Pensionierungs-Barometer 2023

So wenig Rente gibt es nach der Pensionierung

Rentnerin blickt besorgt auf ihren Laptop
Bild: Getty Images | Peter Cade

Warum die Renten weiter sinken und welche Auswirkungen das in Franken und Rappen für zukünftige Rentenbezüger haben kann.

Das Vermögenszentrum hat nachgerechnet und seine Erkenntnisse in harten Zahlen und Fakten im aktuellen "VZ Pensionierungs-Barometer 2023" präsentiert. Die Ergebnisse der Studie bestätigen den Trend, der seit Jahren ungebrochen anhält: die Renten werden weiter sinken.

Was für die einen nur unerfreulich ist, kann für andere zum existenziellen Problem werden. Ohne schmerzhafte Auswirkungen – deshalb nur unerfreulich, weil verkraftbar – ist es für jene, die gut verdienen, regelmässig und lückenlos AHV- und BVG-Beiträge bezahlt und eine gut ausgestattete dritte Säule mit ihrer privaten Vorsorge aufgebaut haben. Bedrohlicher oder enger kann es für Menschen mit tiefen Einkommen werden, welche nicht die Möglichkeit haben, regelmässig in der privaten Vorsorge zusätzliches Kapital anzusparen.

Das Schweizer Vorsorgesystem

Die Schweiz hat ein gut gedachtes Vorsorgesystem, das auf drei Säulen steht. Die obligatorischen ersten und zweiten Säulen, dazu gehören die staatliche Vorsorge (AHV) sowie die berufliche Vorsorge (BVG). Diese beiden Säulen zusammengenommen sollen ein Renteneinkommen sichern, das rund 60 Prozent des letzten Lohns ausmacht. 

Dazu kommt die dritte Säule des freiwilligen Vorsorgesparens, das ist die Säule 3a. Mit dieser privaten Vorsorge soll die Einkommenslücke gefüllt werden, die sich nach der Pensionierung öffnet. Also die Lücke zwischen 60 Prozent der bisherigen Bezüge und dem gewünschten Einkommen, mit dem sich im Alter gut leben lässt.

Die unterschiedliche Stabilität der drei Säulen

Die AHV ist betragsmässig nicht die grösste, aber bisher die stabilste Säule der Altervorsorge. Die Maximalrente beträgt CHF 2'450 pro Monat für Einzelpersonen, die mit einem durchschnittlichen Einkommen lückenlos Beiträge eingezahlt haben. Stabil ist diese erste Säule auch deshalb, weil die Teuerung jeweils ausgeglichen wird.

Die berufliche Altersvorsorge BVG erodiert aus mehreren Gründen. Zum einen werden Menschen immer älter, deshalb werden die Umwandlungssätze reduziert, aktuell geplant von 6.8 auf 6 Prozent. Was nach wenig klingt, ist es nicht, diese Anpassung bedeutet: pro 100'000 angespartes Kapital werden jährlich in Zukunft voraussichtlich nur noch 6'000 statt wie bisher 6'800 Franken ausbezahlt. Bei einem BVG-Vermögen von zum Beispiel 700'000 Franken fällt dann die monatliche Rente aus der Pensionskasse 500 Franken tiefer aus, neu 3'500 statt wie bisher 4'000 Franken.

Zum anderen gleichen die meisten Pensionskassen die Teuerung nicht aus, was zwangsläufig zu einem Kaufkraftschwund des angesparten Vermögens und der ausbezahlten Rente führt. Mit zu den weiteren Faktoren, welche die Renten aus Pensionskassen laufend minimieren, gehören steigende und ausufernde Management- und Verwaltungsgebühren in jährlicher Milliardenhöhe, Details zum Thema hier.

Die dritte Säule der privaten Vorsorge ist so stabil, wie die einzelnen Sparerinnen und Sparer sie über ihre Anlagestrategie eingerichtet haben. Je nach individuellen Möglichkeiten und Einzahlungen ist die Säule 3a sehr gut, gut oder eben auch schwächer ausgestattet. Schlimmstenfalls, weil freiwillig, auch gar nicht vorhanden. Diese dritte Säule wird jedoch immer wichtiger, um die schwindenden Renten aus der Pensionskasse auszugleichen.

Der Pensionierungs-Barometer 2023

Der VZ Pensionierungs-Barometer untersucht jedes Jahr die Entwicklung der Renten aus AHV und Pensionskassen und das Vertrauen der Bevölkerung in das Vorsorgesystem. Der Barometer wird 2023 zum fünften Mal erhoben und setzt sich aus drei Indizes zusammen: Erwartungs-, Renten- und Vertrauensindex.

Die zusammenfassenden Erkenntnisse aus der Studie: Die Renten sinken – und das seit Jahren. Gravierend wirkt sich vor allem aus, dass viele Pensionskassen ihre Leistungen kürzen. Besonders für Erwerbstätige mit mittleren und hohen Einkommen sind die Einbussen am grössten, denn sie haben oft mehr in der Pensionskasse angespart. Dazu kommt: die allermeisten Pensionskassen gleichen die Inflation nicht aus. Bei vielen Menschen dürfte sich eine grosse Einkommenslücke auftun, wenn sie in Pension gehen. Trotzdem glaubt immer noch eine deutliche Mehrheit der Menschen, nach der Pensionierung ohne finanzielle Probleme leben zu können.

Die Erkenntnisse aus dem Erwartungsindex

Der Erwartungsindex zeigt, wie sich Erwartungen und Realität in Franken und Rappen unterscheiden. Seit 2002 sind die zu erwartenden Renten um 21 Prozent geschrumpft. 2002 konnte ein 55-Jähriger, der 120’000 Franken im Jahr verdient, eine Rente aus AHV und Pensionskasse von jährlich etwa 75’000 Franken erwarten. 2023 sind es nur noch 59’200 Franken. Dieser Rückgang von fast 16’000 Franken pro Jahr bedeutet, dass pro Monat rund 1'300 Franken im Portemonnaie fehlen, wenn dieses Loch nicht nur die dritte Säule ausgeglichen werden kann.

Voraussichtlich werden die Pensionskassenrenten auch in Zukunft weiter sinken. Denn die steigende Lebenserwartung zwingt die Vorsorgeeinrichtungen, ihre Leistungen zu reduzieren.

Die Erkenntnisse aus dem Rentenindex

Eigentlich sollten die Renten aus AHV und Pensionskasse zusammen 60 Prozent des letzten Salärs ersetzen. Das tun sie aber immer weniger.

Bei einem Mann, der brutto 100’000 Franken im Jahr verdient, machen die Renten heute nur noch knapp 53 Prozent des Lohnes aus, den er vor der Pensionierung bekam. Im Jahr 2002 war die Basis noch im Lot, damals betrugen die Renten aus der AHV und der Pensionskasse zusammen noch rund 62 Prozent des letzten Salärs.

Bei einem Einkommen von 150’000 Franken ist der prozentuale Anteil der Rente von 58 Prozent auf knapp 44 Prozent gesunken. Bei einem Salär von 50’000 Franken ist der Anteil der Rente mit rund 65 Prozent ähnlich geblieben.

Diese Resultate zeigen: Die Einkommenslücke wird grösser, vor allem bei den mittleren und höheren Löhnen. Wer sich später im Alter nicht stark finanziell einschränken will, muss also seine eigene private Vorsorge bereits frühzeitig stärken.

Die Erkenntnisse aus dem Vertrauensindex

Der Vertrauensindex zeigt, wie Schweizerinnen und Schweizer ihre Finanz- und Vorsorgesituation einschätzen. Von 2020 bis 2022 stieg der Vertrauensindex jeweils von Jahr zu Jahr. Nun ist er zum ersten Mal zurückgegangen. Die Menschen in der Schweiz sind also weniger optimistisch und jedem dritten Befragten geht es finanziell schlechter. 

Betrug der Vertrauensindex 2022 noch 129 Prozent, liegt er nun bei 115 Prozent. Das heisst: Von den über 1'000 Befragten schätzen fast 43 Prozent ihre Finanz- und Vorsorgesituation negativ ein. Gleichzeitig ist die Sorge um die Renten aus AHV und Pensionskasse gross. Eine Mehrheit geht davon aus, dass die AHV-Renten in Zukunft weniger sicher sein werden als heute. Am grössten ist die Sorge um die Pensionskassen: 70 Prozent der Befragten schätzen die Sicherheit der künftigen Renten als kritisch ein.

Überraschend: 87 Prozent der Befragten glauben allerdings trotzdem, ihre Pensionierung problemlos finanzieren zu können.

Fazit

Die zahlreichen AHV-Reformen der letzten Jahre und die aktuellen Diskussionen um die BVG-Reform sensibilisieren Schweizerinnen und Schweizer für das Thema ihrer eigenen Rente. Das frühere Gefühl der Sicherheit macht der neuen Einsicht Platz, dass die eigenen Rentenansprüche nicht mehr in Stein gemeisselt sind. 

AHV, BVG und die Frage, ob im Alter genügend Geld zur Verfügung steht, rangieren regelmässig auch in entsprechenden Studien und Sorgenbarometern sehr weit oben. So wie die Renten schwinden, werden auch die damit verbundenen Unsicherheiten um die persönliche finanzielle Situation im Alter zunehmen. 

Zu den alten und neuen Rezepten gehört, dass die bisher schon wichtige private Vorsorge an Bedeutung noch gewinnt. Erodiert die zweite Säule, kommt neue Stabilität nicht vom Staat, zusätzliche Sicherheit ist in erster Linie durch das eigene Vorsorgesparen zu schaffen. Wer früh beginnt, hat nach wie vor alle Chancen, die grösser werdenden Einkommenslücken auszugleichen.