Wer zu spät kommt, den bestraft Apple

Bild: Tommaso Urbinati | Getty Images

Das ist der aktuelle Tenor in der Fach- und Publikumspresse, weil das fusionierte Twint möglicherweise nicht im Herbst kommt. Sind die düsteren Prognosen berechtigt?

Tatsächlich steht nirgendwo in Stein gemeisselt, dass das neue Fusionsprodukt von Paymit und Twint auf der Gewinnerspur fahren wird. Ebenso wenig sollte man jedoch darauf wetten, dass alle Karten schon verteilt sind und das neue Twint ohne den Hauch einer Chance starten wird.

Startet Twint mit Verzögerung?

Möglich, allerdings nicht bestätigt und von Twint selbst aktuell dementiert. Die Handelszeitung fasst in ihrem Artikel eine Reihe plausibler Gründe zusammen, die dafür sprechen, dass das Fusionsprodukt nicht wie geplant im Herbst 2016 starten kann.

Das wäre schade, keine Frage, weil Apple Pay die Zeit nutzt und aktiv am Ball bleibt. Apple hat bereits in mehreren Ländern bewiesen, wie schnelles Wachstum funktioniert. Insofern wird sich Apple Pay auch in der Schweiz etablieren. Allerdings: Apple Pay läuft "nur" auf iPhones. Mit knapp über 50 Prozent Marktanteil eine gute Ausgangslage für Apple, dennoch bleibt die andere Hälfte der Schweizer Konsumenten aussen vor.

Welche Faktoren spielen mit?

Auch Twint ist aktiv, schon vor dem Relaunch, in zweifacher Hinsicht: Zum einen sind und bleiben die bestehenden und nicht fusionierten Apps, Paymit und Twint, weiterhin aktiv im Markt. Und zum anderen wird die Zeit bis zum Relaunch von der breiten Trägerschaft ziemlich sicher genutzt, um ein herausragendes Produkt auf die Beine zu stellen, das in der fusionierten Form mehr zu bieten hat als die blosse Addition von zwei Produkten. Eine coole App, die in Sachen Komfort, Funktionen, Flexibilität und Mehrwertleistungen überzeugt und sich vor "den Grossen" nicht zu verstecken braucht. Gelingt das, bleiben alle Chancen intakt. Gelingt das nicht, wird's eng.

In unserer Analyse "Fakten, Fragezeichen und Prognosen" haben wir zentrale Punkte zu Vor- und Nachteilen von Apple Pay und Twint zusammengefasst.

Ist Apple Pay das Mass aller Dinge?

Nein, aktuell lediglich im Fokus, weil Apple als erster der internationalen Grossen mit einer wirklich guten Lösung aktiv im Schweizer Markt operiert. Allerdings steht Apple Pay nur iPhone-Nutzern zur Verfügung, Android-Smartphones bleiben ausgeschlossen, das betrifft immerhin die Hälfte der Schweizer User. Allerdings könnte sich das bald ändern, im Moment wetzen die beiden nächsten globalen Player die Messer, Samsung und Google. Und auch das chinesische Alipay wittert neuerdings in Europa Chancen und wird aktiv. Konkret heisst das: Die Karten sind noch nicht verteilt, eigentlich noch nicht mal richtig gemischt.

Die Betrachtung, dass die globalen Anbieter die nationalen Lösungen vom Markt fegen werden, greift zu kurz. Sicher lauern hier Risiken, nur schaffen Risiken allein vorderhand noch keine Tatsachen. Weil nicht nur Grösse und Internationalität, vielmehr zahlreiche zusätzliche Faktoren mitspielen werden: neben Kompatibilität, Systemen und Geräten vor allem auch Komfort und Vielseitigkeit, POS, E-Commerce und P2P, Umgang mit Daten, Partnern, Gebührenmodellen und mehr.

David gegen Goliath?

Wer die aktuelle Entwicklung auf Zwerge und Riesen reduziert und David von Anfang an die Schleuder im Schrank versteckt, lässt die wichtigste Grösse ausser Acht: die Konsumenten. Die interessieren sich weder für Zwerge noch für Riesen, die wollen einfach smarte Tools mit viel Komfort, die ihnen Nutzen bringen und sehr flexibel eingesetzt werden können.

Konsumente wollen eigentlich nicht zahlen, die wollen kaufen und danach den Laden möglichst schnell wieder verlassen. Das Bezahlen muss deshalb wie von selbst und als komfortable Nebensache über die Bühne gehen. Zudem wünschen sich User smarte Tools und Features in ihrer App, die über das blosse Bezahlen hinausgehen. Wer das bringt, Bezahlen für Konsumenten wirklich schnell und einfach macht und mit Mehrwertleistungen überrascht, wird zu den Siegern gehören. Wer das sein wird und wie viele Anbieter im kleinen Markt Schweiz erfolgreich Terrain besetzen können, wird sich erst in den nächsten ein bis zu Jahren zeigen. Im Moment sind die Chancen für alle Mitspieler intakt, auch für die Schweizer Lösungen.

Handelszeitung: "Der Neustart der Bezahl-App Twint verzögert sich"

Bilanz: "Twint und Bellamy haben gegen Apple Pay keine Chance"

20minuten: "Konkurrenz für Twint und Apple Pay, jetzt kommt Samsung Pay"

Stichworte zum Thema im Lexikon: Mobile Payment | P2P Payment | Schweizer Lösungen | E-Commerce