29. Finanzsymposium in Mannheim

Bild: 29. Finanzsymposium Mannheim | Expertengespräch mit Peer Steinbrück und Constantin Schreiber

Unser Bericht von der 29. Ausgabe des grössten Fachkongresses für Treasurer und Finanzverantwortliche im deutschsprachigen Raum.

Vor knapp dreissig Jahren gestartet, ist das Finanzsymposium heute der grösste Fachkongress für Treasurer und Finanzverantwortliche im deutschsprachigen Raum. Der Kongress dauert traditionellerweise drei Tage und glänzt jedes Jahr durch ein anspruchsvolles Themen-Programm sowie durch erstklassige Referenten. Die Qualität des Events spiegelt sich auch in der Zusammensetzung der Besucher. Die Durchführung 2017 hat die Zahl der Gäste in den Vorjahren mit 2'138 Besuchern aus 22 Ländern noch übertroffen.

Für unsere Redaktion war Oscar Neira in Mannheim – er hat zentrale Punkte des Symposiums in seinem Bericht zusammengefasst.

Drei Tage in Mannheim

Das Finanzsymposium ist ein dreitägiger Anlass, bei dem jeder Tag einem übergeordneten Thema gewidmet ist. Es gibt den System-Tag, den Banken-Tag und den Treasurer-Tag. Aus den Thementagen ist auch gleich das Zielpublikum ersichtlich. Im Grundsatz ist das Finanzsymposium Mannheim eine Mischform aus Messe mit Ausstellern, Referaten, interessanten Konferenzen und Workshops. Zu den täglichen Publikumsmagneten gehören die Expertengespräche und Podiumsdiskussionen, welche jeweils die Säle bis zum letzten Platz füllen.

Der System-Tag

Der erste Tag startet mit einem Referat und einem Expertengespräch. John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland, hält eine eindrückliche Rede darüber, wie die USA funktionieren. Kornblum erzählt, er werde oft sogar auf der Strasse angesprochen und gefragt, was er denn von Donald Trump halte. Dazu auch hier nur soviel, das wäre jedoch besonders wichtig: Der Hauptakteur ist nicht Trump. Der Hauptakteur ist der Wandel, die Technologie und die neuen Generationen die zu einer neuen Welt geführt haben.

Die Gesellschaft verändert sich nun mal laufend. Als Beispiel führt Kornblum seine Herkunftsstadt Detroit an. Anfangs des 20. Jahrhunderts hätte Detroit rund 200’000 Einwohner gehabt. Als er Student war in den 60er-Jahren, wären sie alle stolz darauf gewesen, dass Detroit so reich sei und die 2-Millionen-Einwohnergrenze erreicht hatte. Und heute?, fragt der ehemalige Botschafter. Heute hat Detroit gerade noch 500’000 Einwohner. Ein schneller Aufstieg und ein noch schnellerer Abstieg – damit müssten die Leute leben. Trump sei das Ergebnis dieser Veränderungen und nicht die Ursache.

Weitere Ausführungen von John Kornblum zu Politik, Wirtschaft, Entwicklung und Auswirkungen auf die Finanzbranche im Video.


Foren und Workshops
Weitere Foren und Workshops beleuchten aktuelle Themen und Probleme, welche die Finanzbranche beschäftigen. Zum Beispiel die Frage, was denn zu einem wirklich guten Berichtswesen gehört, wie ein Reporting aussehen kann, das diesen Namen verdient. Oder die Frage, welche Gründe für ein Update oder den Neustart, sprich Neueinführung, eines TMS Treasury Management Systems sprechen.

XMLdation berichtet über die Herausforderungen bei der Einführung von neuen Formaten, wie zum Beispiel SEPA Instant Payments. Eine angeregte Diskussion zwischen Bankenvertretern und Treasurern entsteht darüber, dass Instant Payments im Moment für die Treasurer keinen Mehrwert bringen. Einerseits wären Treasurer nicht so aufgestellt, dass sie regelmässig und mehrmals am Tag die eingehenden Zahlungen abfragen und dann auch noch sofort mit den offenen Positionen abstimmen könnten. Andererseits wäre die Höchstlimite von 15’000 Euro pro Transaktion ohnehin viel zu tief angesetzt.

Bei einem zweiten Workshop erklärte Tricia Balfe, COO bei XMLdation, worauf man achten sollte bei der Einführung von APIs für Corporates beim Thema Open Banking. Die Lösung von XMLdation ist vor allem bei den Bankenvertretern gut angekommen, weil JSON-Nachrichten nicht nur definiert, sondern auch gleich getestet werden können. Das gleiche System könne dann auch zukünftigen App-Entwicklern als Sandbox mit den dazugehörigen Dokumentationen zur Verfügung gestellt werden.

Der Banken-Tag

Die Treasurer Summit Podiumsdiskussion ist der Auftakt des zweiten Tages. Im Zentrum steht die Frage, ob der Treasurer heute in seiner Funktion der Stratege oder der Systemhalter sei. Frank-Oliver Wolf, Head of CTS Germany bei der Commerzbank, eröffnet die Diskussion mit einem Bild.

Wolf stellt eine Analogie auf zwischen einem Treasurer und einem Brandschutzbeauftragten, den er kennt. Er fragte ihn nämlich einmal, ob sein Chef sich bei ihm schon einmal bedankt hätte dafür, dass es die letzten zwanzig Jahre nie gebrannt hätte. Die Antwort sei ja klar. Ähnlich sei es mit dem Treasurer. Denn wenn die Firma bereits vom "Intensive Care", also der Intensivstation der Bank betreut wird, dann sei der Treasurer als Systemhalter gefragter denn je, er hätte jedoch als Stratege gänzlich versagt.

Wird denn heute noch ein Treasurer benötigt?, fragt der Moderator Constantin Schreiber. Die Antwort darauf von Ulf Loleit, SVP Corporate Treasury bei BASF SE: Ein klares Ja. Sicher wird heute vieles durch Systeme automatisch ausgeführt und durch die Digitalisierung wird noch mehr automatisiert, jedoch wären die strategischen Entscheidungen der eigentliche und wichtige Job eines Treasurers.

Es sei wohl die Sicht seiner Generation, aber Urs Arnold, Group Treasurer bei ABB, glaubt nicht, dass Maschinen die Verantwortung übernehmen können. Deshalb sei ihm sehr wichtig, dass seine Mitarbeiter für diese Verantwortung stehen, indem sie sie eben direkt wahrnehmen.

In einer Treasury-Abteilung müssten eben auch alle alles können und der Druck wäre sehr hoch, meint Jochen Schwabe von Schwabe, Ley & Greiner, Berater für Treasury Management Systeme. Ein Mitarbeiter hätte vor zehn Jahren im Durchschnitt 10 bis 12 Konzerngesellschaften betreut, heute wären das bereits 20 bis 25 Unternehmen. Und lag früher die Verantwortung bei 300 bis 400 Millionen, würden heute 600 bis 800 Millionen verantwortet.

Dennoch werde künstliche Intelligenz wichtiger und werde in Teilbereichen übernehmen. Die Commerzbank prüfe aktuell deren Einsatz im Bereich Akkreditive. Frank-Oliver Wolf geht davon aus, dass in vielleicht zehn Jahre solche Prozesse komplett automatisch durchgeführt werden, wie auch die Prüfung von Sanktionen oder Geldwäscherei.

Foren und Workshops
Auch am zweiten Tag steht eine Vielzahl von Themen-Veranstaltungen auf der Agenda, die besucht werden können. Bei den Workshops ist derjenige von Santander Global Corporate Banking aufgefallen. Juan Jiménez Zaballos, Head of Fintech, Blockchain and Data Science, präsentiert Strategie und wie man mit Fintechs umgeht. Im Gegensatz zu anderen Banken liegt der Fokus mehr auf dem Firmenkundengeschäft, gerade auch auch was Open Banking betrifft.

Gala Dinner
Auch wichtig und deshalb erwähnt: Zum ersten Mal dieses Jahr ist bei der Abendveranstaltung mit Gala Dinner die Rekordmarke von 1'000 Teilnehmern geknackt worden. Kein Wunder, Dinner, Show und Gespräche haben gehalten und übertroffen, was von über 1'000 Gästen erwartet worden ist.

Der Treasurer-Tag

Barbara Böttcher, Leiterin des Referates Wirtschafts- und Europapolitik, Deutsche Bank, wirft einen Blick auf die Finanzmarktkrise und deren Auswirkungen. Die europäischen Länder hätten Lehren gezogen, nachdem sie kurzfristig massiv die Banken gestützt hatten. Mehr Regularien sind gefordert und durchgesetzt worden, allerdings ist es in einer globalisierten Welt für Staaten fast unmöglich, alles selber zu stemmen. Deshalb mache es Sinn, dies im Rahmen von G20 abzustimmen und einzuführen.

Basel III und IV seien beschlossen oder weit fortgeschritten. Einen grossen Schritt habe die Eurozone mit der Schaffung einer gemeinsamen Bankenunion und einer Bankenbehörde gemacht. Umso wichtiger sei es, dass die neuen Regelungen nicht beim ersten Anwendungsfall gleich wieder relativiert würden.

Peer Steinbrück, ehemaliger deutscher SPD Bundesminister der Finanzen, refektiert über seine Lehren aus der Finanzkrise.

Steinbrück macht einen Rundumschlag über die "Chicagoer"-Schule der Neo-Liberalen, welche sich damals mit Ronald Reagan und Maggie Thatcher durchsetzen konnten. Die Aufhebung des Glass-Steagall Act durch Bill Clinton hätte die Wettleidenschaft einiger Banker beflügelt, was dann im Konkurs von Lehman Brothers resultiert hätte. Nur dank den Massnahmen der "Sonntagspolitiker" in den USA und in Europa konnte ein Untergang des Finanzsystems verhindert werden. Sonntagspolitiker deshalb, weil man praktisch jeden Sonntag eine weitere Bank retten musste und die Gespräche zwischen dem Schliessen der New Yorker Börse und der Eröffnung der Tokioter Börse stattfanden.

Peer Steinbrück bleibt seiner Linie treu, lässt auch dieses Mal die siebte Kavallerie im Fort Yuma nicht ausreiten, benennt jedoch gewohnt direkt Fakten und auch Indianer.

Foren und Workshops
Interessante Foren am dritten Tag, besonders aufgefallen: "Treasury von 0 auf 100", Aufbau einer neuen Treasury-Abteilung.

Andreas Becker, Head of Clients & Products Germany & Austria, ING Wholesale Banking, ist der Meinung, dass man sich über einen Punkt klar sein muss, bevor die neue Treasury-Abteilung entsteht: Kosten- oder Profitcenter? Becker empfiehlt das Kostencenter, denn das Profitcenter impliziert ja auch Spekulation und Trading. Die Arbeit soll einfach immer besser und günstiger gemacht werden und Effizienz muss die Maxime sein.

Für das SOS Kinderdorf in Wien ist Reinhard Schramm (Treasury Advisor und Projekt Support) die Entscheidung für ein Treasury sehr schwer gefallen. SOS Kinderdörfer werden ja über Spenden finanziert und es muss dargelegt werden, dass die zusätzlich benötigten Stellen einen konkreten Mehrwert bringen. Beim Reduzieren der Bankkonten, um Kosten zu sparen und die Komplexität zu reduzieren, hat sich Schramm nicht nur Freunde geschaffen. Alle Ländergesellschaften hatten ihre eingespielten Bankverbindungen und die Leute wollten keine grossen Änderungen. Wenn Schramm eines gelernt hat bei diesem grossen Veränderungsprojekt, dann ist es die Erkenntnis und Empfehlung: neben anderen Experten unbedingt auch einen Psychologen und/oder einen ausgewiesenen Change Manager mit ins Boot holen.

Die Herausforderungen bei Oliver Gerstberger, Head Group Treasury, Tax and Insurance bei Selecta Management AG, sind komplett andere. Sie sind von KKR, also von Finanzinvestoren übernommen worden. Solche Transaktionen basieren ja auf Bankkrediten, sprich Leverage. Dabei stehen Cash und das Forecasting als wichtigste Komponenten im Vordergrund.

Der Arbeitgeber von Michael Kessel, Head of Group Treasury bei Aqseptence Group GmbH, einer Tochtergesellschaft, welche in einem Konzern eingebettet war, wurde verkauft. Deshalb musste Kessel das Treasury komplett neu aufbauen. Das Thema KYC bei den Kontoeröffnungen, ein Dokument nach dem anderen, das gerade noch fehlt und notwendig war sowie die Verhandlungen über Kreditlinien standen im Zentrum. Kessel war jedenfalls erstaunt, dass es selbst in Österreich vier Monate dauern kann, bis ein Bankonto Realität wird und zur Verfügung steht.

Grundsätzliche Erkenntnis: Ab einem Jahresumsatz von ca. 250 Millionen Euro müsse man sich überlegen, ob man einen professionellen Treasurer einstellen will. Mit zu den Überlegungen und Argumenten gehören die Reduktion der Banken und somit der Kosten und Komplexität, eventuell der Aufbau eines Cash Pools sowie Einsparungen in den Währungen.

Das Finanzsymposium 2018

Schwabe, Ley & Greiner, ein Beratungshaus spezialisiert auf Treasury, hat das 29. Finanzsymposium als Gastgeber durchgeführt – perfekt organisiert und mit einem Themenmix, der bei Banken- und Unternehmensvertretern gut ankommt. Die Mischung aus Vorträgen, Foren und Workshops lässt Besuchern die Wahl, ihr individuelles Programm zusammenzustellen. Dazwischen besteht breit genutzter Raum für Networking – in den Gängen und bei den Ständen der Aussteller.

Die nächste Durchführung: 30. Finanzsymposium vom 25. bis 27. April 2018 in Mannheim

Stichworte zum Thema im Lexikon: Treasury | KYC | Künstliche Intelligenz

MoneyToday-News teilen