Venture Capital

Die Zeit der gigantischen Finanzierungsrunden für FinTechs ist vorbei – die Zeit der grossen Summen nicht unbedingt

Eine junge Frau checkt ihr Smartphone und ihren Account eines Neo-Brokers
Bild: Trade Republic

Neo-Broker Trade Republic holt sich 250 Millionen Euro für die Entwicklung neuer Produkte – mit einem Seitenblick auf die Sicherung der Altersrenten.

Das Berliner FinTech bezeichnet sich selbst nicht als Neo-Broker, sondern positioniert sich vielmehr als "Europas grösste Sparplattform". Nicht von ungefähr hat Trade Republic rund 4'000 ETF-, Aktien- und Krypto-Sparpläne im Angebot. Provisionsfreie Trades und tiefe Mindesteinlagen ab 10 Euro haben den Neo-Broker bisher auf das Level von einer Million Anlegerinnen und Anlegern mit einem verwalteten Vermögen von sechs Milliarden Euro in sechs Ländern gehievt.

Neue Finanzierungsrunde für Trade Republic

2021 war das Jahr der Mega-Finanzierungsrunden, 2022 fliessen Risikokapitalgelder etwas spärlicher und vor allem nicht mehr in jede beliebige Richtung. Geld wird knapper, teurer und VC-Investoren agieren zurückhaltender – eine ausführliche Betrachtung zu FinTechs und Fundings gibt's hier

Grosse FinTechs mit hohen Bewertungen profitieren allerdings weiterhin vom Vorteil, dass ebenso grosse VCs den Geldhahn nicht einfach zudrehen – sie sind und bleiben involviert, die Chancen für den Zahltag bei einem Exit oder Börsengang sollen schliesslich intakt bleiben. Die gesprochenen Summen reduzieren sich jedoch von "gigantisch" in Richtung von "gross". Zudem stehen nicht mehr schnelles Wachstum und Expansion um jeden Preis im Vordergrund, profitables Wachstum wird zum Gebot der Stunde – und der Finanzierungsrunde.

Vor einem Jahr hat Trade Republic in einer Mega-Runde 900 Millionen US-Dollar eingesammelt, was zu einer Bewertung von 5 Milliarden US-Dollar geführt hat. Die aktuelle Finanzierungsrunde wird in Euro ausgewiesen – unter den neuen Vorzeichen hat das Berliner FinTech in einer Erweiterung der Finanzierungsrunde 2021 Series C in diesen Tagen 250 Millionen Euro eingesammelt und gibt eine Post-Money-Bewertung von 5 Milliarden Euro an. Auch die Bewertungen fallen neu etwas weniger fantasiegetrieben und moderater aus, im Frühling 2021 ist die Bewertung mit 5 Milliarden US-Dollar angegeben worden – der währungsbereinigte Anstieg bleibt nun überschaubar.

Warum ein Pensionsfonds gut in die Runde der Investoren passt

Bestehende Investoren wie Sequoia und andere haben ebenfalls dazugelegt, angeführt hat die aktuelle Runde jedoch Ontario Teachers', einer der weltweit grössten Pensionsfonds. Der Fonds verwaltet das Vermögen von 330'000 Lehrerinnen und Lehrern in Ontario (Kanada) mit einem weltweit investierten Nettovermögen von mehr als 240 Millarden kanadischen Dollar (190 Milliarden US-Dollar).

Die Verbindung von Ontario Teachers' und Trade Republic als "Europas grösste Sparplattform" dürfte auch eine programmatische Komponente haben. So wirft Christian Hecker, Mitgründer von Trade Republic, einen kritischen Blick auf das allgegenwärtige Thema der Sicherung der Renten und meint:

Wir befinden uns mitten in der Transformation der Rentensysteme in Europa

Welche Beiträge Trade Republic zu dieser Transformation leisten will, deutscht Hecker auch gleich aus:

«Diese Finanzierung wird uns dabei helfen, noch stärker in Technologie und Produkte zu investieren, die Millionen von Europäern ermöglichen, ihr Geld für sich arbeiten zu lassen»

Die Rentenlücke öffnet sich, privates Sparen gewinnt an Bedeutung

Das eigenverantwortliche Sparen dürfte in den nächsten Jahren wichtiger werden, um das lange Alter fröhlich und finanziell eher sorgenfrei verbringen zu können. Eine Einsicht, die sich hüben und drüben schon länger abzeichnet.

Ins selbe Sparhorn stösst Maggie Fanari, Managing Director und Global Group Head, High Conviction Equities, bei Ontario Teachers':

Wir sind begeistert von Unternehmen, die mittels Technologie die dringendsten Herausforderungen der Welt angehen

Was sie mit als "dringendste Herausforderung" identifiziert, macht Fanari mit dem nachgeschobenen Statement deutlich:

«Als Sparplattform demokratisiert Trade Republic den Zugang zu den Finanzmärkten für Millionen von Europäern, indem sie ihnen die Möglichkeiten für den Vermögensaufbau an die Hand gibt und hilft, an einer besseren finanziellen Zukunft zu arbeiten»

In Anbetracht der verstärkt geführen Diskussionen um die Folgen des demografischen Wandels mit Überalterung der Bevölkerung, Überlastung der Rentensysteme und mehr, berühren Hecker und Fanari den zentralen Punkt der privaten Vorsorge. Nicht der einzige, aber mit ein Grund, weshalb Neo-Broker sowie Spar- und Vorsorge-Plattformen auch in den nächsten Jahren alle Chancen haben, im Aufwind zu operieren.

Im Falle des aktuellen Fundings dürfte deshalb der Schulterschluss von Ontario Teachers' und Trade Republic über die Idee eines blossen Investments hinausgehen – mit dem Know-how eines grossen Pensionsfonds lässt sich bei Trade Republic in der Produktentwicklung einiges anfangen.