Die Umverteiler-Community Ting hat bereits 500 Mitglieder

Ondine Riesen von Ting: «Wer sich die Zeit nimmt über die Zukunft nachzudenken, versteht, dass es neue Lösungsansätze braucht – wir haben einen» (Bild: Juri Seger)

Bei anderen Startups in der Sharing Economy macht die Zahl von 500 Mitgliedern noch nicht die grosse Welle – bei Ting schon. Wir erklären, warum.

Anhängerinnen und Mitmacher der Sharing Economy teilen in der Regel Autos, Räume, Maschinen oder Werkzeuge. Durchwegs Dinge, die man nicht unbedingt besitzen muss, aber immer wieder mal nutzen möchte. Das ist wirtschaftlich sinnvoll, weil viele profitieren können, ohne dass Einzelne massiv investieren müssen.

Die Ting-Community teilt Geld

Geld zu teilen ist ziemlich ungewöhnlich und deshalb nochmals eine ganz andere Hausnummer im Vergleich zum Teilen von Objekten. Was, wenn eine wachsende Zahl von Menschen bereit wäre, ihr Geld mit Fremden zu teilen? 

Diese Frage haben sich eine Handvoll Macherinnen und Macher im Sommer 2020 gestellt. Weil die Frage nicht in der Theorie beantwortet werden kann, ist im Sommer 2020 das mutige und verwegene Projekt Ting realisiert worden. 

Die Plattform lebt durch eine wachsende Community, die bereit ist, in die Zukunft anderer Menschen zu investieren. In die eigene Zukunft ebenso – dann, wenn ein persönliches Projekt ansteht, das nicht alleine oder finanziell nicht aus eigener Kraft gestemmt werden kann. Möglicherweise aber mit einem gesicherten Einkommen während einigen Monaten.

Die Mitglieder von Ting zahlen monatlich ein und schaffen damit ein gemeinsames Vermögen, das allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zur Realisierung von Projekten zur Verfügung steht, in Form eines zeitlich begrenzten Einkommens. Immer vorausgesetzt, das geplante Projekt bringt einen gesellschaftlichen Mehrwert. Die Mitglieder vertrauen sich gegenseitig, teilen ihr Geld und schaffen damit Zeit und Raum für Menschen, die interessante Ideen in die Tat umsetzen möchten.

Mitglieder der Community zahlen nicht nur Geld ein, sie dürfen auch Geld beziehen. Dann, wenn die Zeit reif ist für ein eigenes Projekt. Ting ist ein visionärer Mix aus Sharing Economy, befristetem Grundeinkommen, Mikrofinanzierung, Projekt-Möglichmacher und Geld-Umverteilungs-Maschine mit Prämien- und Versicherungs-Charakter. 

Was Ting genau ist und wie die Community funktioniert, haben wir vor einigen Monaten im Gespräch mit den Macherinnen und Machern im Detail ausgeleuchtet, hier geht's zum ausführlichen Interview.

Ting in Zahlen

Mit 500 aktiven Mitgliedern hat Ting Anfang November einen weiteren Meilenstein gesetzt. «Diese Zahl bedeutet für uns, dass unsere Idee nicht so utopisch ist, wie viele zu Beginn behauptet haben», sagt die Medienverantwortliche Ondine Riesen und unterstreicht: «Dass unsere Community weit über unseren Bekanntenkreis gewachsen ist und Menschen von überall zu uns finden, zeigt, dass hier eine Idee für die Zukunft geboren wird. Wir denken hier passiert etwas, worauf zu schauen es sich lohnen würde.»

Seit der Gründung des sozialen Startups im August 2020 konnten die Mitglieder von Ting rund 760’000 Franken in 79 konkrete Projekte investieren. Unter anderem wurden mit dem Community-Geld 13 neue Firmen gegründet. Die Community steht nicht nur für neue Ideen und Innovation, Ting ist auch ein Startup-Generator.

Pro Monat werden aktuell knapp 38'000 Franken geteilt. Insgesamt sind bisher 329 Monate Community-Geld ausbezahlt worden, in Form eines Grundeinkommens, das die Realisierung von Projekten möglich macht. Ein Blick auf aktuelle und abgeschlossene Projekte zeigt, welche Ideen und Visionen dabei unterstützt werden. 

Kann eine abstrakte Idee wie Ting längerfristig funktionieren?

Ting ist ein gesellschaftliches Zukunftsprojekt. Allerdings ein erklärungsbedürftiges. Auf den ersten Blick ist Ting ein versponnenes Projekt von einigen Umverteilungs-Romantikern, bei näherer Betrachtung ist es sehr viel mehr.

Verordnete Umverteilung unter Zwang mit der ideologischen Brechstange wird nie funktionieren. Weil damit lediglich unterstellte Ungerechtigkeiten durch neue Ungerechtigkeiten abgelöst werden. Klüger gedachte Modelle könnten Chancen haben. 

Das Ting-Modell lehnt sich an die Idee des Grundeinkommens an, ohne genau das sein zu wollen. Es ist ein gesellschaftliches Projekt und basiert auf freiwilliger Finanzierung. Das gemeinsam aufgebaute Vermögen kommt abwechselnd jenen zugute, die zu einem bestimmten Zeitpunkt eine zusätzliche Finanzierung oder ein befristetes, sicheres Einkommen brauchen, um Pläne mit nutzenstiftenden Projekten realisieren zu können.

Die Vision von Ting ist noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen – das ist das erklärte Ziel der Macherinnen und Macher. Ting hat jedoch bewiesen, dass die Idee des geteilten Geldes und Vermögens funktionieren kann. Vorderhand noch auf überschaubarer Flamme. Aber immerhin und das ist bemerkenswert: das Startup hat seine ersten drei Jahre überlebt, die Community wächst laufend und die ambitionierte Idee zieht zunehmend weitere Kreise.

Immer noch zu abtrakt?

Die Sicht von aktiven Mitgliedern der Community kann helfen, dem Nutzen des gesellschaftlichen Zukunftsprojekts auf die Spur zu kommen. Und auch den Motiven verschiedener Mitmacherinnen und Mitmacher.


Event-Hinweis
Ting-Mitglieder schreiben Geschichte

Eigentlich schreiben sie nicht, die Geschichte ist bereits geschrieben, Community-Mitglieder erzählen ihre erlebte Geschichte. Sie berichten über mutige Vorhaben, über Erfolge und auch über Tiefschläge mit Community-Geld. Im November 2023 bereits zum sechsten Mal.

Fünf aktive Ting-Mitglieder teilen im Basler Café Mitte ihre persönlichen Erfahrungen und erzählen, warum schöne Dinge auch in einer Zeit voller Krisen möglich sind.

Wer einen Teil der Community und das Ting-Team live erleben möchte:

  • Ting-Geschichten #6 | Basel
    Donnerstag, 23. November 2023, 19 bis 21 Uhr

Die Teilnahme am Event ist kostenlos und zur Anmeldung geht's hier.