vontobel will alle Privatkunden mit ihren Einlagen in Schweizer Franken von Negativzinsen befreien, wie unsere Kollegen von Inside Paradeplatz in Erfahrung gebracht haben. Und die Bank WIR hat offiziell angekündigt, ab 1. Juli 2022 auf Einlagen von Firmen- und Privatkunden, unabhängig von der Betragshöhe, keine Negativzinsen mehr zu erheben. CEO Bruno Stiegeler zur angekündigten Entlastung der Kunden:

Mit diesem Schritt will die Bank WIR bewusst eine Vorreiterrolle einnehmen

Diese Rolle hat die Bank WIR nun besetzt, zusammen mit Vontobel. Und mit dieser Massnahme haben beide Finanzinstute ein Gespür für gutes Marketing bewiesen. Die SNB wird die letzte Bastion der Negativzinsen von -0.25% voraussichtlich eher bald aufgeben. Das Manifest der Fairness und einer kundenzentrierten Haltung von Vontobel und der Bank WIR dürfte in der Aussenbetrachtung und Wirkung deutlich mehr Gewicht auf die Waage bringen im Vergleich zur Versuchung, mit dem Rest der noch verbleibenden Negativzinsen zulasten der Kunden befristet noch Erträge im Rahmen des Möglichen zu generieren.

Die WIR Bank ist in der Vergangenheit bereits dadurch aufgefallen, dass sie ihre Freigrenzen hoch gehalten und nur bei sehr hohen Guthaben Negativzinsen belastet hat. Andere Finanzinstitute waren weniger zimperlich und haben die Freigrenzen in mehreren Schritten und kurzen Intervallen runtergeschraubt. Neben individuellen Lösungen gab's teilweise sehr tiefe Grenzen, so dass bereits Guthaben von 50'000 oder 100'000 Franken mit Negativzinsen belastet worden sind.

Die Wirkung von Negativzinsen auf Kundinnen und Kunden

Wir haben bereits in früheren Artikeln mehrmals ausgeführt, warum (zu) aggressiv belastete Negativzinsen für Banken zum gezündeten Kunden-Abwanderungs-Torpedo werden können. Kundinnen und Kunden haben je nach Temperament und Verdikt ihrer Bank unterschiedlich reagiert. Nach einer Studie von Moneyland Mitte 2021 haben 61 Prozent der betroffenen Bankkunden ihre Gelder auf mehrere Banken verteilt, 51 Prozent haben ihr Konto gekündigt und 37 Prozent haben die gesamte Bankbeziehung beendet.

Die Ironie der Geschichte: ist eine Kundenabwanderung in der Regel ein Schreckensszenario für Banken, waren zahlreiche Finanzinstitute nun über Jahre eher erfreut, wenn nicht anlagewillige Kundinnen und Kunden ihre Konten und Bargeldbestände liquidiert haben.

Die Ironie der Geschichte hat einen doppelten Boden

Sollten die Zinserhöhungen der Zentralbanken und damit auch der Schweizerischen Nationalbank weiterhin deutlich bis aggressiv ausfallen, um die Inflation wirkungsvoll zu bekämpfen, bekommt Geld schneller als gedacht wieder einen Preis. Und sollten wir, ebenfalls schneller als gedacht, zu den guten alten Zeiten zurückfinden, in denen das nun plötzlich wieder begehrte Gut "Geld" mit positiven Zinsen belohnt wird, dann ist das Rennen um Kundinnen und Kunden mit Spareinlagen eröffnet.

Bei der Wahl der Bank werden Zinsen und Kondtionen eine Rolle spielen, keine Frage. Mitentscheiden bei der künftigen Wahl von Bankbeziehungen dürfte ebenfalls, wie ein Finanzinstitut mit seinen Kunden in den Jahren der Negativzinsen, die als Strafzinsen empfunden worden sind, umgegangen ist. 

Zahlreiche Finanzinstute haben sich bemüht, möglichst fair und "umweltverträglich" zu operieren. Andere haben eher gnadenlos zugelangt, die Strafzinsen mit weiteren neu geschaffenen Gebühren garniert und ihren Kunden das Gefühl gegeben, dass sie mit ihrem Geld nicht wirklich willkommen sind. Faktisch rausgeworfen hat man teilweise jene Kundinnen und Kunden, die nicht bereit waren, ihr Geld in Bankprodukte und Anlagen zu investieren, welche der Bank Erträge eingebracht und ihre Guthaben bei der SNB minimiert haben. 

Wenn Spareinlagen wieder interessant werden

Im einen wie im anderen Fall: Kundinnen und Kunden haben ein Gedächtnis. Vertriebene oder nur gerade noch geduldete und mit hohen Strafzinsen belastete Kunden werden ihre Wahl auch nach erlebten und gelernten Kriterien treffen, wenn sie ihre Bankbeziehungen überdenken und neu organisieren. 

Eine aktuelle Studie hat ergeben, dass die Wechselbereitschaft der Bankkunden in Deutschland markant zugenommen hat und die vielgelobte Treue zur Hausbank mehr und mehr Geschichte ist, wir haben berichtet. Zudem, ebenso erstaunlich, setzt sich Smarphone-Banking zunehmend auch bei älteren Zielgruppen durch. Das verschafft auch Neo-Banken eine gute Ausgangsposition.

Sollten diese Trends sich auch auf die Schweiz übertragen lassen, was wahrscheinlich ist, werden in Zukunft smarte junge und auch etablierte Banken gute Chancen haben, die ihren Kunden bewiesen haben, dass Fairness und Vertrauen in guten und in schlechten Zeiten gelebte Werte sind. 

Das Rennen um die Spartöpfe von Retailkunden ist noch nicht eröffnet. So wie sich die aktuelle Lage präsentiert, dürfte der Startschuss dazu jedoch eher bald fallen.