Vor einigen Wochen sorgte die deutsche Bundesregierung mit der Veröffentlichung ihrer Blockchain-Strategie für Schlagzeilen. Dies ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass ein EU-Mitgliedstaat die teilweise komplexen rechtlichen und regulatorischen Fragen, die sich aus der Blockchain-Technologie ergeben, sorgfältig prüft. Dies wird zu Recht als ein bemerkenswerter Schritt in der laufenden Weiterentwicklung des Rechts- und Regulierungsrahmens für diese neue Technologie angesehen.
Blockchain als "Baustein des Internets der Zukunft"
Von der breiten Vielfalt der in der Publikation behandelten Themen, werden die Positionierung zu digitalen Assets für viele wahrscheinlich von besonders grossem Interesse sein. Wie ein Kollege des EU Blockchain Observatory and Forum zusammenfasst, hat die deutsche Bundesregierung mehr oder weniger "grünes Licht" für Blockchain-basierte Wertpapiere, traditionelle Krypto-Assets wie Bitcoin und Ether und möglicherweise sogar einen zukünftigen Krypto-Euro gegeben. Gegen private Stablecoins wie Facebooks Libra wehrt sie sich hingegen stark. Zudem will die Bundesregierung untersuchen, inwieweit eine Unveränderbarkeit bei der Speicherung von Daten und Dokumenten mit Hashwerten bei der Beweisführung gegeben sein muss. Das Papier nennt Blockchain einen "Baustein des Internets der Zukunft" und skizziert eine Vielzahl von Regierungsinitiativen, um mit Blockchain auch Innovationen in einer Reihe von Bereichen zu fördern – vom Recht an geistigem Eigentum bis zur digitalen Identität.
Die deutsche Regierung ist natürlich nicht die einzige, die sich mit dem rechtlichen, regulatorischen und politischen Ansatz zur Blockchain beschäftigt. Es scheint, dass fast jeden Tag Nachrichten über ein neues nationales Blockchain-Gesetz, eine Entscheidung über einen Aspekt der Einhaltung von Krypto-Assets, Steuern oder Ankündigungen nationaler Blockchain-Richtlinien veröffentlicht werden.
Eine Einordung der Blockchain im regulatorischen Umfeld
Bei so vielen Neuigkeiten passiert es leicht, sich in den täglichen Entwicklungen zu verlieren. Viele schauen dabei nur nach links und rechts, um zu verfolgen, was die anderen innerhalb ihres Themas machen. Welche Rechtsprechungen liegen bei der bei der Blockchain-Politik "vorne" und welche "hinken hinterher", welche sind nachsichtiger oder strenger.
Wie jeder bedeutende technologische Durchbruch bringt die Blockchain "neue Dinge in die Welt". Wie wir in unserer jüngsten Publikation auf dem EU-Blockchain Observatory and Forum betonen, besteht kein Zweifel daran, dass viele der Merkmale, die die Blockchain innovativ machen, auch Spannungen mit bestehenden rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen verursachen können.
Doch das Ausmass dieser Spannungen kann übertrieben werden. Blockchain als Technologie ist weder so radikal neu, dass sie völlig ausserhalb der regulierbaren Reichweite der Regierungen liegt, wie einige behaupten, noch ist sie so transformativ, dass sie ein vollständiges Umdenken und Umschreiben der aktuellen Rahmenbedingungen erfordert.
Vielmehr wird die Blockchain, wie neue Technologien vor ihr, die vorherrschenden Denkweisen herausfordern und ihrerseits von ihnen herausgefordert werden, wodurch Evolution und Anpassung in beiden Bereichen vorangetrieben werden. Technologie und Gesetzgeber haben eine lange Geschichte der Entwicklung und Anpassung, die auf die Industrielle Revolution zurückgeht – und es gibt wenig Grund zu der Annahme, dass es dieses Mal anders sein sollte.
In Anbetracht dessen sollten diejenigen, die daran interessiert sind, aktuelle Entwicklungen in einen breiteren Kontext zu stellen, einige der folgenden Punkte berücksichtigen.
Themen und Fragen zur Blockchain in zwei übergeordneten Kategorien
Die Blockchain-relevanten Themen, mit denen sich Gesetzgeber und Behörden auseinandersetzen müssen, lassen sich in zwei grosse Kategorien einteilen.
Die erste Kategorie betrifft Fragen, die sich aus einigen der grundlegenden Merkmale der Technologie selbst ergeben. Dazu zählen insbesondere Dezentralisierung, Pseudonymität/Anonymität, Unveränderlichkeit und Automatisierung. Mit Blockchain können theoretisch grosse, öffentliche, pseudonyme (oder sogar anonyme), dezentrale Netzwerke aufbaut werden, die in beliebiger Anzahl oder Situation eingesetzt werden können. In einem solchen Umfeld kann es schwierig sein, grundlegende rechtliche und regulatorische Funktionen zu gewährleisten, wie etwa die Bestimmung des in einer bestimmten Situation anwendbaren Rechts oder die Durchsetzung von Regeln.
Die zweite Kategorie betrifft Fragen, die sich aus Blockchain-basierten Smart Contracts ergeben. Diese werden entweder zur Darstellung rechtsbindender digitaler Vereinbarungen oder zur Herstellung von Artefakten mit rechtlichen Konsequenzen, wie digitale Vermögenswerte oder dezentrale autonome Organisationen (DAOs) verwendet. Hier stehen die Behörden vor der Frage, wie sie neue Formen digitaler Assets kategorisieren können, welche rechtsgültigen Vereinbarungen, Transaktionen und Daten auf der Blockchain gespeichert sein könnten oder wie aktuelle Rechtskonzepte auf computercodierte autonome Agenten, welche rechtsverbindliche Kauf- und Verkaufsentscheide ohne menschliche Beteiligung fällen, anwenden können.
Die Phase des "Kennenlernens" als Prozess
Obwohl diese Fragen heikel sein können, sind sie keineswegs unüberwindbar. Im Laufe der Zeit können wir davon ausgehen, dass die Regulierungsbehörden die "Instrumente" weiterentwickeln, die sie benötigen, um Blockchain-basierte Plattformen effektiv zu regulieren und gleichzeitig die Innovation weiter zu unterstützen. Da die Regulierungsbehörden immer mehr über diese Technologie erfahren, ist zu erwarten, dass sich die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen weiterentwickeln.
Denn genau das passiert gerade. Die aktuelle Situation kann als Phase des "Kennenlernens" in der Beziehung zwischen Blockchain und Gesetzgeber verstanden werden. Eine Phase mit vielen Schritten, die nicht immer koordiniert oder kohärent, aber Teil eines grösseren Prozesses sind.
Wie in diesen Bericht beschrieben sind wir der Meinung, dass politische Entscheidungsträger und Unternehmen so weit wie möglich die Regeln für das gemeinsame Engagement festlegen sollten. Die Regulierungsbehörden sollten weiterhin Leitprinzipien festlegen, um private Investoren anzuziehen, den Verbraucherschutz und die Bürgerrechte zu gewährleisten und Schutz vor wettbewerbswidrigen Praktiken zu bieten. Gleichzeitig kann der Privatsektor Initiativen ergreifen, um die branchenweite Interoperabilität und die Einhaltung der bestehenden Rechtsvorschriften und der allgemeinen Ziele des öffentlichen Sektors sicherzustellen, wie etwa die Erhebung von Steuern oder die Verfolgung illegaler Aktivitäten.
Und was bedeutet das für uns in der Schweiz?
Als Heimat des Crypto Valley sind die Schweizer seit langem Vorreiter in der Blockchain-Technologie. Die Schweizer Behörden zählen zu den Pionieren auf dem Gebiet der Kryptowährung und der Blockchain-Regulierung.
Dem Bericht einer Expertenkommission zufolge hat das Land vor kurzem damit begonnen, Teile des Rechtsrahmens unter Berücksichtigung von Blockchain zu verändern. Die Schweiz hat zudem den weltweit ersten beiden universellen Kryptobanken Lizenzen erteilt und gleichzeitig "Swiss-finished" Anti-Geldwäschegesetze erlassen, die verglichen mit den Vorschlägen der Global Financial Action Task Force (FATF) aus dem vergangenen Jahr deutlich strenger sind.
Aber all das sind lediglich Anpassungen, keine neue Gesetzgebung. Der Ansatz der Schweiz war schon immer prinzipienbasiert und technologieneutral. Und auch beim Thema Blockchain bleibt sie ihren Prinzipien treu.
Die Schweizer Behörden sind der Meinung, dass ihre rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen bereits gut geeignet seien, um die Innovationen der Blockchain zu fördern. Regulierungsbehörden können demnach als Wachhund dienen und trotzdem Innovationen in der Kryptofinanzierung ermöglichen.
Zudem verfügt die Schweiz über keine Blockchain-spezifische Technologiepolitik. Vielmehr nimmt die Blockchain ihren Platz neben anderen aufstrebenden Technologien als Teil der umfassenderen digitalen Strategie des Landes ein.
Das soll nicht heissen, dass das Schweizer Modell für alle geeignet ist. Es geht vielmehr darum, dass wir in Anbetracht der aktuellen Schlagzeilen erkennen können, wie Blockchain und das Gesetz langsam eine gemeinsame Basis finden. Wir können zuversichtlich sein, dass dies auch weiterhin der Fall sein wird.
Genau wie wir heute das Internet ohne schwerwiegende rechtliche Bedenken oder Einschränkungen nutzen, so werden in Zukunft auch Kryptowährungen, digitale Vermögenswerte, intelligente Verträge und selbstbestimmte Identitäten vor dem Gesetz anerkannt und ein selbstverständlicher Teil unseres Lebens sein.