FinTechs & Banken

FinTech-Markt Schweiz: Weniger neue FinTechs, aber die Früchte reifen schneller

Cover der IFZ FinTech Study 2020
Bild: IFZ FinTech Study 2020

Mit der "IFZ FinTech Study 2020" hat die Hochschule Luzern eine hervorragende Übersicht und aktuelle Momentaufnahme der Schweizer FinTech-Branche publiziert.

Den hochinteressanten Befund zur Lage der FinTechs und des Gesamtmarktes Schweiz hat das Autorenteam des Instituts für Finanzdienstleistungen (IFZ) der Hochschule Luzern in einen sehr ausführlichen Bericht gepackt. Die "IFZ FinTech Study 2020" wird als nachgeführte Studie vom IFZ jährlich herausgegeben und erscheint 2020 bereits in der fünften Auflage.

Die Autoren fassen wesentliche Erkenntnisse in drei Punkten zusammen:

1. Der Markt hat an Wachstumsgeschwindigkeit eingebüsst.

2. Die Branche ist reifer geworden.

3. Ein Muster zeichnet sich bei den Akteuren der Branche ab: Tech-Firmen beginnen den Finanzunternehmen den Rang abzulaufen.

Das Jahr 2019 bewerten die Studienautoren insgesamt als "ein weiteres Rekordjahr für die Schweizer FinTech-Industrie".

Ein Rekordjahr trotz verlangsamtem Wachstum?

Ja, unterstreicht das IFZ, hat Ende 2019 insgesamt 382 FinTech-Unternehmen in der Schweiz gezählt und damit eine Wachstumsrate von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr festgestellt. Der Eindruck des verlangsamten Wachstums entsteht nur gerade im Vergleich zum sehr markanten Sprung von 2017 auf 2018 – damals mit einem aussergewöhnlich hohen Wachstum von 62 Prozent.

Nahezu 70 Prozent der Schweizer FinTech-Unternehmen bieten Lösungen im Produktbereich des Investment-Managements oder der Banking-Infrastruktur an. Zu den am häufigsten angewendeten Technologien gehören die Prozess-Digitalisierung, Automatisierung und Robotics sowie die Distributed-Ledger-Technologie (zum Beispiel Blockchain).

Die FinTech-Industrie ist reifer geworden

Der erhöhte Reifegrad lässt sich unter anderem durch zwei interessante Entwicklungen untermauern: Zum einen hat die durchschnittliche Anzahl der Jobs und Stellen pro Unternehmung zugenommen, FinTechs beschäftigen zunehmend mehr Mitarbeiter. Zum anderen sind die Finanzierungsvolumen gewachsen.

Thomas Ankenbrand, Studienleiter und Dozent an der Hochschule Luzern, zum Thema:

Diese Entwicklung kann auch auf die guten Rahmenbedingungen für FinTech-Unternehmen in der Schweiz zurückgeführt werden

Auch international ist die Schweizer FinTech-Industrie gut positioniert – die Schweizer Städte Zürich und Genf befinden sich unter den drei führenden Städten des aktuellen globalen FinTech-Hub-Rankings.

Die Analyse verschiedener führenden FinTech-Hubs zeigt zudem einen positiven Zusammenhang zwischen den Joint-Venture- und Venture-Capital-Aktivitäten eines Landes und der relativen Grösse des FinTech-Sektors.

Passen FinTech-Anwendungen zu den Wünschen der Kunden?

Die Studie stellt fest, dass "FinTechs reale Probleme lösen sollten, die Industrie teilweise jedoch noch nach relevanten Anwendungen suchen" würde. Die erkennbare Strategie, im gesättigten Schweizer Finanzmarkt Mehrwerte durch tiefere Preise oder mehr Komfort und Benutzerfreundlichkeit zu schaffen, scheint allein nicht unbedingt zu verfangen. Zumindest, so die Studie, würden viele FinTech-Unternehmen mit der Herausforderung kämpfen, (genügend) Kunden zu begeistern.

Als Beispiel für relevante Anwendungen, welche neue Bewegung bringen können, nennen die Studienautoren die Distributed-Ledger-Technologie, welche ihre Bedeutung für den Finanzsektor allerdings noch nicht unter Beweis gestellt hat. In der Finanzindustrie konnte sich bisher noch keine solche Anwendung breitflächig durchsetzen. Studienleiter Ankenbrand sieht in diesem Bereich Chancen und meint:

Zukünftig könnte diese Technologie jedoch effiziente, transparente und rückverfolgbare Datenmarktplätze ermöglichen

Läuft "Tech" in Zukunft "Fin" den Rang ab?

Zu diesem Thema spinnen die Autoren einen interessanten Gedanken und erkennen in "Tech", im Verhältnis zu "Fin", den primären Treiber der Zukunft.

Sieben der zehn global grössten Unternehmen (gemessen an der Marktkapitalisierung per 2019) gehören der Kategorie der BigTechs an. Diese Tatsache unterstreicht die Relevanz von Technologie-getriebenen Geschäftsmodellen, halten die Autoren fest.

Die steigende Bedeutung von "Tech" gegenüber "Fin" wird auch in den Ergebnissen der Analyse von den von Schweizer FinTech-Unternehmen angewendeten Ertragsmodellen ersichtlich (Grafik unten). Diese zeigen eine zunehmende Tendenz hin zur Anwendung von IT-typischen Ertragsmodellen. Über die Hälfte der Schweizer FinTech-Unternehmen wenden als Ertragsmodell Lizenzgebühren oder Software-as-a-Service- Lösungen (SaaS) an.

Die Autoren schliessen daraus, dass die Bedeutung der IT-typischen Modelle im Vergleich zu den Ertragsmodellen aus dem traditionellen Banking zunimmt. Jedoch wird von Schweizer FinTech-Unternehmen das Kommissionsgeschäft weiterhin am häufigsten verfolgt.

Schweizer Banken: Innovationsdruck nimmt zu

Die Autoren sehen für die Zukunft "ein paar Pioniere, welche den technologischen Lead übernehmen". Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass die Schweizer Banken bei "Change-the-Bank"- Aktivitäten zurückhaltend sind und der Implementierung von FinTech-Lösungen eine tiefe Priorität zuweisen.

Aktuell, so die Studie, tauchen aber die ersten Challenger-Banken im Schweizer Markt auf. Solche Vorreiter fördern die Verbreitung von technologischer Innovation in der Finanzbranche. Diese Entwicklung, zusammen mit dem wachsenden Angebot an Finanzdienstleistungen von zahlreichen konkurrierenden BigTech- und FinTech-Unternehmen, könnte den Innovationsdruck auf traditionelle Finanzdienstleister in der Zukunft weiter erhöhen, glauben die Studienautoren.

Die Studie zum Runterladen

Der Überblick über die Schweizer FinTech-Industrie ist hochinteressant und mit einem Umfang von 186 Seiten dieses Jahr auch sehr ausführlich ausgefallen. Die Studie "IFZ FinTech Study 2020" kann kostenlos als PDF runtergeladen werden, über den Link gleich unten.