Brüssel ist verärgert, die EU-Kommission ergreift die mehrfach angedrohten Strafmassnahmen und setzt den «Warnschuss vor den Bug», den die Schweiz nach Ansicht von EU-Kommissar Johannes Hahn "wohl bräuchte".
Die Schweiz hat jetzt also, was sie braucht, ist allerdings weniger verärgert, vielmehr empört. Vor allem auch deshalb, weil die Börsenäquivalenz direkt nichts mit dem Rahmenabkommen zu tun hat, sondern schlicht als Druckmittel eingesetzt wird, um die Schweiz mit Tempo auf den gewünschten Kurs zu bringen.
Die vom Bundesrat am 30. November 2018 beschlossene Gegenmassnahme ist per 1. Juli 2019 in Kraft getreten.
Massnahme zum Schutz der Börseninfrastruktur
Die vom Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) aktivierte "Schutzmassnahme zum Schutz der Börseninfrastruktur" geht mit einer Liste der davon betroffenen Jurisdiktionen einher, welche das EFD aktualisiert hat. Das Eidgenössische Finanzdepartement begründet die Aktivierung mit folgenden Worten:
"Diese Aktivierung erfolgt, da die Europäische Kommission bis zum jetzigen Zeitpunkt die Börsenäquivalenz nicht verlängert hat. Gemäss der aktualisierten Liste ist es Handelsplätzen mit Sitz in der EU ab dem 1. Juli 2019 untersagt, den Handel mit bestimmten Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz anzubieten oder diesen Handel zu ermöglichen.
Die Umsetzung der Massnahme wird durch die schweizerischen Behörden eng begleitet und überwacht."
Die aktualisierte Liste der betroffenen Jurisdiktionen ist im Text so knapp wie im Wirkungsbereich umfassend gehalten und schliesst ab 1. Juli 2019 die "Europäische Union, inklusive alle ihrer Mitgliedsstaaten" mit ein.
Direkte Auswirkungen
Die direkten Auswirkungen bleiben überschaubar und ziehen die folgenden Änderungen nach sich:
Die vom Bundesrat vorsorglich bereits Ende 2018 beschlossene und jetzt in Kraft getretene Schutzmassnahme hält fest, dass den EU-Börsen untersagt wird, Schweizer Aktien zu handeln.
Das heisst für europäische Banken und Finanzintermediäre, dass sie für den Handel mit Schweizer Aktien den Weg über die SIX Swiss Exchange oder über anerkannte Börsen ausserhalb der EU nehmen müssen.
Eine Vielzahl der grossen europäischen Institute verfügt bereits heute über eine Bewilligung für den Aktienhandel in der Schweiz, die nach wie vor gültig bleibt. Ist das nicht der Fall, führt die schnelle Lösung über eine Beantragung der entsprechenden Bewilligung.
So oder so sind die direkten Auswirkungen nicht dramatisch, das Handelsvolumen bei der SIX Swiss Exchange kann mit der neuen Regelung der Notmassnahme sogar zunehmen.
Indirekte Auswirkungen
Die indirekten Auswirkungen der von der EU verhängten Sanktionsmassnahmen gegen die Schweiz sind sehr viel ernster zu bewerten. Die exemplarische Abstrafung soll Druck auf die Schweiz machen, das Rahmenabkommen schnell zu unterzeichnen. Der als notwendig erachtete "Schuss vor den Bug" könnte sich als Schuss ins Knie erweisen, der auf beiden Seiten keine Gewinner hinterlässt.
Druck, Gängelei und Strafmassnahmen führen oftmals nicht zur erhofften Gefügigkeit des Partners, sondern erzeugen Empörung und Widerstand. Sichtbar unter anderem bereits heute an weiteren Kohäsionszahlungen, die von Schweizer Seite vorderhand auf Eis gelegt sind.
Die von der EU akuell verhängten Sanktionen dürften Gegnern eines wie auch immer ausformulierten Rahmenabkommens in die Hände spielen. Daraus resultierende, noch nicht sichbare Auswirkungen, werden sich in nächster Zeit erst zeigen.
Anders als in zahlreichen EU-Staaten schliesst ein Verabschiedungsprozedere für Vereinbarungen und Verträge in der Schweiz alle Betroffenen mit ein. Innerhalb definierte Prozesse und Wege den Bundesrat, das Parlament und vor allem das Volk.
Mit der neu gezündeten Eskalationsstufe werden weder Verhandlungen mit der EU noch landesinterne Diskussionen zum Thema einfacher.