Kann die europäische Zahlungslösung EPI Visa und Mastercard tatsächlich die Stirn bieten?

Das Logo der europäischen Zahlungsinitiatve EPI
Bild: EPI

Die European Payments Initiative (EPI) verfolgt das Ziel, die Vormachtsstellung von Visa, Mastercard und anderen Tech-Unternehmen zu brechen.

Zahlungsverfahren und alltäglich Shopping-Zahlungsströme werden durch US-amerikanische Unternehmen dominiert. Europa hat kein eigenes einheitliches Zahlungsverfahren und keine Infrastruktur, die mit jener von Visa, Mastercard und anderen Tech-Unternehmen vergleichbar wäre.

Das ist der Grund, warum in praktisch allen Geldbörsen und Brieftaschen von Konsumentinnen und Konsumenten in Europa eine oder mehrere Karten von Visa, Mastercard oder American Express stecken. Daran stören sich die Nutzerinnen und Nutzer nicht, politische und wirtschaftliche Kreise aber schon.

Aus diesem Unbehagen heraus ist die European Payments Initiative (EPI) entstanden. Hinter der EPI stehen europäische Zahlungsdienstleister und Banken, die ein einheitliches Zahlungsverfahren für Kunden und Händler in Europa schaffen wollen, eigene Bezahl-Infrastruktur inklusive. Unterstützt wird die EPI von der Europäischen Zentralbank (EZB) und von der Europäischen Kommission.

Was hat die europäische Zahlungsinitiative bisher erreicht?

Die EPI arbeitet seit 2020 im Mantel der EPI Company in Brüssel. Mit leeren Händen steht die EPI nicht da. Dennoch überwiegen die guten Nachrichten im Vergleich zu den konkreten Ergebnissen.

Eine dieser guten Nachrichten ist, dass das neue europäische Zahlungssystem Anfang 2024 in mehreren ausgewählten Ländern in die Pilotphase gehen soll. Vorgesehen war der Start bereits Ende 2023 in den Niederlanden, in Belgien Frankreich und Deutschland, nun soll's 2024 losgehen. Der genaue Fahrplan ist jedoch noch nicht bekannt.

Erste erfolgreiche Sofortzahlungen sind immerhin Mitte Dezember 2023 zwischen Kunden der Banque Populaire und Caisse d'Epargne (Groupe BPCE) in Frankreich und der Sparkasse Elbe-Elster Bank in Deutschland durchgeführt worden. 

Bei der breiteren Einführung hofft die EPI auf die Wirkung der zugekauften Unternehmen. EPI hat im Herbst 2023 den niederländischen Zahlungsdienstleister iDEAL und den Technologie-Anbieter Payconiq International in Luxemburg akquiriert. Der Zahlungsabwickler iDEAL hat in den Niederlanden vor allem im E-Commerce eine starke Marktposition, verfügt über ein Netzwerk von aktuell mehr als 230'000 Händlern und verzeichnet über 1.2 Milliarden Transaktionen pro Jahr. 

Dennoch scheint die EPI noch ziemlich weit entfernt zu sein von der Vision, bis 2028 oder früher in Europa eine flächendeckende Zahlungslösung im Markt zu haben, die mit hoher Akzeptanz breit eingesetzt wird.

Im Zentrum dieser Zahlungslösung steht "Wero", eine digitale Smartphone-Wallet. Mit Karten und Wallet soll Bezahlen sehr einfach, komfortabel und vor allem auch vielseitig werden. P2P, Bezahlen im Laden, Sofortzahlungen in Online-Shops und mehr soll möglich werden. Im Kern alles, was Konsumenten und Handel von einer digitalen Bezahl-Lösung erwarten, die Zahlungen instant abwickelt. Für Konsumenten funktioniert die Lösung angebunden an ihr Bankkonto, das bei jeder Art von Zahlung direkt belastet wird. Im Kern wie eine Debitkarten-Lösung, nur eben mit Instant Payment-Ausrichtung. 

Wero will die gängigen Bankkarten in Europa ersetzen, zudem soll Wero auch zur ernstzunehmenden Konkurrenz für Visa, Mastercard und anderen Tech-Unternehmen werden. Die CEO von EPI, Martina Weimert, ist weiterhin überzeugt von der europäischen Lösung und auch aus Verbänden und den Reihen involvierter Banken werden positive Signale gesendet.

Am Optimismus und am guten Willen der involvierten Partner fehlt es offensichtlich nicht. Ist das genug, um Wero als Konkurrenz und als Alternative zu den US-amerikanischen Dominatoren in Europa zu etablieren?

Die EPI hat ihre Ziele 2022 allerdings etwas revidiert. Man will nicht einfach dasselbe bieten, was Visa und Mastercard stark gemacht hat. Die Ausrichtung auf Sofortzahlungen und Konto-zu-Konto-Verbindungen sollen dem europäischen Zahlungssystem ein eigenes Gepräge geben.

Was der EPI beim Europa-Marathon im Wege stehen und den erfolgreichen Zieldurchlauf verhindern könnte

Die Trägerschaft der EPI verzeichnet seit ihrer Gründung eine hohe Fluktuation. Bei diesem Kommen und Gehen sind in den letzten Jahren wichtige Partner abgesprungen, andere namhafte Institute sind dazugestossen. Dennoch bleibt die Trägerschaft für ein Projekt, das sich in ganz Europa durchsetzen soll, überschaubar.

Zudem soll die Einführung und vor allem der weitere Ausbau der Europa-Zahlungslösung mehrstellige Millardenbeträge verschlingen. Diese Kosten können kaum ausschliesslich durch Aktionäre der EPI und damit durch private Unternehmen gestemmt werden.

Weitere möglicherweise bremsende Elemente: EPI kann sich in Europa flächendeckend nur dann durchsetzen, wenn die Bevölkerung mitmacht. Diese Bevölkerung ist mit Zahlungsmöglichkeiten und Zahlungssystemen ziemlich gut bedient und scheint nicht auf Wero zu warten. Dasselbe gilt für den Handel. Wero müsste viel können – sehr viel besser können – und auch in Gebühren und Komfort überzeugen, um Massen zum Umsteigen zu bewegen. 

Das Hauptproblem liegt in der Konstruktion

Wenn einige Banken aus einigen wenigen EU-Ländern eine gute Idee verfolgen, stehen auf der anderen Seite sehr viele Banken in der Mehrzahl der EU-Länder, die dieser Idee momentan offenbar nicht viel abgewinnen können. 

Die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission unterstützen die Pläne der EPI. Über gute Wünsche und Lippenbekenntnisse scheint diese Unterstützung jedoch nicht hinauszugehen.

Will die European Payments Initiative (EPI) wirklich Erfolg haben und flächendeckend in ganz Europa zur führenden Zahlungslösung werden, ist eine andere Konstruktion erforderlich. Dazu braucht es die EU, die Gremien der EU, 27 EU-Länder, sämtliche Banken in Europa und vor allem den politischen Willen, einem ehrgeizigen Projekt zum Durchbruch zu verhelfen.

Alle diese notwendigen Ingredienzien gehören im Moment jedoch noch nicht zur Rezeptur der EPI. Die EU lässt Private und Banken einfach mal machen, schickt halbherzig freundliche Grüsse und hofft, das die Sache mit der privaten Initiative von EPI was werden könnte in Europa. So wird das aber ziemlich sicher nichts. Deshalb läuft das Projekt Gefahr, als gut gemeintes und sehr kostspieliges Experiment einer Handvoll mutiger Protagonisten ergebnislos in die Geschichte einzugehen.