Mobile Payment

Wo steht die Mobile Payment-Lösung Twint heute?

Twint-CEO Markus Kilb an der virtuellen Medienkonferenz
Twint-CEO Markus Kilb an der virtuellen Medienkonferenz (Bild: Twint)

Die Meinungen zur mobilen Bezahllösung Twint gehen in Fachkreisen nach wie vor weit auseinander – bei den Nutzerinnen und Nutzern offenbar weniger.

In Fachkreisen von den einen längst totgesagt, von den anderen als Geldvernichtungs-Maschine geschmäht – Twint geht ziemlich unbeirrt seinen Weg und ist das, was es ist: die mobile Bezahllösung der Schweizer Banken, die von Schweizerinnen und Schweizern offenbar geschätzt und auch genutzt wird.

Neue Zahlen im Überblick

Die diesjährige Medieninformation ist aus Gründen virtuell durchgeführt worden. Aus denselben Gründen, allerdings nicht nur, präsentiert Twint gute Zahlen. Die Corona-Pandemie hat Twint Auftrieb gegeben, so wie anderen mobilen Lösungen oder auch Karten, die kontaktkoses Bezahlen möglich machen. 

Der positive Trend scheint bei Twint jedoch ungebrochen, auch nach dem Lockdown bleiben nach Aussagen der Verantwortlichen Entwicklung und Zahlen erfreulich. Einige Erkenntnisse und die wichtigsten präsentierten Fakten im Überblick:

Die Hälfte der Smartphone-Besitzer nutzt Twint
Mittlerweile soll die Hälfte der Schweizer Smartphone-Besitzerinnen und -Besitzer die Twint App nutzen und bezahlt in jedem zweiten Schweizer Online-Shop mit der mobilen Bezahllösung.

Zudem besagt eine vorgestellte Ipsos-Studie: Kein anderes Zahlungsmittel wird spontan so oft als Zahlungsanbieter genannt. Bei 43 Prozent der Bevölkerung, bei 56 Prozent der unter 34-Jährigen und bei 61 Prozent der Studierenden.

Das Wachstum von Twint
Der Trend der stark steigenden Nutzerzahlen ist offenbar auch nach dem Lockdown nicht gebrochen und hat sich in den Sommermonaten fortgesetzt. Twint meldet aktuell (Oktober 2020) drei Millionen Twint-Nutzer. Die Zahl der Nutzer ist damit innerhalb eines Jahres um 80 Prozent gestiegen. Twint-CEO Markus Kilb kommentiert:

Mit diesem Wachstum wird Twint bereits im kommenden Jahr zum Niveau der Kreditkartenzahlungen aufschliessen

Hat Twint den Einstieg in den Markt und eine schnelle Verbreitung vor allem durch die beliebte Funktion der P2P-Zahlungen geschafft, haben die Zahlungen "auf der anderen Seite", im stationären Handel und im E-Commerce, offenbar kräftig aufgeholt – und überholt. Die gewerblichen Zahlungen sollen heute mit 60 Prozent den Löwenanteil der Transaktionen ausmachen.

Die Transaktionszahlen
Die Anzahl der Transaktionen hat sich innerhalb eines Jahres verdreifacht, geben die Verantwortlichen zu Protokoll, Twint verzeichnet aktuell mehr als 11 Millionen Transaktionen pro Monat.

Die Akzeptanzstellen
Wo kann mit Twint bezahlt werden? Die Anzahl der Akzeptanzstellen wird von Twint per Oktober 2020 mit über 150'000 angegeben. Seit Frühjahr 2020 sollen rund 15'000 Händler neu dazugestossen sein. Neben grossen Marken sollen auch viele Hofläden, Marktstände und Manufakturen mit im Boot sein.

Was Twint sonst noch leistet

Eine der hervorstechenden Zusatzfunktionen ist das Bezahlen an der Parkuhr. Twint deckt inzwischen 500 Schweizer Städte und Gemeinden ab, insgesamt können rund 200'000 Parkplätze mit Twint bezahlt werden. Beim Bezahlvorgang hat die App einen bemerkenswerten Komfort-Zacken zugelegt: 

Die Parkplätze können neu ohne Gang zur Parkuhr direkt aus der Twint App gebucht und bezahlt werden. Dabei kann die Parkdauer zu Beginn festgelegt und auch länger veranschlagt werden als die geschätzte benötigte Zeit. Das verhindert Parkbussen, falls man überzieht. Ist die Parkdauer kürzer als geplant und bleibt ein im Voraus bezahltes Guthaben übrig, wird dieses beim Ausparken unmittelbar zurückerstattet.

Was ist neu und in Planung?

Neben anderen Funktionen die folgende, die zumindest einen Schritt in Richtung einer Lifestyle App geht: Durch die Integration weiterer Partner können künftig via TWINT+ auch Restaurants gebucht sowie Mahlzeiten auf der Menükarte ausgesucht, bestellt und bezahlt werden, versprechen die Macher.

Als "visionäre Mobile Application" soll Twint in Zukunft wesentlich mehr als nur bezahlen können, kündigen die Veranwortlichen an. Twint-CEO Markus Kilb sagt: 

Unser Konzept ist zukunftsfähig, weil unser System offen ist und viele andere Technologien und Anwendungen integrieren kann

Und Anton Stadelmann, CCO und verantwortlich für Innovationen bei Twint, ergänzt:

Weil wir in der Schweiz gut verankert sind und den lokalen Markt verstehen, werden wir weitere Partner finden, um vielseitige Funktionen, Dienste und Services zu verknüpfen und in die Twint App zu integrieren

Wohin geht die Reise?

Die aktuellen Zahlen, vorgestellte neue Features und auch die angekündigten Pläne in Richtung einer Lifestyle App, dürften einige Hardcore-Kritiker überraschen. Wohl bleiben offene Fragen. Zum Beispiel, was Twint im Ausland vorhat und ob der Schlagbaum an der Schweizer Grenze Twint längerfristig ausbremsen wird. Auch den Anwurf, dass Twint mit seiner wechselvollen Geschichte und den Umwegen zu den ziemlich kostspieligen Projekten gehört, darf man auf Twint sitzenlassen. Interessant auch die Frage, ob und wann Twint damit beginnen wird, rentabel zu sein und Geld zu verdienen.

Dennoch hat Twint in den letzten Monaten grosse Schritte gemacht. Zum Beispiel auch dadurch, dass Twint sich vom Schutzschild der Schweizer Banken emanzipiert hat, auf eigenen Füssen steht und mit Innovationen und Leistungen Lösungen wie Apple Pay oder Google Pay die Stirn bietet – vorderhand eben mit den Möglichkeiten einer schweizerischen Lösung.

Dass Twint von der Corona-Pandemie profitiert und das Wachstum zumindest zum Teil der allgemeinen Entwicklung zu verdanken ist, steht ausser Frage. Dennoch bleibt die gesamte und offenbar weiter anhaltende Entwicklung überraschend. Sicher überraschend genug, um immer wieder mal einen interessierten Blick auf den weiteren Weg der mobilen Bezahllösung der Schweizer Banken zu werfen.