Die Schweizerische Bankiervereinigung bezieht Position zur PSD2

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Die SBVg nimmt Stellung zur PSD2, erachtet eine Regulierung als "unnötig, weil kein Handlungsbedarf besteht" und publiziert ein bemerkenswertes Positionspapier.

Die offizielle Schweiz hat die PSD2 da und dort im Ansatz thematisiert, bisher jedoch eher aus der abwartenden Position des Beobachters.

Das ist immer noch der Fall – mit einer Ausnahme: Aktuell hat sich die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) zum Thema klar geäussert und ein Positionspapier zur PSD2 veröffentlicht.
 

Klare Ablehnung durch die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg)

Die SBVg lehnt die PSD2 oder vielmehr eine analoge Regulierung zur PSD2 für die Schweiz ab und begründet ihre ablehnende Haltung zu einer "gesetzlich erzwungenen Öffnung der Zugriffsrechte für Dritte" mit den folgenden Argumenten (im Wortlaut zitiert aus dem Positionspapier der SBVg):

  • Eine PSD2-analoge Regulierung in der Schweiz ist unnötig, weil kein Handlungsbedarf besteht, der Wettbewerb funktioniert und die Banken schon heute (unabhängig von PSD2) zahlreiche innovative Lösungen anbieten. Ein regulatorischer Zwang zur Öffnung wäre ein unnötiger Eingriff in den funktionierenden Markt und würde zu einer Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten der Banken führen.

  • Das Thema Sicherheit der Kundendaten spielt im elektronischen Banking eine zentrale Rolle. Die höchste Sicherheit kann nur garantiert werden im Zusammenwirken von Kunde und Bank. Eine staatlich erzwungene Öffnung ist gefährlich, weil bankenspezifische Sicherheitsprinzipien nicht vollumfänglich adressiert werden und sich so Sicherheitslücken auftun.

  • Auf Seiten der Finanzinstitute würden zusätzliche Aufwände und Kosten in den Bereichen Sicherheitsstruktur und Compliance entstehen, die letztlich der Kunde bezahlen müsste.

Eine einseitige Öffnung der Zugriffsrechte für Dritte, wie es die PSD2 innerhalb der EU verlangt, ist ein Experiment auf Kosten der Bankkunden, das gefährliche Verwirrung schafft und die Datensicherheit der Kunden untergräbt. (Ende Zitat)

Liegt der Teufel im Detail?

Ja, sagt die SBVg, und verweist auf den momentan noch offenen Diskussionspunkt zwischen der EU-Kommission und EBA, welcher die Form Datenbeschaffung regelt. Aufgrund unterschiedlicher Positionen von Banken auf der einen Seite sowie von FinTechs und Drittanbietern auf der anderen Seite, ist aktuell noch in Abklärung, ob der Datenaustausch exklusiv über APIs oder parallel dazu auch über Screen Scraping zugelassen werden soll.

Die SBVg verweist in diesem Zusammenhang auch auf eine Lücke zwischen der PSD2 und den EBA-Richtlinien, weil die technische Konkretisierung aufgrund der offenen Fragen frühestens im Mai 2019 in Kraft treten könne.

Sicherheit und Datenschutz in Gefahr?

Die SBVg sieht die EU-Initiative der PSD2 und die damit verbundene "staatlich erzwungene Öffnung von Schnittstellen" als "wirtschaftliches Experiment auf Kosten der Sicherheit und des Datenschutzes". Die "grossen Gefahren im Bereich der Sicherheit" werden vor allem festgemacht am alternativen Zugang des Screen Scraping, als "ausgehändigter Blankocheck" mit vollem Zugang für Zahlungsauslösedienste zum Bankkonto des Kunden. Für den Kunden wäre, nach Ansicht der SBVg, zunehmend schwieriger zu erkennen, was mit seinen Daten geschieht, welche Rechte er hat und die Konsequenzen wären für den Kunden mit der erzwungenen Öffnung der Bankkonten schwer abzuschätzen. Dieses "Experiment auf Kosten der Bankkunden" würde "gefährliche Verwirrung schaffen und die Datensicherheit der Kunden untergraben".

Anmerkung der Redaktion: Eine der Kernideen der PSD2 ist, dem Kunden die volle und alleinige Kontrolle über seine Kontodaten zu geben. Ohne Verwirrung, aber mit klar mehr Verantwortung, welche in die Hände des Kunden gelegt wird. Deshalb verbunden mit der Freiheit, seine Daten auf expliziten Wunsch auch Drittanbietern zur Verfügung zu stellen. Das gilt auch für die im Moment noch ungelöste und umstrittene Frage von Screen Scraping als Alternative zur APIs.

Ziel verfehlt?

Ja, sagt die SBVg, mit dem Argument, dass die PSD2 nicht primär europäischen oder Schweizer Startups Nutzen bringen, sondern vor allem globalen Tech-Giganten in die Hände spielen würde. Diese nämlich könnten die Kundendaten auf ihren Plattformen aggregieren und genau damit würde die PSD2 ihr Ziel verfehlen.

Deshalb will die SBVg auf die Tradition der freiwilligen Investitionen setzen, in FinTech-Lösungen investieren und eng mit Startups und Lösungsanbietern aller Art zusammenarbeiten. Damit wären die Schweizer Banken, unabhängig von der PSD2, auf dem Weg, selbst und gemeinsam mit Partnern und FinTech-Unternehmen mögliche Anwendungen und innovative Lösungen zu entwicklen, welche den Kundennutzen stärken würden.

Marktgerechte Lösungen in der Schweiz ohne PSD2?

Darauf will die SBVg setzen und unterstreicht in ihrem Positionspapier wiederholt und explizit, dass die Schweiz die PSD2 weder direkt noch indirekt umsetzen muss. Zudem könnten Banken Kundenschnittstellen bereits heute öffnen, wenn das im Interessen von Bank und Kunde liegen würde. Im Weiteren verweist die SBVg darauf, dass Schweizer Banken heute schon und ohne regulatorischen Zwang zahlreiche innovative Bezahl- und Finanzverwaltungslösungen anbieten würden und führt im Besonderen die E-Rechnung, den Einzahlungsschein mit QR-Code und die Bezahl-App Twint als Beispiele an.

Längst fällig, jetzt Tatsache: Eine klare Ansage

Bisher hat keine der offiziellen Stellen zur PSD2 "so richtig" klar und unmissverständlich Stellung bezogen. Die Schweizerische Bankiervereinigung holt das nach und wird in ihrem Positionspapier sehr deutlich. Das ist zu begrüssen, weil damit der Spitzenverband des Schweizer Finanzplatzes klar Farbe bekennt und für seine 296 Mitgliedsinstitute eine gemeinsame Linie und Haltung vorgibt.

Die PSD2 als EU-Inititiative ist keine Regulierung, welche 1:1 für die Schweiz übernommen werden muss, das war immer schon klar. Ob jedoch eine PSD2-analoge Regulierung als Adaptation für die Schweiz sinnvoll sein könnte, ist durch die SBVg im September 2017 unmissverständlich mit "nein" beantwortet und als "unnötig" erachtet worden.

Unser Kommentar zur PSD2 und zu Open Banking in der Schweiz

Im Zentrum steht nicht die PSD2, es geht um deren Auswirkungen
Im Kern dreht sich die allgemeine Diskussion in der Schweiz weniger um die PSD2 und Regulierungen, vielmehr um die direkten Auswirkungen der PSD2: Open Banking und die damit verbundenen Möglichkeiten. Dadurch ist eine Entwicklung im Gang, die aller Voraussicht nach innerhalb der nächsten zwei Jahre Fahrt aufnimmt und innerhalb der nächsten fünf Jahre vieles verändern kann. Einfach deshalb, weil Bankkunden völlig neue Möglichkeiten geboten werden. In Form von neuen Leistungen, smarten Services und Tools, zusätzlichem Komfort in der Kombination von Dienstleistungen, Frontends mit zahlreichen und wählbaren Diensten und Anbietern in einer einzigen Ansicht und mehr. All das führt im Laufe der Zeit und möglicherweise schneller als erwartet auch zu neuen Ansprüchen und veränderten Verhaltensweisen von Bankkunden. Forderungen und Druck werden deshalb weniger von Regulatoren kommen, sehr viel stärker vom Markt selbst. Im Kern von "verwöhnten" Kunden, welche auf die Vielzahl neuer Angebote und Nutzungsmöglichkeiten reagieren, diese über kurz oder lang adaptieren und diesen neuen Standard dann von allen Banken erwarten.

Die Schweiz ist nicht EU, aber die Schweiz ist Europa
Innovationen, neue Angebote und top Lösungen auf freiwilliger Basis und "ohne regulatorischen Zwang" zu etablieren, erachten auch wir grundsätzlich als sehr gute Idee. Der Seitenblick auf das Umfeld und periphere Entwicklungen im Zusammenhang mit der PSD2, bleibt dennoch wichtig. Weil: Die Schweiz ist nicht EU, aber die Schweiz ist Europa. Und wie, die Schweiz ist mittendrin. Und so, wie die Schweiz im Moment den Zahlungsverkehr harmonisiert, um den nationalen und den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs auf neue Beine zu stellen, so kann wichtig werden, was sich rund um Schweiz im Open Banking und mit Open APIs abspielt.

In diesem Zusammenhang ein Zitat von Rolf Brüggemann, Mitglied der Geschäftsleitung der SBVg, der im März 2017 in Insight #1.17 ebenfalls einen Blick über die Schweizer Grenzen hinaus geworfen hat:

«Da die Schweiz aber keine Zahlungsverkehrsinsel darstellt, ist auch klar, dass die Schweizer Zahlungsverkehrsdienstleister über kurz oder lang mit den neuen Zahlungsverkehrsdienstleistern der EU konfrontiert werden, sei das weil sie direkt von solchen angegangen werden, sei das weil ein Kunde einer Schweizer Bank das Zahlungsangebot des neuen Zahlungsauslösedienstleisters in der Schweiz oder im Ausland nutzen möchte oder ein bestimmter Lieferant nur noch eine solche Zahlungsart zulässt. Es ist deshalb sicher nicht falsch, sich trotz Nichtanwendbarkeit der PSD2 in der Schweiz mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen.»

Wie viel Harmonisierung ist sinnvoll?
Aktuell ist der Branchenverband Swiss FinTech Innovations unterwegs, um mit SOFA eine offen API für die Schweiz zu schaffen. Parallel dazu forciert die Berlin Group mit der NextGenPSD2-Initiative eine Open API für Europa. Weitere Initiativen zielen in ähnliche Richtungen. Da sind Überlegungen sicher nicht ganz falsch, was das eine mit dem jeweils anderen zu tun haben könnte. Und auch, ob Harmonisierung im eigenen Land genügt oder ob Harmonisierung über Landesgrenzen hinaus grösseren Nutzen für Banken, Drittanbieter und damit vor allem für Kunden generieren könnte.

Die finale Antwort gibt der Markt
Strategien und Überlegungen sind das eine, klare Antworten und Forderungen der Märkte dann das andere. Innerhalb der Schweiz und innerhalb von Europa. Bleiben die Differenzen zwischen dem einen und dem anderen gering, sind die Weichen grundsätzlich gut gestellt. Gelingt es uns sogar, Antworten und Anforderungen aus den Märkten zu lesen und vorherzusehen, dann stehen sämtliche Zeichen auf Erfolg.

Deshalb stellen sich die wirklich wichtigen Fragen im Umfeld der PSD2 weniger zu Regulatorien, vielmehr zu Wünschen und Verhaltensweisen von Kunden, die sich in Zukunft eher stark verändern könnten. Und zu den Aktionen und Massnahmen von Konkurrenten. Im Zentrum steht die Frage: Wer wird wann in der Lage sein, mit wirklich innovative Beiträgen neuen und hohen Nutzen zu schaffen und damit Kunden zu überraschen? Um für bestehende und neue Kunden das Leben in sämtlichen Bereichen rund um Finanzen, Banking und mehr (!) einfach, leicht und komfortabel zu gestalten.

Wer am Puls der Märkte operiert und seine Leistungen wirkungsvoll kommunizieren kann, wird vorne mitspielen. Das war schon in der Vergangenheit der Fall. Und das wird auch in Zukunft so bleiben – mit neuen Hürden, die durch die PSD2 und deren Auswirkungen möglicherweise etwas höher gesetzt werden. Allerdings mit sehr spannenden Hürden, die sicher Herausforderungen bringen und dennoch nicht als Hindernisse gesehen werden müssen. Im Gegenteil, die Spielfelder werden grösser – und damit auch Potenziale und Chancen, die eigene Position neu zu definieren und zusätzliches Terrain zu besetzen.