Ist die Kryptowährung Bitcoin eine Blase?

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Publizist und Buchautor Werner Vontobel ist davon überzeugt – warum er die Blase platzen sieht, erklärt er in seiner Kolumne.

Der Publizist Werner Vontobel rechnet ab mit dem Bitcoin, generell mit Kryptowährungen, und untermauert in der Finanzplattform Cash mit Argumenten die Titelzeile seiner Kolumne: «Bitcoin – das Ende ist nah»

Auslöser für Vontobels vehementes Statement scheint die Meldung der NZZ zu sein, die in ihrer Ausgabe vom 14. August 2017 den bisherigen Spitzenwert von 4'000 Dollar pro Bitcoin kommentiert.

Werner Vontobel in der Cash-Kolumne:

«Fast jeden Tag kommen neue Privatwährungen dazu. Rund 800 sind es schon. Allmählich werden die Kryptowährungen zur Plage.», macht Vontobel seinem Unmut über Kryptowährungen im Allgemeinen Luft und wird konkret im Besonderen – mit seiner Ansicht zur platzenden Bitcoin-Blase und seinen Beweggründen, die düstere Prognose rechtzeitig vor dem Knall zu dokumentieren: «Immer wenn eine Blase platzt, geht dasselbe Spiel los. Wer hat das Ende kommen sehen? Dabei genügt es nicht, dass man es einmal gesagt hat, nein, die Vorhersage muss schriftlich dokumentiert sein, am besten in einer prestigereichen Ökonomiezeitschrift, notfalls in einem Kommentar auf cash.ch.»

Ob Werner Vontobel recht bekommen wird oder ob sich Bitcoin und andere Kryptowährungen weiterhin an seiner Prognose vorbeientwickeln, ist weniger der Punkt, Meinung und Ausführungen bleiben lesenswert. Vontobel argumentiert mit folgenden Thesen:

Die Frage des BIP: Geld ist werthaltig, der Bitcoin ist es nicht

Die Werthaltigkeit von Geld, zum Beispiel dem Schweizer Franken, erklärt Werner Vontobel ausführlich (Relation zum BIP) und stellt fest, dass der Wert einer Währung mit Knappheit und Fälschungssicherheit zusammenhängt. Diese beiden Faktoren erkennt er auch bei Bitcoins, vermisst jedoch den seiner Ansicht nach zentralen Punkt und fragt: «Doch wo bleibt das wichtigste Element, das BIP?» Der Kommentar zu diesem Defizit folgt gleich und Vontobel rechnet eher gnadenlos und vehement mit dem Bitcoin ab: «Nun, die Bitcoins, diese Schmarotzer, nähren sich von demselben BIP, das auch hinter den Franken, den Euros, Dollars usw. steckt. Wenn ich Franken gegen Dollar tausche, erhalte ich einen Anspruch auf das BIP der USA. Ein fairer Tausch. Wer hingegen Franken gegen Bitcoins tauscht, tritt dem Verkäufer der Bitcoins seine Ansprüche auf das BIP der Schweiz ab. Punkt. Keine Gegenleistung. Aber: Er wird Teilnehmer an einem Schneeballsystem und setzt darauf, seine Bitcoins einem noch dümmeren verkaufen zu können.»

Die Frage der Energie

Bitcoins basieren auf der Blockchain-Technologie und das Mining verbraucht sehr viel Energie, sprich Strom. Werner Vontobel rechnet (mit Quellenangaben) vor, dass das "Schürfen eines einzigen Bitcoin 2020 schon 5'500 Kilowattstunden kosten dürfte", was immerhin "der Hälfte des Stromverbrauchs eines durchschnittlichen US-Haushalts" entsprechen soll. Auch aufgrund dieser "Energiefresser"-Attitüde sieht Vontobel Kryptowährungen als Finanzverhikel, welche die Welt schlicht nicht braucht.

Die Frage der Schuld

«Wer wars?», fragt Werner Vontobel rhetorisch und benennt die Fragen und Antworten, die nach dem unabwendbaren Crash und Platzen der Bitcoin-Blase ins Zentrum rücken: «Spätestens dann wird sich - wie nach 2008 - die Frage nach der Verantwortung stellen. Wer hat diesen Gaunern freie Hand gelassen? Wer hat wann was gewusst - und nicht gehandelt? Zwei Hauptverdächtige stehen jetzt schon fest: Die Stadt Zug, die Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptiert hat, und die NZZ, die das als "Pioniertat" gefeiert hat.»

Ein Kommentar zum Thema

Ob Werner Vontobel recht bekommt oder ob sich Kryptowährungen ganz anders entwickeln, wird sich zeigen. Das Thema ist komplex und zahlreiche Faktoren spielen mit, welche in ihren Zusammenhängen und Auswirkungen schwer bis gar nicht vorausgedacht werden können und damit kaum schlüssig einzuschätzen sind. Deshalb ist der garantierte Crash innerhalb der rabenschwarze Prognose von Vontobel nur eine von zahlreichen Möglichkeiten. Hohe Volatilität und damit Risiken stehen ausser Frage, das zeigen die Kursentwicklungen der letzten Wochen und Monate. So, wie sich die Bitcoin-Bewertung seit Anfang 2017 vervierfacht (!) hat, genau so kann sie sich nächsten Monat auch wieder halbieren (!). Oder ganz anders. Ein Auf und Ab, das der Bitcoin schon vor dem aktuellen Hoch mehrmals durchgespielt hat.

Bemerkenswerte Entwicklung
Was 2008 als bemerkenswertes Experiment begonnen hat, ist aktuell auf einem ebenso bemerkenswerten Stand. Rund um Kryptowährungen und Bitcoins hat sich eine Industrie entwickelt, welche die Flamme eher grösser werden lässt. Miner, Investoren und Kleinanleger sind mit im Boot. Die ersten Banken entwickeln neue Anlageinstrumente. Bitcoins haben sich als Zahlungsmittel und als alternative Währung zur Anlage (fast) etabliert. Japan und Australien haben den Anfang gemacht und Bitcoin als Währung und offizielles Zahlungsmittel anerkannt. Immer mehr Läden akzeptieren Bezahlung mit Bitcoins. Diese und weitere eher positive Entwicklungen vermitteln noch keine Sicherheit, Kryptowährungen bleiben spekulativ. Die Geschichte bis heute zeigt jedoch, dass die weitere Entwicklung von Kryptowährungen und Bitcoins im Besonderen nicht in der Hand von ein paar Wahnsinnigen liegt, dazu drehen inzwischen zu viele völlig unterschiedlich Parteien am selben Rad. Inklusive Staaten und Behörden, welche Kryptowährungen in ihre Überlegungen und Strategien integrieren – und sich auch Gedanken zur Regulierung machen.

Energieverbrauch und Energieproduktion
Hätte man vor einem Vierteljahrhundert den Stromverbrauch des Internets absehen können und hätten warnende Publizisten erfolgreich dagegen angeschrieben, würden wir heute noch munter Faxe verschicken und Heerscharen von Kurieren durch die Gegend jagen (was übrigens auch nicht ohne Energie funktioniert). In Deutschland gehen rund 10 Prozent des gesamten Stromverbrauchs ins Internet (Quelle: Fraunhofer Institut). In der Schweiz waren es vor wenigen Jahren bereits 8 Prozent und rund 4,6 Terrawattstunden pro Jahr (Quelle: Bundesamt für Umwelt). So oder so mehr, als ein AKZ produzieren konnte. Computer werden schneller, die Welt setzt auf die Cloud, Rechenzentren schiessen wie Pilze aus dem Boden und die zunehmende Digitalisierung braucht Energie und damit Strom. Auf der anderen Seite helfen neue Technologien mit, Strom effizienter zu produzieren und gleichzeitig den Stromverbrauch für Geräte, Prozesse und Übertragung zu senken. Am Stromverbrauch dürften Kryptowährungen deshalb kaum sterben. Auch das Internet hat überlebt, verbraucht Strom und hilft auf der anderen Seite auf ganz andere Weise mit, massiv Strom und Energie zu sparen.

Schuldfrage
Sollte die Blase jemals platzen, ist der Kreis der Verdächtigen und Schuldigen mit der Stadt Zug und der NZZ etwas dünn besetzt. Wir von der Redaktion reihen uns schuldbewusst mit ein und damit sind wir schon zu Dritt, es wird jedoch noch enger: Millionen von Nutzern, Zahlern und Anlegern, plus eine wachsende Zahl von Banken, Unternehmen und Staaten gesellen sich dazu, welche aktuell in die Idee der Kryptowährungen investieren. Ideell und finanziell. Sollte es also dereinst krachen, sind keine unschuldigen Opfer zu beklagen, vielmehr zahlreiche "Mittäter", welche Idee und Technologie weiterbringen oder davon profitieren. Könnte ja auch klappen und zu etwas Grossem werden.

Dennoch stehen wir nicht explizit im Widerspruch zu den Thesen von Werner Vontobel. Wir öffnen einfach den Fächer und reduzieren die Vision der bevorstehenden Apokalypse vom exklusiven Szenario zu einer schlichten Variante, die möglicherweise auch durch eine ganz andere ersetzt werden kann. In Ermangelung einer tauglichen Glaskugel orakeln wir nicht, welche Zukunft der Bitcoin haben wird, verfolgen jedoch optimistisch die weiteren Entwicklungen, die so oder so interessant bleiben werden.

Selber lesen

Der (vermutete) Auslöser in der NZZ: "Bitcoin schiesst über 4000 Dollar – die Blase droht"

Werner Vontobel in Cash: "Bitcoin – das Ende ist nah"