FinTechs

Wie wettbewerbsfähig ist die deutschsprachige FinTech-Branche im internationalen Vergleich?

Ein Startup-Team in einem modernen Büro
Bild: RossHelen | Getty Images

Eine vergleichende Betrachtung der FinTech-Branche im DACH-Raum – mit Fokus und einem vertieften Blick auf die FinTech-Szene Deutschland.

Laut der letzten Ausgabe des FinTech Startup Monitors (2021) gibt es in Deutschland 712 FinTechs. In Österreich werden sieben international bekannte FinTechs aufgeführt, in der Schweiz 384.

Zum rein rechnerischen Vergleich: Das Statistische Bundesamt zählte Ende 2020 in der Bundesrepublik knapp 1'700 "klassische" Banken und Sparkassen, in der Schweiz 243, in Österreich 500 Haupt- und 3'400 Zweiganstalten.

Wie wettbewerbsfähig stellt sich im internationalen Vergleich die FinTech-Szene im deutschsprachigen Raum dar, wo liegen die standortbedingten Vor- und Nachteile? Nachfolgend finden Sie einen kurzen Rückblick, eine wettbewerbsbezogene Betrachtung der hiesigen Rahmenbedingungen sowie eine abschliessende Einordnung.    

FinTechs – wann ging es los?

Deutschland
Um sich ein aussagekräftiges Bild über das Potenzial und die wirtschaftliche Durchsetzungsfähigkeit der deutschen FinTech-Szene machen zu können, müssen wir uns die Entstehungsgeschichte dieser Startup-Kategorie anschauen.

Das 2007 gestartete Kreditportal Smava reklamiert für sich, das erste Startup zu sein, das in Deutschland tatsächlich als FinTech bezeichnet wurde. 2010 gründeten dann Frederik Pfisterer und Eugene Danilkis mit Mambu ein Unternehmen, das nach wie vor nur Brancheninsidern bekannt ist, sich nichtsdestotrotz aber zu einem sehr wichtigen Wegbereiter für die FinTech-Szene entwickelte. Mambu hat sich auf die Entwicklung und Bereitstellung von Bankfunktionalitäten spezialisiert. Ursprünglich war das Angebot für Schwellenländer gedacht, inzwischen ist Mambu zu einem global engagierten Unternehmen gewachsen und bietet seine Infrastruktur nicht nur anderen FinTechs, sondern auch Banken an – ein echtes Unicorn.

Ab 2014 folgten dann weitere Akteure wie Finleap und die Solarisbank, Number 26 (heute N26). Insbesondere Finleap engagierte sich sehr aktiv als Investor und baute eine Art Biotop aus FinTechs am Markt auf. Ab 2017 lag ein Schwerpunkt auf B2B-Gründungen (zum Beispiel Penta für KMU). Tatsächlich lassen sich die FinTechs in Deutschland auch im internationalen Vergleich als Pioniere/Early Adopters einordnen.

Schweiz
In der Eidgenossenschaft entwickelte sich die FinTech-Branche sehr breitgefächert und wird bis heute von eigens gegründeten Organisationen und Vereinigungen unterstützt. 2019 stieg Numbrs als erstes schweizerisches FinTech in die Unicorn-Kategorie auf. Die Schweiz gehört international zu den stark beachteten FinTech Hubs mit einer hohen Dichte an FinTech-, Blockchain- und Krypto-Unternehmen.

Österreich
Die österreichische FinTech-Szene zeichnet sich eher durch eine Fokussierung auf die Bereiche Mobile Payment, Finanzprodukte und Crowdinvestment sowie Preis- und Anbietervergleich im Bankenbereich aus. Bereits 2012 war Wikifolio am Markt, 2014 wurde Bitpanda als Kryptobörse gegründet und erhielt 2021 den Unicorn-Ritterschlag.

PSD2 – ein echter Game Changer

2016 wurde ein längerer Grundsatzstreit zum Thema Datenhoheit von der EU im Sinne der Verbraucher entschieden. In der PSD2 (Payment Services Directive 2) wurde unter anderem festgelegt, dass benutzerbezogenen Daten dem Kunden und eben nicht der Bank gehören. Der Kunde allein entscheidet, welche Informationen Dritten zur Verfügung gestellt werden und wie er auf diese Daten zugreifen kann. Als technische Konsequenz wurde die XS2A-Schnittstelle entwickelt, die von allen Banken bis Ende April 2019 eingesetzt beziehungsweise adaptiert werden musste.

Verständlicherweise taten sich etliche Banken schwer, diese Vorgaben zu erfüllen, selbst 2022 läuft die API bei einigen Instituten noch nicht problemlos. Andere Banken hingegen sahen eher die sich eröffnenden Chancen, haben ihre Zusammenarbeit mit FinTechs intensiviert und ernten mittlerweile die Früchte. Insgesamt hat die Vorbereitung zur Einführung und Produktivsetzung der XS2A-API einen sehr positiven Effekt in der FinTech-Szene ausgelöst und zu zahlreichen Neugründungen, hauptsächlich im B2C-Bereich, geführt.

Mittlerweile ist ein grosses Interesse internationaler/europäischer Investoren an deutschen FinTechs zu beobachten: Das Münchner Startup FinAPI wurde vom englischen Unternehmen Yapily akquiriert, FastBill aus Frankfurt wurde von FreshBooks aus Toronto gekauft. Interessanterweise hat sich gerade in Frankreich aufgrund der dortigen politischen Rahmenbedingungen eine sehr investitionsfreudige Kapitalgeber-Peripherie entwickelt.

Rahmenbedingungen in Deutschland: If you make it there you can make it anywhere!

Die grundsätzliche Wettbewerbsfähigkeit lässt sich anhand von fünf Kriterien beurteilen:

Rahmenbedingungen, Marktreife, Zugang zu Kapital, Zugang zu Talenten sowie Innovationskraft.

Rahmenbedingungen
Die Rahmenbedingungen insbesondere in Deutschland gelten als überaus schwierig, Hauptursache ist die sehr hohe Anzahl an Banken (siehe weiter oben) – und die daraus resultierende Komplexität:

Je mehr Banken es gibt, desto mehr potenzielle PSD2-Verbindungen ergeben sich daraus. Nach der Einführung der PSD2-Norm findet man 48 Prozent aller möglichen PSD2-Connections allein in Deutschland. Betrachtet man nur die Top-7-Länder dieser Kategorie, steigt der Wert auf 80 Prozent. Dementsprechend müssen innovative Dienstleistungen, die sich mit Bankinfrastrukturen verbinden, in Deutschland ungleich höhere Komplexitäten als in anderen EU-Ländern meistern können.

Bei der Schaffung von Rahmenbedingungen spielen Finanzierungen eine zentrale Rolle. Um lokale Interessen zu wahren ist hier ein wesentlich stärkeres Engagement von lokalen Investoren wichtig. Dafür muss die Politik einen innovativen Regulierungsrahmen schaffen. Frankreich beispielsweise bietet Startups gezielte Hilfe bei der Firmengründung, Grossbritannien startete 2021 einen Plan zur Unterstützung von FinTechs.

Marktreife
Die deutschen FinTechs verfügen als Early Adopter also über fünf bis zehn Jahre Erfahrung in einem der anspruchsvollsten Märkte Europas – eine sehr lange Zeit für diese schnelllebige Branche!

Nichtsdestotrotz ist eine der Hauptvoraussetzungen, die es FinTechs erlaubt, in einem regulierten Level Playing Field zu agieren, regulatorisch erst seit 2018, technisch seit Ende 2019 in Kraft. Dieser vergleichsweise kurze Zeitraum von nur gut zwei Jahren führt dazu, dass gerade in Deutschland die Investoren skeptischer vorgehen, während sich in Frankreich (siehe oben) der Zugang zu relevantem Kapital gerade erleichtert. In der Schweiz wird von staatlicher Seite viel getan, um den FinTechs das Leben zu erleichtern (Stichwort FinTech-Lizenz und mehr). Die österreichische Szene profitiert von ihrer Fokussierung.      

Zugang zu Talenten
Home-Office ist – nicht zuletzt durch Covid-19 – gekommen, um zu bleiben. Diese zunehmende Selbstverständlichkeit, ortsunabhängig zu arbeiten, erhöht die Anziehungskraft internationaler Player wie Google und Co.. auf die hochqualifizierten Digital Natives. Aus einem wettbewerbsintensiven Arbeitnehmermarkt hat sich im gesamten DACH-Raum ein echter War for Talents entwickelt. In der kürzlich von McKinsey veröffentlichten Studie zu europäischen FinTechs "Made in Germany" wurde festgestellt: Um langfristig mit schwedischen und britischen Unternehmen konkurrieren zu können, müssten deutsche FinTechs für Kunden und Technologietalente aus dem Ausland attraktiver und zugänglicher werden.

Innovationskraft
Die vorhandene Innovationskraft wird speziell in Deutschland aktuell durch eine hauseigene und hausgemachte Skepsis ausgebremst. Regularien wie DSGVO werden von den Kunden zuerst als Bedrohung/Gefahr identifiziert.

Fazit

Obgleich die anspruchsvollen Rahmenbedingungen zu einer grundlegenden wirtschaftlichen Resilienz in der deutschen FinTech-Szene geführt und einen klaren Wettbewerbsvorteil ermöglicht haben, sollten sich deren Player nicht durch übertriebene Skepsis und Zurückhaltung unnötige Steine in den Weg legen. Springen diesbezüglich die Akteure über ihren Schatten, könnten FinTechs Made in Germany ihre wertvollen Assets wieder voll ausspielen.

In Österreich und in der Schweiz wirken keine vergleichbaren Komplexitäts-Hemmnisse, Schweizer und Österreicher punkten mit ihrer Innovationsfähigkeit, Konzentration aufs Wesentliche und durch investitionsfreudigere Kapitalgeber – vor allem in der Schweiz.

Der Autor: Jürgen Faè

Jürgen Faè, Gründer und CEO der Commitly GmbH

Jürgen Faè ist Gründer und CEO des FinTechs Commitly, einem Cloud-Dienstleister für Cashflow Management für KMUs in Deutschland.

Der Unternehmer widmet sich seit Jahren dem Thema Digitalisierung. Hauptfokus lag und liegt dabei auf der Vertiefung des Know-hows rund um das Thema Artificial Intelligence (AI) mit Abschluss einer Ausbildung im Bereich Machine Learning (Stanford). 

Faè hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in Management- und Leitungsfunktionen in internationalen Konzernen sowie als Vorstand und Aufsichtsrat in börsennotierten Gesellschaften. Unter anderem war er Mitglied des Executive Teams von Accenture im DACH-Raum.