Mobile Payment ohne Inseldenken: WhatsApp lernt Bezahlen

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Warum Bezahlfunktionen in Messenger- und Chat-Umgebungen Erfolg haben werden. Und wen Mark Zuckerberg mit Facebook in diesen Tagen sonst noch frontal angreift.


Mobiles Bezahlen ohne Inseldenken

Mobile Bezahllösungen haben es bei Kunden immer dann etwas schwer, wenn sie als isolierte Apps und damit als Produkt daherkommen. Kunden wollen weder bezahlen noch neue Produkte, sie wünschen sich Komfort. Deshalb wird eine Bezahllösung dann als Komfort empfunden, wenn sie im genau richtigen Zusammenhang und Umfeld einfach zur Verfügung steht. Als Nebensache, die jetzt gebraucht wird. Messenger- und Chat-Umgebungen sind ideale Umfelder und Verstärker für Bezahllösungen. Zahlungen können im direkten Gespräch oder Chat mit Freunden, Shops oder Lieferservices ausgelöst werden, ohne die App wechseln zu müssen. Das ist Komfort. Und Komfort kommt an.

WhatsApp Payments

Dieser Ansicht ist auch Mark Zuckerberg von Facebook, der seinem Messenger WhatsApp neu das Bezahlen beibringt (technische Details publiziert von WABetaInfo). Vorerst nur in einem Testmarkt. Allerdings mit Indien in einem riesigen Mark mit rund 200 Millionen WhatsApp-Nutzern. Zudem ist die indische Bevölkerung sehr affin für Mobile Payments und auch die Regierung unterstützt jede Initiative, welche Bargeldtransaktionen in digitale Kanäle verlegen. Der von der indischen Regierung installierte Dienst Unified Payment Interface (UPI) kann von Drittanbietern genutzt werden. UPI macht sofortige Geldtransfers von Bank zu Bank möglich. P2P-Zahlungen bekommen mit WhatsApp ein passendes Umfeld und mit Indien einen interessanten Testmarkt.

Der neue Service wird mittelfristig mit Sicherheit nicht auf Indien beschränkt bleiben. WhatsApp hat aktuell 1,3 Milliarden aktive Nutzer weltweit, 250 Millionen davon nutzen den Service täglich. WhatsApp ist vor allem bei jungen Menschen beliebt, die Nutzerzahlen bei den 14- bis 19-Jährigen gehen teilweise bis knapp 90 Prozent, je nach Land. Seit 2014 gehört WhatsApp Facebook.

Frontalangriff (in Vorbereitung) gegen: Mobile Payment- und P2P-Insellösungen, je nach Ausbau in Zukunft möglicherweise verstärkt auch Banken mit "normalem" Zahlungsverkehr

Vorteil für: Benutzer von Messenger-Diensten, welche im richtigen Umfeld und situitiv zahlen möchten, ohne die App zu wechseln

Hinzugefügt: Das ist noch nicht der schnelle Tod von anderen mobilen Bezahlmethoden, wie zahlreiche Experten befürchten, sondern vielmehr ein Beschleuniger, um breite Zielgruppen ans mobile Bezahlen heranzuführen. Davon könnten auch andere Anbieter profitieren. Längerfristig jedoch sind Insellösungen gefährdet.

Facebook ist mit der Welt verbunden

Zumindest mit einem beträchtlichen Teil der aktiven und digitalen Welt. Alles, was Facebook lanciert, richtet sich an inzwischen 2 Milliarden aktive Facebook-Nutzer weltweit. 1,3 Milliarden davon schauen täglich in ihren Account. Diese Zahlen darf man sich auf der Zunge zergehen lassen – sie zeigen, welche Hebelwirkung neue Features und Leistungen von Facebook haben können, sofern sie im Markt ankommen und genutzt werden. Facebook agiert aktuell sehr offensiv und nutzt den Verstärker von zwei Milliarden Kunden.

Marketplace von Facebook

Facebook lanciert "Marketplace" – auf diesem Marktplatz können Facebook-Nutzer Dinge verkaufen oder auch nach Artikeln suchen und Gegenstände kaufen. Der neue Marketplace wird in diesen Tagen zeitgleich in der Schweiz und in weiteren 15 europäischen Ländern gestartet. Facebook hat seit gut einem Jahr Erfahrungen mit dem Marketplace in den USA und in wenigen anderen Testländern gesammelt und rollt den Service nun breiter aus. Nach Aussagen von Deborah Liu, Leiterin Marketplace bei Facebook, sind in den Testmärkten allein im Mai 2017 gut 18 Millionen Artikel eingestellt worden. Eine Masse, die traditionelle Marktplätze und Auktionsplattformen beunruhigen dürfte. Zumal auch hier das Kaufen und Verkaufen innerhalb derselben Plattform stattfindet, welche User ohnehin frequentieren.

Der Marktplatz für Einzelstücke oder gebrauchte Objekte ist kostenlos, Einnahmen werden durch Werbung generiert. Und Service gehört mit dazu, Angebote in geografischer Nähe des Users werden mit Priorität angezeigt. Direktes Bezahlen über den Messenger ist zum Start nicht vorgesehen, wird jedoch mit Sicherheit kommen.

Frontalangriff gegen: Ebay, Ricardo und andere Marktplätze, Amazon zum Teil (andere Positionierung), Kleinanzeigen-Märkte Print und Online von Verlagshäusern

Vorteil für: Käufer und Verkäufer, welche auf Facebook nun auch privat handeln können, ohne die Plattform zu wechseln

Watch von Facebook

Wer Videos zeigt, kann zusätzliche Werbeeinnahmen generieren. Google demonstriert das mit Youtube jeden Tag in einem gewaltigen Rahmen. Deshalb macht Facebook die schon länger kolportierten Gerüchte wahr und schafft Tatsachen: Facebook lanciert die neue Videoseite "Watch".

Videos haben bei Facebook bisher schon eine wichtige Rolle gespielt, allerdings eher "unkoordiniert". Mit exklusiv produzierten neuen Formaten in den Bereichen Unterhaltung, Sport, Reisen, Comedy, Wissen und mehr will Facebook seine User ans Smartphone oder an den PC binden. Dazu kommen Live Shows von Bloggern, die heute schon auf Youtube Erfolge feiern. Die Facebook Community darf auch mitmachen und wird an den Werbeeinnahmen ihrer persönlichen Video-Beiträge beteiligt. Die Formate sollen in eher kurzen Episoden produziert werden, damit Besucher dranbleiben und zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit gut unterhalten sind.

Watch startet vorerst in den USA, weitere Märkte werden ziemlich sicher eher schnell folgen.

Frontalangriff gegen: Youtube (Google), TV-Sender

Vorteil für: Werbekunden, die Werbeeinblendungen werden durch die neue Konkurrenz tendenziell günstiger

Technologie-Konzerne im Auge behalten

Facebook tickt im in der Betrachtung von Entwicklung, Services und Marketing ähnlich wie Apple, Google oder Amazon. Im Kern liest sich die Rezeptur einfach: Bestehende Wünsche von Kunden erkennen und erfüllen. Neue Wünsche von Kunden "lesen", bevor sie den Kunden selbst bewusst sind, entsprechende Tools und Services bereitstellen. Das eine wie das andere als Feature oder Funktion mit hohem Nutzen und mit einfachem Handling konzipieren, viel Komfort mitgeben und innerhalb eines Ökosystems in den Markt stellen. So, dass individuell nutzbare Services in Verbindung zueinander stehen und Nutzern das Leben einfach machen.

Das gelingt manchmal besser oder schlechter, oft gelingt es sehr gut. Eine Strategie und eine Denke, auf deren Spuren jeder Anbieter segeln sollte. Weil das keine Erfindung der Technologie-Riesen ist, es ist schlicht gutes und professionelles Marketing. Die Technologie-Konzerne wenden diese Formel nur sehr viel konsequenter an als viele andere Anbieter. Deshalb bauen sie ihren Erfolg aus.

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