Sind Sie schon gechipt oder bezahlen Sie noch mit dem Smartphone?

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Warum Todd Westby eine Chip Party organisiert und wie er mit RFID-Chips die Märkte erobern will.

Am 1. August 2017 steigt in River Falls, Wisconsin, eine Party. Das ist auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich, wir in der Schweiz feiern an diesem Tag ja kräftig mit. Allerdings begehen die Mitarbeiter von Three Square Market (32M) nicht unseren Nationalfeiertag, die lassen die Korken knallen, um sich chipen zu lassen.

Mehr Komfort und Umsatz durch implantierte Chips?

Three Square Market steht für Micro Markets, das sind schmucke Verpflegungsautomaten oder Mini-Kioske, die weitgehend automatisiert in Shops, Firmen und Büros Getränke und Pausensnacks bieten. 32M betreibt über 2'000 dieser Micro Markets in Europa, Asien und Australien. Dazu kommen mehrere tausend Mini-Kioske in Gefängnissen, welche durch die Schwestergesellschaft Turn Key Corrections betrieben werden.

Der auf Digitalisierung bedachte CEO von 32M, Todd Westby, hat eine Vision. Statt über separate Apps oder biometrische Fingerprints, wie bisher, sollen die Micro Markets über RFID-Chips ihre Kunden erkennen und über NFC Warenbezüge und Zahlungen verbuchen. Und weil die Chips winzig sind und nicht verloren gehen sollen, werden die eben einfach den Kunden implantiert. Zwischen Daumen und Zeigefinder, schnell und schmerzlos. Danach genügt es, die gechipte Hand in zehn Zentimeter Nähe zum Automaten zu bringen und die gewünschten Aktionen werden ausgelöst.

Als erste Kunden hat Westby seine Mitarbeiter im Visier, deshalb steigt am 1. August auf dem Firmengelände eine Chip Party. Das Chipen bleibt freiwillig, Chip-Muffel bekommen den Chip als Ring oder Armband. Der gewählte Rahmen einer Chip Party dürfte jedoch für eine gewisse "Einigkeit" sorgen – wer mag schon in ausgelassener Gesellschaft den Spielverderber markieren?

CEO Todd Westby verspricht sich durch diese Aktion einen starken Nachahmungseffekt auf Kundenseite und ist überzeugt, dass mehr und mehr Mitarbeiter seiner Firmenkunden dem Beispiel folgen werden. Idee und Technologie für das Chip-Programm stammen aus Schweden, die Firma Biohax International in Helsingborg pusht das Konzept mit dem Slogan: "Turning the Internet of Things into the Internet of Us!". Nach Aussage von Westby wäre 32M das erste verchipte Unternehmen in den USA und die Idee soll sich bei Firmen auf der ganzen Welt verbreiten.

Heftige Reaktionen

Heise Online hat als eine der ersten Informations-Plattformen die Pressemitteilung von 32M aufgenommen und verbreitet – und hat damit einen veritablen Shitstorm ausgelöst. Die Meldung erzeugte empörte Reaktionen bis hin zu den Grundsätzen der Menschenwürde, die man in Gefahr sieht und eher heftig diskutiert. Warum eigentlich?

Möglicherweise steht das oft angeführte Argument der gechipten Tiere im Wege. An gechipte Hunde und Katzen haben wir uns gewöhnt, an gechipte Menschen eben (noch) nicht. Vielleicht irritiert auch die "falsche" Reihenfolge. Wären Menschen immer schon gechipt worden und Tiere nicht, wäre bei der ersten Chip-Katze wahrscheinlich auch mit einem Sturm der Entrüstung zu rechnen. Weil die Würde des Tieres infrage gestellt wäre und die Katze nicht wählen kann. Menschen können aber wählen. Und das tun sie auch. Zum Beispiel auf Botox-Parties oder in Arztpraxen (Hormon- oder Verhütungsstäbchen) werden Dinge auf demselben Wege unter die Haut appliziert, die im Vergleich einen RFID-Chip nicht verwerflicher aussehen lassen.

Modell der Zukunft?

CEO Todd Westby ist davon überzeugt, dass sich die Idee durchsetzen wird. Zumal der RFID-Chip in Kombination mit dem NFC-Empfänger (Terminal) nicht nur Käufe und Zahlungen organisieren kann, das Spektrum reicht viel weiter. Westby zum Thema:

«Wir sehen den Einsatz der RFID-Technologie in zahlreichen Bereichen: Einkäufe und Zahlung an unseren Verpflegungsautomaten, Zutrittsregelung und Öffnen von Türen, Aktivierung von Kopiergeräten, Logins in PCs, Telefone freischalten bis zur Speicherung und Verwendung medizinischer Gesundheitsinformationen. Diese Technologie wird sich als Standard durchsetzen, so dass der RFID-Chip in Kombination mit NFC als Reisepass, Fahrausweis sowie für sämtliche Einkäufe genutzt werden kann. Wir sehen die Chip-Technologie als die nächste Evolution im Bereich der Zahlungs- und Identifikation-Systeme.»

Oder Modell der Gegenwart?

Für mich auf jeden Fall, weil ich zu den Menschen gehöre, die nicht nur Schirm und Mütze liegen lassen, ich vermisse auch immer wieder mal Schlüssel, Karten oder Smartphone. Deshalb gebe ich heute den Winkelried und springe mutig in die Bresche. Obwohl ich nicht weiss, wie sich ein gechipter Pudel fühlt, den Universalchip würde ich mir sofort implantieren lassen. Freiwillig. Ohne den Verlust meiner Menschenwürde zu befürchten. Im Gegenteil, nichts ist unwürdiger, als dauernd irgendwelche Dinge zu suchen, ohne die das Leben grad nicht weitergehen kann. Ein Minimalpiekser zwischen Daumen und Zeigefinger und mein Chip, den ich weder verlegen noch verlieren kann, öffnet Türen, bezahlt für mich und macht alle Passworte überflüssig. Deshalb, Todd Westby, falls an der Chip Party in River Falls, Wisconsin, noch ein Platz frei ist, ich bin dabei.

Bereits gechipt: Biohax International

Noch zu chipen an der Chip Party: Three Square Market

Eventuell auch chipfreudig: Turn Key Corrections

Stichworte zum Thema im Lexikon: NFC | Digitale Transformation