Fünf Fragen an Rino Borini zu PSD2 und Open Banking

Rino Borini, Financialmedia
Bild: Rino Borini, Financialmedia

Wie sehen Branchenexperten die Auswirkungen der PSD2 und die Bedeutung von Open Banking für die Schweiz? Heute: Rino Borini, Co-Founder Finance 2.0 und Financialmedia.

Die PSD2 bewegt Europa und Open Banking schafft neue Spielregeln. Auch in der Schweiz? Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat ihre Haltung gefunden, definiert und kürzlich mit einem Positionspapier konkret Stellung bezogen. Unsere Redaktion nimmt aktuell den Puls der Branche – wir haben Experten aus verschiedenen Lagern um ihre Meinung zum Thema gebeten.

Exponenten aus dem Umfeld von Banken, FinTechs, Verbänden, Beratung, Medien und Recht nehmen Stellung. Ihre Statements bringen wir laufend in unserer Serie:

Fokus Schweiz | Meinungen zur PSD2 und zu Open Banking

Fünf Fragen an Rino Borini von Financialmedia

Welche Auswirkungen hat nach Ihrer Betrachtung die EU-Regulierung PSD2 für die Schweiz?

Die Schweiz ist ein souveräner Staat und kann tun und lassen was sie will. Und das ist auch gut so. Wir sind aber ein globaler Finanzplatz, haben eine Banking-DNA und sollten weltweit ein Vorreiter werden der neuen Finance 2.0-Welt. Doch das geht nicht mit Abschottung und Eigenbrötlerei. Was passieren kann: Es wird ein zunehmender Druck entstehen und weiterhin werden innovative FinTech-Konzepte im Ausland entstehen statt hierzulande. Wenn die Schweiz künftig innovative FinTechs, vielleicht sogar Leuchttürme, und moderne Bankdienstleistungen haben will, geht das mit Abschottung nicht. Banken, die künftig relevant sein wollen, die öffnen sich, sind ein Teil dieser neuen Finance 2.0-Welt und haben ihren Platz – vielleicht sogar noch einen besseren als heute. Aber letztlich geht es nur um den Schweizer Bankkunden.
 

Welche Bedeutung messen Sie Open Banking für den Finanzplatz Schweiz zu?

Open Banking ist Zukunft! Da kann man sich nicht verschliessen, heute und morgen nicht. Doch die Zukunft ist eben schon da und durch das exponentielle Wachstum geht alles ein bisschen schneller. Es geht um API-Ökonomie – und in dieser Welt steht an der Spitze der Kunde. Finanzmarktakteure, die das nicht sehen, haben nicht verstanden, was Kundenzentriertheit bedeutet. Natürlich gibt es viele Fragen in Bezug auf Sicherheit und Datenschutz und das ist auch ganz zentral. Aber einfach Türe zuschliessen bringt nichts.

Nicht nur in der EU gibt es mit der PSD2 dazu eine Regelung, auch UK hat mit Open Banking klare Signale gesetzt. Der UK-Regulator ist auch im Wortlaut ziemlich klar: «Making Banks work harder for you», und genau um das geht es. Open Banking würde unseren Bankenplatz fit für die Zukunft machen, Arbeitsplätze schaffen und hat das Potenzial, wirklich FinTech hierzulande zu betreiben. Übrigens, Banken sind auch FinTechs.
 

Die SBVg bezieht Stellung und lehnt eine PSD2-analoge Regulierung für die Schweiz ab. Welche Signale werden dadurch gesetzt? Ist das ein Vorteil, ein Nachteil oder bleibt eine fehlende PSD2-analoge Regulierung ohne Auswirkungen für die Schweiz?

Das Papier ist so ein falsches Zeichen, letztlich für den Kunden und Startups. Das wirkt nach Abschottung und nicht nach «wir wollen den besten Finanzplatz der Schweiz haben». Digitalisierung ist kein nationales, sondern ein globales Thema. Für mich scheint es, dass der Paradigmenwechsel in vielen Köpfen noch nicht angekommen ist: von Anbieterzentriertheit zu Kundenzentriertheit, von CRM zu CMR: Customer Managed Relationship. Dabei müsste die Schweiz doch nicht PSD2 übernehmen, im Gegenteil. Wir könnten eine Regulierung – und ich bin wirklich für weniger Regulation – noch besser machen: schlanker, sicherer, innovativer. Aber die Argumentation der SBVg hinkt bei einigen Punkten.

Natürlich können die Banken die Kundenschnittstelle heute schon öffnen, doch was ist ihre Motivation dahinter? In welchem Tempo sind sie bereit, einen Open-Banking-Ansatz zu verfolgen? Wie viele Banken können das überhaupt? Und welche C-Levels haben das wirklich verstanden? Gewiss gibt es einige Institute, die bereits an solchen Konzepten arbeiten, wie zum Beispiel die Hypothekarbank Lenzburg, und auch reale Kundenlösungen sind da, wie beispielsweise der Case UBS und Bexio. Eine Randbemerkung zur Stellungnahme der SBVg: Die aufgeführten Beispiele sind aus meiner Sicht nicht innovativ, sondern einfach Standard (Beispiel SGKB + Qontis, E-Rechnungen etc.). Da lohnt sich ein Blick über die Landesgrenze.
 

Wird die PSD2 in ihren Auswirkungen generell überbewertet oder ist es tatsächlich eine umwälzende Neuerung?

Open Banking ist ein Game Changer. Das heisst auch, der Druck wird grösser werden für Banken, aber auch für FinTechs. Denn im Bereich Datenschutz und Sicherheit darf nicht gespart werden. Hier geht es um Vertrauen und jetzt kommt der wichtige Punkt: Das ist ein Riesenvorteil der Banken. Unternehmerisch betrachtet würde man also diesen Vorteil ausspielen, anstatt eine Mauer bauen. Ein Verwalter hingegen schützt seinen Vorteil und schröpft so lange ab, bis der Vorteil zum Nachteil wird. Also Open Banking fordern und fördern und zwar aus Sicht des Kunden und nicht aus Sicht eines möglichen künftigen, kleineren Gewinnpools des Instituts. Banken können sich neu aufstellen und letztlich auch neue Ertragsquellen erschliessen.
 

Welche Rolle wird Open Banking in fünf Jahren in Europa im Allgemeinen und in der Schweiz im Besonderen spielen?

Wie eine Welt in fünf Jahren aussieht, wissen wir alle nicht. Aber es wird ganz klar Fremdanbieter und FinTech-Unternehmen im Finanzbereich geben, die an einem bestimmten Teil der Wertschöpfungskette einen Platz haben und Kunden gewinnen werden. Letztlich entscheidet der Kunde, welche Dienstleistungen er von welchem Anbieter haben will. Das soll doch nicht die Finanzindustrie "befehlen", sie soll effizienter werden und konsequent End-to-End digitalisieren und diesen Effizienzgewinn dem Kunden weitergeben. Und die Banken 2.0 haben das erkannt und kooperieren weiter mit FinTechs und bieten letztlich dem Kunden hoffentlich ein nie dagewesene Customer Experience. Diese Institute haben weiterhin einen festen Platz.
 

Was wir nicht gefragt haben, was jedoch Ihrer Meinung nach zum Thema PSD2 oder Open Banking unbedingt gesagt gehört:

Wir sollten gemeinsam den Finanzplatz, in allen Facetten, weiterentwickeln. Eigenbrötlerei bringt nichts, das haben wir im Case Paymit und Twint gesehen. Von Anfang an die Weichen richtig stellen und gemeinsam vorwärts gehen. Zudem: Digitalisierung heisst, dass eine Wertschöpfungskette aufgebrochen wird, das kann auf lange Sicht auch keine Bank verhindern. Open Banking kommt und wer das nicht glauben will, soll sich folgendes überlegen: Asking a banking CEO what he thinks of "Open Banking", is like asking a Kodak Film CEO, what he thinks of the Digital Camera. Anders formuliert: Wir fahren zwar immer schneller, aber schauen dabei immer in den Rückspiegel. Das ist gefährlich.

Der Interviewpartner: Rino Borini

Rino Borini ist Co-Founder der Finance 2.0 und der Financialmedia. Borini ist Experte auf dem Gebiet von Digital Finance und stellt über die Plattform Finance 2.0 regelmässig die Themen FinTech und InsurTech in den Mittelpunkt. Eine Plattform, die für Innovation und Technologie im Finanzbereich steht und zu den wichtigen Treffpunkten in Europa gehört. 

Rino Borini leitet zudem an der HWZ Zürich den CAS Digital Finance. Als Verleger des Punkt Magazins fokussiert er auch im Printbereich auf Wirtschaftsthemen.