Regulierung

EU gibt sich mit MiCA einen Rechtsrahmen für den Kryptomarkt

Gebäude mit Flaggen des Europäischen Parlaments in Brüssel
Bild: Getty Images | Walter Zerla

Während die USA die Zielmarken für ihre Krypto-Regulierung noch ausloten, ist die Europäische Union mit MiCA einen entscheidenden Schritt weiter.

Das Europäische Parlament hat letzte Woche mit der Verabschiedung der MiCA (Markets in Crypto Assets) einen grossen und wichtigen Schritt gemacht. Die harmonisierten Vorschriften für die EU sind im Plenum mit 517 gegen 38 Stimmen, bei 18 Enthaltungen, angenommen worden. 

Die neue Verordnung regelt nicht restlos jedes Detail, schafft jedoch einen umfassenden, verbindlichen und klaren Rahmen für alle Marktteilnehmer im Umgang mit Krypto-Assets, der für alle Länder im EU-Raum gilt. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, weil er Unsicherheiten ausräumt und den Flickenteppich von einzelnen Vorschriften oder Betrachtungen ersetzt.

Welche Absichten verfolgt die EU mit der neuen Verordnung?

Interessant ist, dass das EU-Parlament das grosse Potenzial von Kryptowerten ausdrücklich anerkennt und Innovationen fördern will. Auf der anderen Seite sollen Bedrohungen eingedämmt werden. 

Das Europäische Parlament hält fest, dass die Verwendung von Kryptowerten und die dahinter stehende Technologie sich als äusserst vielversprechend, aber auch als problematisch erwiesen hätten. 

Der Verzicht auf ein zentrales Register und eine zentrale Einrichtung, wodurch sichere und einfache Transaktionen zwischen zwei Parteien ohne einen Vermittler ermöglicht werden, macht einen Teil der Attraktivität von Kryptowerten aus. Gleichzeitig entstehen jedoch erhebliche Risiken, was neue EU-Rechtsvorschriften erforderlich macht, so das Europäische Parlament.

Mit den neuen Vorschriften will die EU zahlreiche Risiken in den Griff bekommen, die von Krypto-Assets ausgehen. Derzeit fällt der Handel mit Kryptowerten nicht unter die EU-Verbraucherschutz-Vorschriften. Menschen, die mit Kryptowerten handeln, sind oft nicht ausreichend über die Risiken informiert, was dazu führen kann, dass sie Geld verlieren.

Die weitverbreitete Nutzung von Kryptowerten ohne Regulierung, befürchtet das EU-Parlament, könnte zudem zu finanzieller Instabilität, Marktmanipulation und Finanzkriminalität führen. Da die Transaktionen weitgehend anonym sind, so das Parlament, werden Kryptowährungen häufig für kriminelle Aktivitäten genutzt.

Im Kern fomuliert das Europäische Parlament für MiCA die folgenden Ziele: Um die Entwicklung und Nutzung dieser Technologien zu fördern, sollen die neuen Vorschriften Rechtssicherheit schaffen, Innovationen unterstützen, Verbraucher und Anleger schützen und die Finanzstabilität sicherstellen.

Sicherstellung von Finanzstabilität und Verbraucherschutz

Durch die Regulierung des öffentlichen Angebots von Kryptowerten soll die Finanzstabilität sichergestellt werden. Die neuen MiCA-Regeln umfassen Transparenz, Offenlegung, Genehmigung und auch die Überwachung von Transaktionen. Die Abgeordneten wollen, dass die Ausgabe einiger Krypto-Token von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde und der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde beaufsichtigt wird. Zudem müssen Unternehmen, die mit Kryptowerten handeln, die Konsumentinnen und Konsumenten besser über Risiken, Kosten und Gebühren informieren.

Verringerung des ökologischen Fussabdrucks von Kryptowährungen

Die Klimadiskussion zeigt beim Europäischen Parlament Wirkung, auch die Verringerung des ökologischen Fussabdrucks von Kryptowährungen steht mit im Vordergrund und ist als Ziel Teil von MiCA. 

Um den teilweise hohen CO2-Fussabdruck von Kryptowährungen zu reduzieren, werden durch die MiCA-Vorschriften wichtige Anbieter von Kryptowerten zur Offenlegung ihres Energieverbrauchs verpflichtet.

Es liegt auf der Hand, dass diese Offenlegungs-Pflicht nicht nur statistischen Zwecken dienen soll. Die erfassten Werte werden mittelfristig auf die eine oder andere Weise in weitergehende Verordnungen einfliessen.

Weitgehende Zustimmung aus der Kryptobranche

Der Entscheid des Europäischen Parlaments ist in der Kryptobranche grösstenteils gut aufgenommen worden. Das bedeutet konkret: die direkt Betroffenen selbst wünschen sich eine klare Regulierung mit verständlichen Leitplanken, welche die Spielregeln für alle Beteiligten benennt. Ein verbindlicher Rahmen, welcher die Grösse der Spielfelder markiert und der die Machenschaften schwarzer Schafe so weit wie möglich verhindert, deren fatale Folgen der ganzen Branche schaden. 

Vor allem jedoch wird durch MiCA endlich Rechtssicherheit geschaffen – in einem inzwischen grossen und weiterhin wachsenden Markt, der ohne klare Regulierung nicht auskommt, wie zahlreiche Auswüchse und Beispiele der Vergangenheit zeigen. 

Wann tritt MiCA in Kraft?

Die endgültige Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten im Rat steht noch aus, diese Hürde dürfte jedoch eher eine Formsache sein. EU-Parlament und Rat haben sich bereits im Juni 2022 auf den Entwurf der MiCA grundsätzlich geeinigt.

Wird MiCA vom Rat gebilligt, sollte die Verordnung 2024 in Kraft treten.

Rückverfolgung von Kryptowertetransfers

Im gleichen Zuge wie MiCA hat das Europäische Parlament die erste EU-Regelung zur Rückverfolgung von Transfers von Kryptowerten wie Bitcoins und "E-Geld-Token" angenommen. Ebenfalls mit einer klaren Mehrheit von 529 Stimmen gegen 29, bei 14 Enthaltungen.

Der neue Rechtsrahmen soll sicherstellen, dass Transfers von Kryptowerten, wie jede andere Finanztransaktion auch, jederzeit zurückverfolgt und verdächtige Transaktionen blockiert werden können. Die so genannte "Travel Rule" (Reiseregel), die es im traditionellen Finanzwesen bereits gibt, wird in Zukunft auch für Überweisungen von Kryptowerten gelten. Diese Regel verlangt von Zahlungsdienstleistern, die Übermittlung von Angaben zum Zahler und zum Zahlungsempfänger während der gesamten Zahlungskette zu gewährleisten.

Die Vorschriften würden auch Transaktionen über 1'000 Euro von sogenannten nicht betreuten Geldbörsen (Unhosted Wallets) abdecken, wenn diese mit betreuten Geldbörsen (Hosted Wallets) interagieren, die von Anbietern von Krypto-Dienstleistungen verwaltet werden. Die Regeln gelten nicht für Kryptowertetransfers von Person zu Person, die ohne einen Anbieter erfolgen, oder zwischen Anbietern, die im eigenen Namen handeln.

Unter "Unhosted Wallets" versteht man Software oder Hardware, die das Halten, Speichern und Übertragen von Kryptowerten ermöglicht und nicht von einer dritten Partei, wie einem Finanzinstitut oder einem Kreditdienstleister, gehostet wird.

Vorschriften über die Verwendung von DLT-Technologien

Bereits im März 2022 verabschiedete das Parlament zudem Vorschriften über die Verwendung von Distributed-Ledger-Technologien, wie zum Beispiel Blockchains, für den Handel mit Kryptowerten. Solche Technologien ermöglichen die Aufzeichnung von Interaktionen und Übertragungen von Kryptowerten.

Ziel dieser bereits verabschiedeten Gesetzgebung ist es, die Entwicklung von Lösungen für den Handel mit Kryptowerten zu fördern und gleichzeitig ein hohes Mass an Finanzstabilität, Transparenz und Marktintegrität zu wahren.

Europa verschafft sich durch die neuen Verordnungen einen Wettbewerbsvorteil

Die aktuellen Ereignisse in den USA verunsichern Marktteilnehmer und Anbieter. SEC-Chef Gary Gensler lotet weiterhin seine Spielräume aus und klagt in verschärftem Takt gegen eine wachsende Zahl von Kryptobörsen und DeFi-Akteuren. Im Kern geht's bei diesen Warnungen und Klagen um die momentan noch umstrittene Frage, ob und welche Krypto-Assets als Wertpapiere zu betrachten sind. Nach Ansicht von Gensler "alles ausser Bitcoin", wobei er sich bei Ethereum noch nicht festlegen will. Die Einstufung als Wertpapiere würde für eine Vielzahl von Coins, Tokens und Projekten das Aus bedeuten, weil der Handel mit Wertpapieren bewilliigungspflichtig ist – und diese Bewilligungen sind für Krypto-Akteure derzeit so gut wie nicht zu bekommen.

Das ist genau die Rechtsunsicherheit, welche die Branche sowie auch Anlegerinnen und Anleger ausbremsen kann. Mit MiCA und den weiteren Verordnungen und Regulierungen verschafft sich der EU-Raum einen Vorteil, weil klar definiert wird, was sein muss, soll, darf und was eben nicht.

Wer sich an diese Vorgaben hält, darf im Markt operieren, Hasardeure, unseriöse Traumtänzer-Unternehmen und Abzocker-Läden werden so weit wie möglich aussortiert.

Damit legt Europa einen guten und auch notwendigen Boden, um das Vertrauen von Anlegerinnen und Anlegern in Kryptowerte und Unternehmen zu stärken. Und, das geschieht eher selten, mit dem neuen Gesetzesrahmen hat Europa gegenüber den USA die Nase vorn. Das kann positive Auswirkungen haben. Das Beispiel der kleinen Schweiz mit ihrem Crypto Valley und klaren Regulierungen zeigt: Seriöse Kryptounternehmen und Kryptobörsen mit langfristigen Plänen siedeln sich bevorzugt dort an, wo Rechtssicherheit herrscht. In den USA ist das im Moment (noch) nicht der Fall.