CS-Präsident António Horta-​Osório

Schwache Nummer einer grossen Nummer

António Horta-Osório, Präsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse
António Horta-Osório, Präsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse (Bild: Credit Suisse)

Eine befristete Quarantäne gehört zu den Massnahmen, um die Corona-Pandemie einzudämmen. Quarantäne-Regeln sind verplichtend für alle – oder doch nicht?

Nimmt sich der CS-Präsident António Horta-​Osório von der verordneten Quarantänepflicht aus, ist das in mehrfacher Hinsicht erstaunlich. Dabei geht's noch weniger um den Verstoss an sich, mehr um die Haltung eines VR-Präsidenten und die damit verbundene Botschaft.

Was ist passiert?

Nach der Einreise aus einem Risikoland (Grossbritannien aufgrund der Omikron-Fälle) wünscht Horta-​Osório eine Befreiung von der Quarantäne oder zumindest eine Verkürzung der auferlegten zehn Tage. Nach Recherchen von Blick wird das eine wie das andere zuerst vom Kanton, dann auch vom Bund vehement verweigert: "Keine politische Instanz würde einem Manager in dieser Phase der Pandemie eine Sondergenehmigung erteilen, so der Bescheid." Die Fakten hat der Blick recherchiert und online im Detail publiziert, die Kurzzusammenfassung der Kollegen vom Blick hier als Zitat:

  • Er reiste im Privatjet aus London ein
  • Er wollte eine Befreiung von der Quarantäne
  • Trotz Nein der Behörden reist er aus
  • Nach Recherche von Blick gibt er den Verstoss zu und entschuldigt sich
  • Unterdessen hat sich Horta-​Osório selber angezeigt

Die Reaktion des Präsidenten und seiner Bank

Der Vorfall wird bedauert. Das Statement von Horta-​Osório: «Es ist mir wichtig, die Schweizer Quarantänevorschriften einzuhalten, und ich habe dies von der Ankunft in der Schweiz am 28. November 2021 bis zur Abreise auch sorgfältig getan. Alle Sitzungen, die ich in der Schweiz abhielt, wurden virtuell abgehalten, ebenso wie meine öffentliche Rede, die ich letzte Woche in Zürich hielt.» Horta-​Osório unterstreicht, er habe «unbeabsichtigt gegen die Schweizer Quarantänebestimmungen verstossen», indem er die Schweiz am 1. Dezember vorzeitig verlassen habe: «Ich bedaure diesen Fehler aufrichtig. Ich entschuldige mich und werde dafür sorgen, dass dies nicht wieder vorkommt.»

Hier bleiben Fragezeichen erlaubt. Wer explizit abklären lässt, ob eine Ausnahmeregelung möglich ist und offenbar ebenso explizit zwei Mal ein Nein erhält, sollte über den Rahmen der Regeln im Bilde sein. Zudem und auf den ersten Blick einleuchtend: Soll eine mögliche weitere Verbreitung des Virus durch eine vorsorgliche Massnahmen verhindert werden, schliesst diese Massnahme die Schweiz und den Rest der Welt mit ein. Bekanntermassen ist die Corona-Pandemie ein weltweites Problem und die Ausbreitung des Virus soll in alle Richtungen eingedämmt werden.

Dazu kommt: Der Bäcker um die Ecke muss sich seine Informationen aus Medienberichten oder über Google aus dem Internet holen. Ein Top Banker ist umgeben von Spezialisten aus allen erdenklichen Bereichen, die jede Wissenslücke zu Corporate Governance oder zur Corporate Social Responsibility ungefragt und aus dem Stehgreif füllen können. 

Die Stellungnahme der Credit Suisse: «Credit Suisse bedauert, dass es im Zusammenhang mit der Reisetätigkeit ihres Präsidenten zu einem Verstoss gegen die Quarantänebestimmungen gekommen ist. Die Einhaltung der geltenden Gesetze und Richtlinien hat für Credit Suisse und für den Präsidenten persönlich höchste Priorität.»

Ob Unwissenheit, Ignoranz oder blosse Nachlässigkeit im Vordergrund stehen – es ist angerichtet und wird trotz schadensbegrenzender Statements Auswirkungen haben.

Das Image wird leiden und das Vorbild verliert an Glanz

Die rechtlichen Konsequenzen stehen nicht im Vordergrund, eine mögliche Busse bis zu CHF 5'000 werden weder den VR-Präsidenten noch die Credit Suisse in Nöte bringen. Deutlich brisanter sind die gesendeten Signale, welche dem Hoffnungsträger der Credit Suisse und seiner von ihm selbst formulierten Funktion als Vorbild eher kräftig am Lack kratzen könnten. Weil zu Recht erwartet wird, dass Spitzenmanager ihrer selbst definierten Rolle als Vorbild nicht nur in schönen Worten, sondern auch in Taten nachleben. Geschieht das nicht, verlieren die Vorbilder an Glanz und Glaubwürdigkeit.

Was denken knapp 50'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn ihr oberster Boss Regeln, die für sie alle gelten, für sich selbst – wissentlich oder aus Versehen oder "unbeabsichtigt" – neu und anders definiert? Wie kommt dieses Signal in einer ohnehin schon sehr aufgeladenen und auch gereizten Pandemie-Stimmung bei der breiten Öffentlichkeit an, die nun schon seit Monaten mit Begriffen wie Solidarität und Verantwortung sowie mit Forderungen in Richtung von "da müssen wir gemeinsam durch", "jeder muss seinen Beitrag leisten" in die Pflicht genommen wird? 

Millionen von Menschen nehmen diese Appelle, die mit Verzicht und Einschränkungen verbunden sind, sehr ernst. Zumal im Zusammenhang mit der Omikron-Variante weitere Bedenken und neue Ängste mit im Spiel sind. Keine Frage, dass sie dasselbe Verhalten gerade auch von Wirtschaftsführern und Top Bankern erwarten und einfordern. Ob diese die an sie gestellten Erwartungen aus Unwissenheit, Ignoranz, versehentlich, "unbeabsichtigt" oder aus einem Mangel an Sensibilität für das öffentliche Empfinden nicht erfüllen, schafft nur gerade noch graduelle Unterschiede – es ändert nichts am entstandenen Gefühl, dass abgegebene Versprechen nicht eingelöst werden.