«Das ist ein Angriff mitten ins Herz des Bankgeschäfts»

PSD2: Hans Geiger im Gespräch mit Lukas Hässig von Inside Paradeplatz
Bild: Getty Images | Mike Watson Images

Bankenprofessor Hans Geiger im Gespräch mit Lukas Hässig über die Auswirkungen der PSD2. Und weshalb sich auf dem Weg vom Experimentalstadium zur gelebten Praxis viele Probleme von selbst lösen werden.


"Eine Revolution – und keiner spricht davon"

Der ehemalige Bankenprofessor und Wirtschaftswissenschaftler Dr. Hans Geiger beleuchtet im Gespräch mit Lukas Hässig, Inside Paradeplatz, den Kern der PSD2 und wundert sich:

«Der Zahlungsverkehr wird aufgebrochen, das Monopol der Banken aufgehoben, Banken sind nur noch Buchhaltungsstellen – und in der Schweiz reden wir überhaupt nicht von der PSD2»

Lukas Hässig fasst im Dialog mit Geiger die PSD2 zusammen als «Horrorszenario für Banken, das in sieben Monaten vor der Türe steht». Hans Geiger seinerseits ist überzeugt davon, dass die PSD2 und damit Open Banking auch in der Schweiz eingeführt werden, unabhängig vom nicht bindenden Charakter der EU-Direktive.

Knackpunkt Services und Infrastruktur

Richtigerweise ebenfalls thematisiert von Hässig und Geiger – ein Knackpunkt, der im Gespräch mit Banken zur PSD2 immer zum Diskussionsgegenstand wird: Wie werden die Leistungen der Banken vergütet? Drittparteien im Zahlungsverkehr werden ihren Kunden kostengünstige Zahlungs-Services und Informations-Dienstleistungen anbieten und damit Banken konkurrenzieren – ironischerweise über deren eigene Systeme. Das heisst, Drittanbieter nutzen die Infrastruktur der Banken, ohne dass Gebühren oder Leistungsverrechnung klar geregelt wären. Ein Thema, das noch für rote Köpfe sorgen könnte. Weil heute schon klar ist, dass Banken und Drittanbieter auch in diesem Punkt von völlig unterschiedliche Vorstellungen ausgehen.

Knackpunkt Screen Scraping

Kein Diskussionspunkt im Gespräch zwischen Hans Geiger und Lukas Hässig, aber passend zum Thema der unterschiedlichen Vorstellungen von Banken und Drittanbietern: der Streitpunkt des Kontenzugangs über den Kanal des Online Bankings (Screen Scraping), den Drittanbieter weiterhin nutzen möchten. Zusätzlich und als Alternative zur API, welche die Bank zur Verfügung stellen muss. Um nicht auf Gedeih und Verderb dem mehr oder weniger vorhandenen guten Willen der jeweiligen Bank ausgeliefert zu sein. Der alternative Kanal des Screen Scraping macht Drittanbieter unabhängiger, nimmt jedoch gleichzeitig den Banken die Hoheit über die Steuerung der Zugriffe von aussen.

Diese Debatte ist noch nicht final entschieden. Die Europäische Kommission steht jedoch aktuell der Haltung der Drittanbieter eher näher und will den Zugang via Screen Scraping unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin ermöglichen.

Vom Experimentalstadium zur gelebten Praxis

Abhängig von Position und Sichtweise, ist bei diesen Meinungsdifferenzen die Haltung beider Parteien nachvollziehbar und auch verständlich. Die PSD2 ist neu und als verordnete Direktive fast schon revolutionär. Open Banking als europaweite Praxis mit völlig neuen Möglichkeiten ist aktuell erst eine Idee im Experimentalstadium. Und der Schock sitzt bei zahlreichen Banken noch tief, dass sie quasi über Nacht eine ihrer wichtigsten Ressourcen, die Kundenschnittstelle, mit Dritten teilen müssen. Kein Wunder, dass sich die vermeintlichen Kontrahenten, Drittanbieter und Banken, argwöhnisch beäugen und (noch) nicht über den Weg trauen. Deshalb kämpft im Moment jede Seite bei der Kundenschnittstelle um grösstmögliche Autonomie.

Haben sich PSD2 und Open Banking erst einmal eingespielt, haben die einzelnen Mitspieler ihre Positionen gefunden und bezogen, funktionieren Kontenzugriffe innerhalb der definierten Regeln schnell und verzögerungsfrei, brauchen diese Abgrenzungs-Diskussionen nicht mehr geführt zu werden. Zumal die neuen Regeln unterschiedslos für alle Beteiligten neue und hervorragende Chancen bieten. Gerade weil im Zentrum von PSD2 und Open Banking weder Banken noch Drittanbieter stehen, sondern vielmehr eine einzige und die wichtigste Partei: Kunden. Wer diese Kunden mit Komfort und neuen Services überrascht, wer mit bestehenden und neuen Geschäftsmodellen operiert, welche Kunden und Betreibern Nutzen bringen, der wird die eigene Position sichern und ausbauen. Das können Banken sein, das können Drittanbieter sein, vieles wird intelligenterweise über Kooperationen entschieden. Damit werden vermeintliche Kontrahenten zu Partnern.

Open Banking wird längerfristig mit Sicherheit über Open APIs als Standard funktionieren, die behinderungsfrei so offen ausgelegt sind, wie das alle Beteiligten auch erwarten dürfen. Screen Scraping wird dann, wenn überhaupt, nur noch als Notnagel dienen, für den Fall, dass Hauptsysteme Probleme machen. Drittanbieter haben bis dann auch genügend Zeit, ihre eigenen Systeme von Screen Scraping auf Open APIs anzupassen und umzustellen. Das verursacht Aufwände und Kosten, bringt im Resultat jedoch allen Beteiligten gemeinsame Standards. Ein zentrale Voraussetzung für europaweit reibungslos funktionierende Systeme, welche als Plattform für Innovationen und neue Finanzdienstleistungen Markt und Aktionsradius erweitern – für Kunden, für Banken und für Drittanbieter.

Stichworte zum Thema im Lexikon: PSD2 | API | Open Banking | Screen Scraping | Access to Account

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