Fünf Fragen an Felix Wenger zu PSD2 und Open Banking

Felix Wenger, Raiffeisen Schweiz
Bild: Felix Wenger, Raiffeisen Schweiz

Wie sehen Branchenexperten die Auswirkungen der PSD2 und die Bedeutung von Open Banking für die Schweiz? Heute: Felix Wenger, Bereichsleiter Vertrieb & Kanäle bei Raiffeisen Schweiz.

Die PSD2 bewegt Europa und Open Banking schafft neue Spielregeln. Auch in der Schweiz? Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat ihre Haltung gefunden, definiert und kürzlich mit einem Positionspapier konkret Stellung bezogen. Unsere Redaktion nimmt aktuell den Puls der Branche – wir haben Experten aus verschiedenen Lagern um ihre Meinung zum Thema gebeten.

Exponenten aus dem Umfeld von Banken, FinTechs, Verbänden, Beratung, Medien und Recht nehmen Stellung. Ihre Statements bringen wir laufend in unserer Serie:

Fokus Schweiz | Meinungen zur PSD2 und zu Open Banking

Fünf Fragen an Felix Wenger von Raiffeisen Schweiz

Welche Auswirkungen hat nach Ihrer Betrachtung die EU-Regulierung PSD2 für die Schweiz?

Eine direkte Auswirkung auf die Schweiz hat PSD2 aus unserer Sicht nicht, da wir nicht im Geltungsbereich dieser Direktive lokalisiert sind. Indirekt sind unseres Erachtens die folgenden Aspekte zu unterscheiden:

• Vorbildwirkung
Aus regulatorischer Sicht besteht prinzipiell die Möglichkeit, dass der schweizerische Gesetzgeber im Gefolge von PSD2 ein vergleichbares Regelwerk erwägen könnte. PSD2 ist aber noch in keinem EU-Mitgliedsstaat operativ umgesetzt. Bevor nicht ein Mindestmass an Praxiserfahrungen mit dieser Direktive vorliegt, wäre eine – auch nur teilweise – Übernahme für die Schweiz mit schwer abschätzbaren Risiken hinsichtlich ihrer Wirkung wie Nebenwirkungen verbunden.

• Kundennutzen
Grundsätzlich muss die via PSD2 geforderte Öffnung der Schnittstellen insbesondere aus Kundensicht einen Mehrwert bieten. PSD2 darf nicht zum Selbstzweck werden.
Im Gegensatz zur EU hat die Schweiz beispielsweise mit Twint und E-Rechnung schon bank- und kanalübergreifende Services realisiert, die für Bankkunden bereits wesentliche Teile jenes Mehrwerts liefert, den die EU mittels PSD2 erst zu etablieren versucht.

• Nutzen Handel
Auch für den Handel soll mit PSD2 ein gewisser Nutzen assoziiert werden, im Wesentlichen bestehend in einer beschleunigten Zahlungsauslösung. Dies führt andererseits jedoch zu erhöhten Aufwänden, etwa bei Stornos bzw. Kaufrücktritten, die beim etablierten und bewährten zeitverzögerten Verrechnungsmodell (Zeitpunkt von Kauf und Zahlungsauslösung liegen ein oder mehrere Tage auseinander) nicht anfallen.

• Nutzen Banken
Sogar für Finanzinstitute kann PSD2 isoliert betrachtet einen gewissen potentiellen Mehrwert bieten: Der Zwang zur Öffnung gewisser Schnittstellen kann auf eine Überarbeitung und damit bestenfalls auf eine Verschlankung dieser APIs führen, was wiederum eine Optimierung aus betrieblicher Sicht bedeuten würde.
Dieser Mehrwert ist jedoch auf eine signifikant nachhaltigere Weise durch einen bereits laufenden Ansatz gewährleistet: Der Fachverband Swiss Fintech Innovations koordiniert ein Projekt, das die Realisierung eines common API-Standards für den Schweizer Finanzplatz – also für Banken und Versicherer – zum Ziel hat. Durch die Einbeziehung der wichtigsten Anbieter für Kernbankenlösungen ist hier aktuell bereits eine Abdeckung von ca. 75% der Schweizer Finanzinstitute gegeben, Tendenz steigend.
 

Welche Bedeutung messen Sie Open Banking für den Finanzplatz Schweiz zu?

Die zunehmende Bedeutung von Open Banking ist – und das gilt sicherlich nicht nur für den Finanzplatz Schweiz – nicht von der Hand zu weisen. Im Gegensatz zum EU-Raum wird diese Thematik jedoch in der Schweiz bereits aktiv mit für unsere Kunden verfügbaren Services adressiert. Beispiele wie Twint, e-Bill und Personal-Financial-Management-Lösungen verschiedenster Anbieter stehen für gelebtes Open Banking, immer mit hohem Kundenfokus.
 

Die SBVg bezieht Stellung und lehnt eine PSD2-analoge Regulierung für die Schweiz ab. Welche Signale werden dadurch gesetzt?

Durch die Position der SBVg hinsichtlich PSD2 soll aus unserer Sicht ein Zeichen gesetzt werden, dass durch eine übereilte Regulierung von Zahlungsverkehrs-Services weder den Bankkunden, noch dem Handel oder den Banken selbst gedient ist. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der in der Schweiz bereits erzielten Erfolge bei der Realisierung von Dienstleistungen mit hohem Kundenfokus, wie unter Frage 2 explizit dargelegt.
 

Ist das ein Vorteil, ein Nachteil oder bleibt eine fehlende PSD2-analoge Regulierung ohne Auswirkungen für die Schweiz?

Wie bereits weiter oben ausgeführt, ist die Situation bezüglich der in der Schweiz verfügbaren Zahlungsverkehrslösungen nicht mit jener im EU-Raum vergleichbar. Hier sind bereits bank- und kanalübergreifende Services produktiv verfügbar, die im EU-Raum auch trotz des Wissens um die baldigst anstehende Umsetzung von PSD2 noch nicht einmal in Ansätzen existieren. Entsprechend bietet die Perspektive einer PSD2-analogen Regulierung für die Schweiz aus unserer Sicht keinerlei Vorteile.
 

Wird die PSD2 in ihren Auswirkungen generell überbewertet oder ist es tatsächlich eine umwälzende Neuerung?

Inhaltlich ist PSD2 durchaus geeignet, gewisse Auswirkungen auf das Banking zu induzieren. Andererseits ist diese Direktive noch in keinem EU-Staat produktiv umgesetzt, und daher liegen noch keinerlei konkrete Erfahrungswerte zu den Auswirkungen ihrer Anwendung vor.

Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass gewisse Aspekte von PSD2 in offenem Widerspruch zu anderen EU-Regelwerken stehen. Daher kann man bis auf weiteres nur gespannt sein, wie eine (Finanz-) Welt aussieht, in welcher diese Widersprüche aufgelöst worden sind.
 

Welche Rolle wird Open Banking in fünf Jahren in Europa im Allgemeinen und in der Schweiz im Besonderen spielen?

Die Verfügbarkeit von Services mit Open Banking-Fokus wird weltweit und also auch am Schweizer Finanzplatz stetig zunehmen. Im Übrigen verweisen wir hier auf unsere Antwort auf Frage 2.

Der Interviewpartner: Felix Wenger

Felix Wenger verantwortet als Bereichsleiter bei Raiffeisen Schweiz das Thema Vertrieb, Kunden- und Beraterkanäle für die Raiffeisenbanken. Er arbeitet seit über 20 Jahren in und für die Finanzindustrie und verfügt neben seiner Erfahrung bei Banken auch über eine breite Berufserfahrung im Verlagswesen. Digitalisierung beschäftigt ihn damit bereits zum zweiten Mal in seiner Karriere. 

Wenger hält einen Master der Universität Basel und einen Executive Master der Universität St. Gallen. Er ist Beiratsmitglied an der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) und unterrichtet zudem an der FHNW (Fachhochschule Nordwestschweiz) Unternehmenskommunikation.