Mobile Payment

Big Techs übernehmen: Welche Entwicklungen stärken die Position von Mobile Payment und Apple Pay in Deutschland?

Apple-Signet
Bild: PeskyMonkey | Getty Images

Zum einen könnten die deutschen Sparkassen Apple in die Karten spielen, zum anderen flirtet Apple mit der Idee einer eigenen Kreditkarte. Und warum Big Techs in der Pole Position stehen.

Der Start von Apple Pay in Deutschland im Dezember 2019 ging mit einer überschaubaren Anzahl von teilnehmenden Banken über die Bühne – dennoch war er erfolgreich. Einfach deshalb, weil Deutschland sehr lange auf die Einführung warten musste und der Start vom Markt und von vielen Nutzern offenbar sehnlichst erwartet worden war. 

Dieser aufgestaute Wunsch nach der mobilen Bezahllösung von Apple hat sich dann offenbar direkt in Aktion entladen, einzelne Bankpartner meldeten Anmeldungen und Registrierungs-Zahlen, die schon am ersten Tag den fünfstelligen Bereich erreicht haben sollen. Eine steil ansteigende Kurve der Neuregistrierungen soll bei allen teilnehmenden Banken verzeichnet worden sein.

Welche Banken unterstützen Apple Pay in Deutschland?

Neben den Karten-Unternehmen American Express, Maestro, Mastercard und Visa sind folgende Banken und Finanzdienstleister aktuell mit im Boot:

Boon, Bunq, Comdirect, Deutsche Bank, Fidor Bank, Hanseatic Bank, Hypovereinsbank, N26, O2 Banking, Edenred und Vim Pay. Was sich noch überschaubar liest, scheint bereits und laufend eine beachtliche Masse an Nutzern zu generieren.

Angekündigt für den Einstieg 2019 bei Apple Pay sind unter anderen Consorsbank (BNP Paribas), DKB, ING und Revolut. Dabei wird es nicht bleiben, die guten Resultate und Zahlen der bisher teilnehmenden Banken scheinen auch die ablehnende Haltung anderer Institute aufzuweichen. Die Allianz der erbitterten Gegner ist am Bröckeln, aus nachvollziehbaren Gründen.

Wechselwirkung mit Folgen

Die in Gang gesetzte Wechselwirkung ist einleuchtend: Jede konvertierte Bank, die dem Beispiel der bisher Erfolgreichen folgen und ebenfalls am aufgestellten Honigtopf von Apple naschen und neue Kunden generieren möchte, macht Apple Pay in Deutschland stärker.

Ein gestärktes Apple Pay wird wiederum attraktiver für weitere Banken – und möglicherweise auch notwendiger, weil der Druck vom Markt und von Kunden ansteigen wird, die Apple Pay als Service von ihrer Bank haben wollen.

Dass dabei auch wundersame Überraschungen möglich bleiben, zeigt das folgende Beispiel.

Schubumkehr der Sparkassen?

Bis vor kurzem war die Sparkassen-Finanzgruppe in Deutschland noch ziemlich wild entschlossen, die "Weiterentwicklung mobiler Zahlungslösungen auszubremsen", insbesondere Apple Pay, und ihren Schub in die eigenen Lösungen zu kanalisieren. Dies mit einem empörten Seitenblick auf das Big Tech Apple, das aktuell noch keine Anstalten macht, die NFC-Schnittstelle auf iPhones für Dritte zu öffnen. 

Der (berechtigte) Ärger und die vehemente Entschlossenheit zur Blockade sind offensichtlich anderen Einsichten und neuer Hoffnung gewichen. Wie die DPA meldet, scheinen die Sparkassen und Apple einen gemeinsamen Boden gefunden zu haben, der eine Unterstützung von Apple Pay durch die Sparkassen möglich macht. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur liess sich letzten Montag ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) mit folgendem bemerkenswerten Statement auf das Thema ein:

«Die Sparkassen und Landesbanken in Deutschland arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung ihrer Zahlungslösungen für ihre Kunden. In diesem Zusammenhang führen wir sehr positive Gespräche mit Apple, um herauszufinden, wie wir Apple Pay für alle unsere Kunden einführen können.»

Nimmt ein erfahrener Sprecher gegenüber Medien Begriffe wie "sehr positiv" und "für alle unsere Kunden" in den Mund, ist das ein ziemlich starker Indikator für die sehr konkrete Phase "fünf vor zwölf" in der Entscheidungsfindung.

Die überraschende Kehrtwende würde die ganze Gruppe der rund 400 Sparkassen mit ihren Millionen von Kunden betreffen und wäre sehr viel mehr als nur ein bisschen frischer Wind in die aufnahmebereiten Segel von Apple Pay.

Und die Apple-Kreditkarte gleich dazu

Nach einem Bericht des Wall Street Journal soll Apple in Kooperation mit Goldman Sachs das Projekt einer eigene Kreditkarte in Planung haben. Eng angebunden ans iPhone und an Apple Pay, mit Funktionen, die über das Gewohnte bei anderen Kreditkarten hinausgehen sollen. 

Die Meldung ist von Apple weder bestätigt noch dementiert, Details sind noch nicht bekannt. Dem Bericht des WSJ zufolge soll die Apple-Karte Kunden mit hohem Cashback locken und neue Ertragsquellen für Apple und für Goldman Sachs öffnen. Ein Pilotversuch soll in Kürze gestartet werden, vorerst primär mit Apple-Mitarbeitern.

Ob und wann die eigene Apple-Kreditkarte kommt, was sie kann und wem sie auf welche Weise neue Erträge in die Kassen spült, wird sich zeigen, die neue Karte im soll noch dieses Jahr lanciert werden.

Mobile Payment und Kunden profitieren von der Defragmentierung der Märkte

In zahlreichen Ländern haben verschiedene Banken und Bankengruppen jahrelang an eigenen mobilen Bezahllösungen gebastelt und damit die Märkte fragmentiert. Ein Flickenteppich von Lösungen, die ausser Bezahlen nicht viel mehr können, auch das allerdings nicht überall.

Damit haben Banken die Chance verpasst, mobiles Bezahlen übers Smartphone zu popularisieren und breit zu etablieren. Jede Studie, die sich nicht an Wünschen orientiert, sondern an Fakten hält, zeigt die ernüchternde Bilanz nach Jahren des Laborierens und Pröbelns. Es ist nicht allein die immer wieder kolportierte Liebe zum Bargeld, welche die Breitenbewegung verhindert hat. Würde das zutreffen, hätten auch Kredit- und Debitkarten den Durchbruch nicht geschafft. Haben sie aber. Schon längst. Weil eine einzige Karte, welche auch immer, praktisch überall eingesetzt werden kann. 

Der Siegeszug von Mobile Payment übers Smarphone ist vor allem deshalb ausgeblieben, weil's keiner der zu vielen Anbieter geschafft hat, mit überragendem Komfort, smarten Zusatzfunktionen und vor allem mit universeller Akzeptanz und Einsetzbarkeit seiner Anwendung zu überzeugen.

Big Techs übernehmen und springen mit Leistungen in offene Lücken

Was mit Komfort und einfacher Anwendung gemeint ist, führen Apple und Google aktuell vor. Was man sich unter smarten Zusatzfunktionen vorstellen kann, demonstriert Alipay schon seit Jahren. Der chinesische Markt ist mit Europa nicht vergleichbar, das Verständnis für smarte Zusatzfunktionen dürfte dann allerdings wieder ähnlich funktionieren. Mit ein Grund, weshalb Alipay auch in Europa Anlauf holt und bei Nutzern auf offene Türen stossen dürfte.

Wie universelle Akzeptanz und Einsetzbarkeit von Nutzern definiert und gewünscht wird, ist bei Big Techs Teil der DNA, deshalb Programm und aktuell im Aufbau.

Was Apple, Google, Alipay und andere heute in Arbeit haben, zielt auf Grösse, Marktdurchdringung und hat das Zeug dazu, Mobile Payment zum Durchbruch zu verhelfen. Die Big Techs nutzen alle Lücken, die durch zahlreiche Versäumnisse offengeblieben sind, um die etablierte Gewohnheit der Kartenzahlungen durch überzeugende Komfortlösungen und Mobile Payment zu ersetzen. Könnte klappen.

Die Gewinner stehen fest, gibt's auch Verlierer?

Dass Kunden und Nutzer auf der Sonnenseite stehen und noch sehr viel mehr Sonne zu sehen bekommen werden, liegt auf der Hand. Grosse Verlierer gibt's keine, nur anders verteilte Rollen. Big Techs sind neu im Lead, Banken bleiben mit im Spiel und unterstützen die Lösungen der Technologie-Giganten, für Karten-Unternehmen gilt dasselbe. Schliesslich basieren mobile Bezahllösungen in der Regel auf hinterlegten Karten. 

Werden Big Techs nicht übermütig und wollen weder Bank noch Kartenorganisation sein, dann ändert sich an dieser Rollenverteilung vorerst auch wenig. Vielleicht mit Ausnahme von Spielregeln und Ertragsmodellen, die neu ausgehandelt werden müssen. So gesehen kann diese neue mögliche Aufstellung für alle Beteiligten auch als Chance und als Entlastung verstanden werden. Was aus eigener Kraft bisher nicht gestemmt werden konnte, wird in neuer Aufstellung möglicherweise überhaupt erst machbar und Realität.