Verwundbare Einzelkämpfer oder starker Bankenverbund

Liegt die Zukunft eines Finanzplatzes in der Kooperation – von Banken untereinander?

Eingangsportal einer grossen Bank
Bild: focusstock | Getty Images

Segelt jede Bank für sich allein, dürfte ein Bankenplatz in zehn Jahren anders aussehen im Vergleich zu einem Modell, in dem alle Banken am selben Strick ziehen.

Die meisten Banken kennen und nutzen die Vorteile von Kooperationen. Sie kooperieren mit Fin- und anderen Techs, kaufen Leistungen und Teams ein oder sie beteiligen sich an einem FinTech, das die digitalen Lösungen hat, welche die Bank selbst nicht schnell genug entwickeln kann.

Funktionieren Kooperationen gegen aussen schon ziemlich gut, finden sie gegen innen praktisch nicht statt. Dass Banken untereinander und miteinander kooperieren, gehört zu den seltenen Ausnahmen. Schade – und möglicherweise könnte das noch fehlende Mindset irgendwann in Form von Verlusten auf verschiedenen Ebenen für zahlreiche allein kämpfende Banken eher heftig durchschlagen.

Immerhin weiss jede Pfadfinderin und jeder Pfadfinder, mit oder ohne Uniform, dass ein solides Camp im Verbund schneller und sicherer aufgebaut und vor allem gegen alles Böse von aussen auch wirkungsvoller verteidigt werden kann. Banken wissen das nicht. Und falls doch, dann verhalten sie sich wider besseres Wissen völlig anders und bewirtschaften autonom ihren eigenen Garten – jede Bank für sich allein.

Unglaublich, welche riesigen Potenziale dadurch brachliegen und nicht genutzt werden. Ebenso unglaublich, welcher gewaltige Umfang von Ressourcen eingespart werden könnte, würden Banken neu auch gegen innen und untereinander kooperieren.

Warum sollten Banken das tun?

Aus vielen, sicher aber aus zwei offensichtlichen Gründen.

Zum einen: Eine Bank, die alles selbst erfindet, sämtliche Infrastrukturen und Systeme autonom betreibt sowie alle Services von Grund auf selbst organisiert und unterhält, betreibt die aufwendigste, personalintensivste und teuerstmöglichste Form von Banking. Das war in den letzten Jahrzehnten die Regel, das hat man sich auch leisten können. Heute ein Anachronismus, der in mehrfacher Hinsicht teuer bezahlt werden muss.

Zum anderen: Eine Bank, die alleine segelt, das gilt auch für grosse Banken, ist leichter angreifbar und wird schneller untergehen als eine starke Armada, die geschlossen im Verbund unterwegs ist und gemeinsam einen grossen Bankenplatz verteidigt.

Für beide Punkte gilt: Die Welt ist heute eine andere und die digitale Welt wird sich noch sehr viel stärker, schneller und gnadenloser verändern, als wir uns das bisher gewohnt waren.

Wer wollte denn eine alleinsegelnde Bank angreifen?

Der Angriff erfolgt nicht mit Kanonen und Pulverdampf, wie unser martialisches Beispiel der Armada suggerieren könnte, die Attacken kommen zu Beginn auf leisen Sohlen. Die neuen Anbieter tragen keine Nagelschuhe, sondern schnelle Sneakers, um beweglich zu bleiben. Diese Beweglichkeit wird zum Beispiel sichtbar durch neue Services, durch permanent verfügbare Leistungen, durch massiv erhöhtes Entwicklungs-Tempo, durch eine gewaltige Marketingpower, durch ein verändertes Kundenverhalten, durch massiv erhöhte Erwartungen und Forderungen aus dieser Ecke oder auch durch sehr tiefe Dienstleistungspreise und Gebühren. 

Die Front der Angreifer hat sich in den letzten Jahren stark erweitert. Die Angst vor FinTechs ist nur zum Teil begründet, zahlreiche Fin- und andere Techs sind oder werden eher Kooperationspartner. Big Techs wie Amazon, Facebook, Google, Apple und andere sind heute im Bereich der Services rund um Finanzen bereits deutlich sichtbar, sie holen jedoch erst richtig Anlauf. Und wer die Möglichkeiten und das Potenzial von Embedded Finance und dazu die schnell wachsende Angebots-Palette im Bereich der Banking as a Service-Produkte einige Schritte in die Zukunft denkt, darf sich begründete Sorgen machen.

Eine abgewandelte Form von Sharing Economy für Banken?

Eine gemeinsam entwickelte und betriebene Infrastruktur wäre ein guter Anfang, weil das für alle Beteiligten massive Kostenreduktionen bringt. Einsparungen, die notwendig werden könnten, um den Bankenplatz im Verbund wirkungsvoll zu verteidigen.

Später könnten Kreativpools und ebenso gemeinsame Srategien zum ungeliebten Thema Open Finance dazukommen, sogar zu Open Living, sofern die Kraft reicht. Um das Thema nicht zu strapazieren, heute nur ein erster Blick auf naheliegende Infrastruktur-Bereiche.

Die Geldautomaten

Jede Bank unterhält und betreibt ihr eigenes Netz von Geldautomaten. Das ist kostenintensiv – und noch nicht mal kundenfreundlich, weil: Nutzerinnen und Nutzer der Automaten werden immer noch mit zusätzlichen Gebühren bestraft, wenn sie nicht den Geldautomaten ihrer Bank frequentieren.

Auch das ist ein am Kunden vorbeigedachter Anachronismus. Kunden wollen nicht in erster Linie den Automaten ihrer Bank benutzen. Um es schonungslos zu sagen: das ist ihnen sogar ziemlich egal. Sie möchten einfach Geld beziehen. Gerne am nächsten Automaten, schnell und kostenlos. Und sie möchten auch weitere Dinge am Geldautomaten erledigen, was seit dem "ATMfutura"-Projekt von SIX auch möglich ist. 

Unterhalten alle Banken ein gemeinsames Geldautomaten-Netz mit umfassenden Leistungen, ist das nicht nur kundenfreundlich, sondern auch sehr viel kostengünstiger für die beteiligten Banken. Heute können Konsumenten an jedem Kiosk oder im Volg oder sonstwo Geld beziehen. Automaten bleiben praktisch, aber nur mit dichtem Netz und mit analogen Leistungen.

Die Filialen

Mit wenigen Ausnahmen bauen praktisch alle Banken Filialen ab. Das ist schlecht für Kundinnen und Kunden, entlastet jedoch die Kostenrechnung der Bank. In die verbleibenden Filialen wird jedoch kräftig investiert und Banken haben den Anspruch, über ihre Filialen nicht nur ihre Marke, sondern auch ihre Werte zu transportieren.

Kundinnen und Kunden wollen jedoch weder kilometerweit reisen, noch möchten sie unbedingt die Werte ihrer Bank transportiert bekommen. Sie haben schlicht den Wunsch, ihre Bankgeschäfte in erreichbarer Nähe erledigen können, analog und digital, schnell und unkompliziert.

Das Experiment der "Shared Branch" scheint in Grossbritannien, in Bezug auf Bankfilialen stark unterversorgt, gut anzukommen. Geteilte Filialen, betrieben am Schalter der Post, den die grössten Geldinstitute der Region mit Banking- und Beratungsdiensten beliefern. Unsere Kollegen von Finews haben die Vision der gemeinsam betriebenen Filialen kürzlich in einem lesenswerten Artikel ausführlich thematisiert, hier. Die "Shared Branch" ist ebenfalls Thema in der Financial Times (Paywall) hier.

Könnten Kundinnen und Kunden praktisch flächendeckend zum Beispiel in der Post, in der Migros, im Coop die wichtigsten Serviceleistungen ihrer Bank nutzen, wäre allen geholfen. Kunden empfinden den heutigen Abbau der Filalen nicht als Leistungsminderung, sie müssen nicht reisen, Bankgeschäfte könnten "im Vorbeigehen" erledigt werden und sämtliche beteiligten Banken realisieren massive Einsparungen. Dass eine stark reduzierte Zahl von grossen Beratungs- und Servicezentren erhalten bleibt, pro Bank oder idealerweise ebenfalls im Verbund mehrerer Banken, versteht sich von selbst.

Die Superbank

Das klug gedachte Konzept der Superbank zentralisiert Prozesse und Backoffice-Bereiche wie Zahlungsverkehr, Kredit-, Wertschriften- und Dokumentenverarbeitung sämtlicher Banken unter einem Dach, innerhalb einer gemeinsamen IT-Lösung.

Das Thema der Superbank ist bereits mehrmals diskutiert und immer wieder beerdigt worden. Nach Aussagen von SIX jeweils gescheitert an "unterschiedlichen Prioritäten, Systemen und Timings".

Möglicherweise ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, die bisherigen Unmöglichkeiten aus dem Weg zu räumen und das Thema der gemeinsamen Superbank neu zu denken. Zum Start vielleicht mit einer motivierenden Kalkulation, welche Steigerung an Performance und welche massive Reduktion von Kosten und Ressourcen zu realisieren wären, wenn nicht jede Bank für sich allein das Rad immer wieder neu erfindet und dieses Rad autonom am Drehen halten muss. Geld und Ressourcen, die frei werden für die wirklich grossen Herausforderungen der Zukunft und für anstehende Notwendigkeiten.

Schon alles?

Nein, das ist gedanklich erst ein guter Anfang. Die Bandbreite der Möglichkeiten und auch der Notwendigkeiten, um die Zukunft eines starken Bankenplatzes zu sichern, ist ungleich grösser.

Bei den kurz angerissenen Themen stehen nicht allein die erheblichen Sparpotenziale im Vordergrund. Es geht vor allem auch darum, Serviceleistungen sichtbar und spürbar für Kundinnen und Kunden auszubauen und wirklich kundenfreundlich zu gestalten. Lassen sich Services erweitern und gleichzeitig Kosten reduzieren, produziert das Gewinner auf Kunden- und auf Bankenseite. Zusätzlich werden die Hürden für neue Konkurrenten von ausserhalb deutlich höher gesetzt.

Verschiedene Banken werden auch auf unterschiedliche Weise wahrgenommen und bewertet. Im Moment macht sich jedoch zunehmend ein pauschales Vorurteil breit, das sich nicht zum Urteil auswachsen sollte: "Banken bauen ihre Leistungen laufend ab, dafür erhöhen sie in jedem möglichen Bereich die Gebühren".

Die wachsende Zahl der bekannten und noch nicht bekannten Angreifer wird diese Vorurteile wie auch Lücken in Komfort, Leistungen und Services gnadenlos zu nutzen wissen. Die Welle holt Anlauf und rollt an – einzelne Boote und Schiffe könnten ins Schlingern geraten, eine starke Armada mit gemeinsamen Zielen hat dem Ansturm mit vereinten Kräften etwas entgegenzusetzen.