PSD2 und die Schweiz

= Payment Services Directive 2

PSD2 in Europa

PSD2 ist die erweiterte Zahlungsdienste-Richtlinie des Europäischen Parlaments, welche ab 13. Januar 2018 in Kraft tritt. Eine Regulierung, die sämtliche Banken im EU-Raum verpflichtet, Drittparteien Zugriff auf Kundenkonten zu gewähren – über APIs, welche die Bank zur Verfügung stellt.

PSD2 und die Schweiz

Die Schweiz als Nicht-EU-Staat ist nicht verpflichtet, die Regulierung zu übernehmen. Allerdings: Für ein Land mitten in Europa sind gemeinsame Standards wichtig. Deshalb wird die PSD2 mittelfrisitig auch in der Schweiz in adäquater Form eine Rolle spielen, zum Beispiel in Form einer angepassten PSD2-analogen Auslegung. Dieser Weg ist (September 2017) von der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) abgelehnt worden – die Zukunft wird zeigen, wohin die Reise geht.

Seit Anfang 2020 ist von der SBVg und auch von anderen involvierten Kreisen eine offenere Haltung gegenüber Open Banking zu beobachten, jedoch in eher kleinen Schritten. Am Prinzip der Freiwilligkeit will man in der Schwei festhalten, was einer angepassten PSD2 für die Schweiz keine Chancen gibt.

Die PSD2 bleibt jedoch ein breit diskutiertes Thema, auch in der Schweiz, weil die direkte Auswirkung der PSD2, Open Banking, sämtliche Banken betrifft, unabhängig von Regulierungen. Open Banking gab's bisher schon, allerdings nicht in der Breite und Tiefe, welche in den nächsten Jahren zu erwarten ist. Deshalb bleibt die PSD2 sicher aus Gründen des Wettbewerbs ein Thema – die Regulierung setzt Standards, etabliert neue Marktteilnehmer mit neuen Angebotsformen, führt zu veränderten Nutzerverhalten und höheren Ansprüchen von Bankkunden – ein Druck und ein Sog, dem sich die Schweiz kaum entziehen kann. Die Frage ist, ob die Schweiz Open Banking aktiv mitgestaltet oder erst auf Druck von Kunden und Märkten reagiert.

Die Haltung der offiziellen Schweiz zur PSD2

Die PSD2 ist nach Lesart der offiziellen Stellen für die Schweiz in keiner Weise verbindlich, weil es sich um eine EU-Initiative handelt, welche die Schweiz nicht betrifft. Diese Betrachtung ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die direkte Auswirkung der PSD2, Open Banking, sich grenzüberschreitend entwickeln und vor den Schweizer Grenzen nicht Halt machen wird. Der Druck dürfte vom Markt kommen und deshalb bleibt die Schweiz von der PSD2 und ihren Auswirkungen indirekt tangiert. In Zukunft möglicherweise stärker, als heute vermutet.

Haltung im November 2016
Von Seiten EFD/SIF (Eidgenössisches Finanzdepartement | Staatssekretariat für internationale Finanzfragen) und FINMA (Eidgenössische Finanzmarktaufsicht) wird die PSD2 nicht oder noch nicht als zentrales Thema traktandiert. Aktuell besteht auch bei der SBVg (Schweizerische Bankiervereinigung) und bei SIX (SIX Management AG) noch kein Anspruch auf die Themenführerschaft. Wir haben uns im November 2016 bei den genannten offiziellen Stellen erkundigt, gemeinsamer Tenor: das Thema wird wohl beobachtet, man erkennt in der PSD2 jedoch primär Fragen des Wettbewerbs und delegiert die Verantwortung für Umgang und mögliche Massnahmen an die einzelnen Banken. Eine gemeinsame Strategie ist nicht vorhanden.

Aktualisierung September 2017
Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) bezieht Stellung zur PSD2 und hat ein Positionspapier verfasst. Tenor: Eine PSD2-analoge Regulierung in der Schweiz wird als "unnötig" erachtet, man setzt auf "marktgerechte Lösungen in der Schweiz auch ohne PSD2".

Die Haltung der SBVg ist in einem Artikel von Rolf Brüggemann, ehemaliger Leiter Tax, Legal & Compliance und Regulatory, nachzulesen. Einen Kommentar zum Thema und auf das Positionspapier der SBVg zur PSD2 (inzwischen nicht mehr öffentlich einsehbar), haben wir hier publiziert.

Unsere Anfrage im Oktober 2017 bei weiteren offiziellen Stellen ist mit der Auskunft beantwortet worden, dass man im Moment dabei wäre, eine Haltung zu entwickeln, konkrete Stellungnahmen würden folgen, später.

Aktualisierung Februar 2020
Eine überraschende Öffnung der Schweizerischen Bankiervereinigung gegenüber dem Thema Open Banking (nicht gegenüber der PSD2) hat Richard Hess, Leiter Digitalisierung, in seinem Artikel "Open Banking als Chance für den Finanzplatz" zum Ausdruck gebracht.

Die Haltung der Schweizer Finanzbranche zur PSD2 und zu Open Banking

Unsere Redaktion hat im Oktober 2017 einen Querschnitt der Finanzbranche zum Thema PSD2 und Open Banking befragt. Wir haben Branchenexperten und Exponenten der Schweizer Finanzindustrie fünf Fragen gestellt. Hat die Schweiz eine gemeinsame Haltung? Oder prallen völlig unterschiedliche Auffassungen aufeinander?

In unserer Serie Fokus Schweiz | Meinungen zur PSD2 und zu Open Banking nehmen Exponenten aus dem Umfeld von Banken, FinTechs, Verbänden, Beratung, Medien und Recht Stellung zu einem wegweisenden Thema.

Die juristische Sicht der Dinge

Juristen ausserhalb der offiziellen Stellen sind sich nicht ganz einig, inwieweit die PSD2 für die Schweiz als Nicht-EU-Land über die SEPA-Teilnahme möglicherweise mittelfristig doch bindende Auswirkungen haben oder zumindest Druck zur "freiwilligen Übernahme" generieren könnte – oder ob "nur" wettbewerbsrechtliche Belange tangiert sind. Eine ausführliche und interessante Auslegeordnung zur PSD2 hat die Zürcher Kanzlei Bühlmann Rechtsanwälte im November 2016 vorgenommen:

Offizielle Stellen stehen auf dem Standpunkt, dass es sich bei der PSD2 um eine europäische Direktive handelt, die keine direkte Anwendung in der Schweiz entfalten muss. Juristen teilen diese Ansicht nur bedingt. Die eine wie die andere Haltung berührt jedoch nicht unbedingt den wirklich zentralen Punkt: der Markt spielt nach eigenen Regeln. Und wie man die PSD2 auch sehen mag, deren Auswirkung stehen sehr viel stärker im Zentrum. Open Banking wird Märkte, Geschäftsmodelle, Strukturen, Kunden und deren Verhalten verändern.

Stolpersteine der PSD2

Die PSD2 enthält aktuell noch gewisse Widersprüche und auch Stolpersteine, zum Beispiel in Bezug auf Sicherheit, Haftung und auch Verfahren. Dennoch ist die Regulierung kein Minenfeld, sie stellt den Markt und damit Banken lediglich vor (lösbare) Probleme.

Die Schweiz könnte hier mit einer PSD2-analogen Regulierung Signale und Zeichen setzen, Lösungen und Wege vorschlagen und sich damit auch von dieser Seite zum aktiven Player an vorderster Front positionieren.

Ein bisschen Open Banking genügt nicht

Die Diskussion wird seit 2017 auch in der Schweiz engagiert geführt. Klare Statements in Form eines Positionspapiers liegen (April 2018) jedoch erst von der Schweizerischen Bankiervereinigung SBVg (heute nicht mehr öffentlich einsehbar) sowie von Swiss Finance Startups und Swiss FinTech Innovations vor, EFD/SIF, FINMA oder auch SIX haben sich lange Zeit bedeckt gehalten.

Heute (Stand Mai 2021) lässt sich zusammenfassen: In Sachen Open Banking und APIs laufen unterschiedliche Initiativen von verschiedenen Seiten, welche das Thema auch in der Schweiz vorwärts bringen sollen. Der Schweizer Finanzplatz erkennt in Open Banking Chancen und Möglichkeiten, bleibt jedoch in einer offenen Auslegung des Themas weiterhin zurückhaltend. Eine PSD2, angepasst für die Schweiz, ist nach wie vor kein Thema.

Open Banking mit innovativen Services, neuen Möglichkeiten und Kundenzentriertheit ist sicher die Zukunft. Open Banking wird sich jedoch kaum explosionsartig ausbreiten und über Nacht in voller Breite und Tiefe zur Verfügung stehen. Kundenverhalten, neue Wünsche von Konsumenten und Angebote von Finanzdienstleistern stehen in Wechselwirkung, beeinflussen sich gegenseitig und werden sich in ersten Phasen eher langsam entwickeln.

Allerdings: die flache Kurve wird ansteigen und irgendwann dürften sich Open Banking und vor allem auch Open Finance exponentiell ausbreiten. Wer dann bereit ist und diese Entwicklung aktiv mitgeprägt hat, wird profitieren. Wer zu lange passiv beobachtet hat, könnte in Schwierigkeiten geraten.

Neue Geschäftsmodelle, Technologie, Prozesse und Marketing erfordern in der Entwicklung viel Zeit und Ressourcen – beides steht dann möglicherweise nicht (mehr) zur Verfügung stehen. "Ein bisschen" Open Banking und eine Prise Open Finance werden wahrscheinlich nicht genügen. Kunden, Markt und Konkurrenten orientieren sich an den Besten – und diese Besten werden das Geschehen dominieren und die Entwicklung weiterhin prägen.

Konsequenzen und Veränderungen in den Märkten

Europa öffnet das Banking, der Markt spielt mit geänderten Regeln und nutzt neue Möglichkeiten. Zahlreiche Finanzinstitute im Europäischen Zahlungsraum haben die PSD2 nicht abgewartet und arbeiten bereits seit längerem mit Open Banking, bieten APIs und binden Kooperationspartner ein. Die PSD2 wird starke Auswirkungen haben, welche zahlreiche Bereiche im Banking und im Zahlungsverkehr massiv tangieren.

Definierte Rahmenbedingungen, möglicherweise notwendige regulatorische Leitplanken und vor allem eine gemeinsame Haltung zur PSD2 und damit zum Thema Open Banking sind für Schweizer Banken und FinTechs wichtig, um planen und agieren zu können. Die PSD2 und Open Banking verändern Spielregeln, Märkte, Anbieter, Ansprüche, Kundenverhalten, Geschäftsmodelle und Angebotsvielfalt in ganz Europa – und damit auch in unserem Land. Wünschbar bleibt, dass die Schweiz mit Innovationen in der ersten Reihe mitspielt und nicht als Nachzügler versuchen muss, bereits besetztes Terrain zurückzuerobern.

PSD2 und Open Banking in Europa

History, Entwicklung und Stand der PSD2 im EU-Raum. Und was die direkte Auswirkung der PSD2, Open Banking, für die europäischen Banken bedeutet.