Open Banking & PSD2

Open Banking: Swiss FinTech Innovations reagiert auf Swiss Finance Startups

Boxring und Diskussionen
Bild: Masisyan | Getty Images

Auf ein bemerkenswertes Statement folgt das nächste: SFTI nimmt Stellung zum Vorschlag von Swiss Finance Startups, in der Schweiz eine Selbstregulierungsorganisation SRO "Open Banking" zu gründen.

Swiss Finance Startups:
Ein bemerkenswertes Positionspapier

Der Branchenverband Swiss Finance Startups hat Mitte Januar 2018 zu Open Banking und PSD2 klar Stellung bezogen und die Haltung in einem Positionspapier zum Ausdruck gebracht.

SFS sieht Open Banking als Chance für den Finanzplatz Schweiz und erkennt Handlungsbedarf, um die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Schweiz aktiv zu gestalten und zu sichern.

Konkret schlägt Swiss Finance Startups die Gründung einer Selbstregulierungsorganisation SRO "Open Banking" vor. Ein Auszug aus dem Positionspapier:

Selbstregulierung als Chance
SFS ist der Auffassung, dass eine tragfähige und flexible Schweizer Open Banking Lösung am besten im Wege der Selbstregulierung ausgearbeitet werden kann. SFS schlägt daher vor, eine Vereinigung (SRO “Open Banking”) zu gründen, welche sich im Wege der Selbstregulierung der Ausarbeitung einer tragfähigen und flexiblen Schweizer Open Banking Lösung widmet. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte diese Selbstregulierung dann rechtlich verankert werden. Synergien mit bestehenden Organisationen, die sich dem Thema widmen, sollten genutzt werden.

Swiss FinTech Innovations: Eine bemerkenswerte Reaktion

Mit einer Stellungnahme geht SFTI auf den Vorschlag von Swiss Finance Startups ein und kommt im Fazit zum Schluss, dass Selbstregulierung ohne gesetzliche Grundlage nicht funktionieren kann. Weil das Thema und damit auch die Stellungnahme von Swiss FinTech Innovations eher komplexe Zusammenhänge herstellt, bringen wir (mit Einverständnis von SFTI) die Stellungnahme im Originalwortlaut in voller Länge:

STELLUNGNAHME VON SWISS FINTECH INNOVATIONS (SFTI)
ZUM VORSCHLAG VON SWISS FINANCE STARTUPS (SFS) ZU OPEN BANKING UND PSD2

Ausgangslage
Mitte Januar 2018 veröffentlichte SFS ein Positionspapier, worin vorgeschlagen wird, in der Schweiz eine Selbstregulierungsorganisation zu gründen, welche sich der Ausarbeitung einer Schweizer Open Banking Lösung widmet. Dabei sollen einerseits die Standardisierung (Standard-APIs) und andererseits die Öffnung von Schnittstellen für Dritte (unter definierten Kriterien, ohne individuelle Selektion) am Finanzplatz Schweiz den Kern der Selbstregulierung bilden.

Stellungnahme von SFTI
Standardisierung von Schnittstellen (Standard-APIs) als Grundlage für Open Banking
Genau wie SFS ist auch SFTI der Überzeugung, dass Open Banking ein grosses Potential für Innovationen und die Digitalisierung einer Vielzahl von Geschäftsprozessen im Finanzbereich schafft. Dementsprechend unterstützt SFTI im Rahmen seiner Arbeitsgruppe „Common API“ die Standardisierung von Schnittstellen im Finanzmarkt seit bald zwei Jahren tatkräftig. Mit an Bord sind hier neben namhaften Banken und Versicherungen unter anderen auch die vier Kernbankensoftware-Hersteller, Avaloq, Finnova, Finstar und Temenos. Ziel sind frei verfügbare „Common API“-Spezifikationen, über deren Nutzung (insbesondere auch Öffnung, Monetarisierung etc.) jedes Unternehmen selbst bestimmen kann. Die gemeinsam erarbeiteten Spezifikationen werden auch europakompatibel (insb. Austausch mit „Berlin Group“) und mit weiteren Schweizer Projekten abgestimmt sein.

Verpflichtung zur Öffnung von Schnittstellen über Selbstregulierungsorganisation
Der Vorschlag von SFS zur Gründung einer Selbstregulierungsorganisation anstelle einer Regulierung, ähnlich der europäischen PSD2, berücksichtigt nur die eine Seite der PSD2, nämlich den Zugang zu Zahlungskonten bei Banken, welcher standardisiert und unter definierten Kriterien, aber ohne individuelle Selektion, auf Kundenwunsch ermöglicht werden soll.

Die PSD2 hat jedoch zwei Seiten, welche aufeinander abgestimmt sind und ein Gleichgewicht zwischen erzwungener Öffnung von Bankenschnittstellen und (Konsumenten-) Schutz sowie Stabilität der Finanzmärkte herstellen sollen. Neben dem regulatorischen Zwang zur Öffnung von Schnittstellen enthält die PSD2 Regeln für die Regulierung von Third Party Providern (insb. Zahlungsauslösedienste, Kontoinformationsdienste). Diese sind unter der PSD2 grundsätzlich bewilligungspflichtig und unterstehen aufsichtsrechtlichen Vorschriften, die den operationellen und finanziellen Risiken dieser Institute gerecht werden sollen, wie beispielsweise Anforderungen an das Anfangskapital und die laufende Kapitalausstattung, die Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der Haftungsverpflichtungen, Vorschriften zur Rechnungslegung und Prüfung der Jahresabschlüsse.
Um dieses Gleichgewicht über eine Selbstregulierung abbilden zu können, müssten erst die gesetzlichen Grundlagen für letztere geschaffen werden. Zwar könnten allenfalls gewisse Kriterien für die Gewährung des Zugangs zu Bankkonten innerhalb der vorgeschlagenen Selbstregulierungsorganisation auch ohne gesetzliche Grundlage gemeinsam definiert werden. Dies betrifft allerdings vorab technische Voraussetzungen (z.B. zur Verwendung der API’s, Authentifikationsmethoden u.ä.), welche auch über die Schnittstelle direkt adressiert werden könnten. Konkrete aufsichtsrechtliche Vorschriften, wie die PSD2 sie zum Schutz von Konsumenten und Finanzplatz vorsieht, können in einem solchen Rahmen bzw. über eine Selbstregulierung, welche erst in einem späteren Zeitpunkt allenfalls eine gesetzliche Grundlagen erhalten soll, aber nicht erreicht werden.

Fazit
Open Banking wird auch in der Schweiz die Innovation vorantreiben, weil die Kunden die damit verbundenen Möglichkeiten von ihren Banken fordern werden. SFTI hat das Potential von Open Banking längst erkannt und arbeitet bereits seit fast zwei Jahren intensiv an den entsprechenden „Common API“-Spezifikationen. Allerdings muss in der Schweiz, in welcher die Third Party Provider nicht aufsichtsrechtlich reguliert sind, jede Bank selbst beurteilen und entscheiden können, ob und welche Anbieter genügende Sicherheit und Stabilität gewährleisten können und zu welchen Bedingungen diese die zur Verfügung gestellten Schnittstellen entsprechend nutzen dürfen. Über eine Selbstregulierung ohne gesetzliche Grundlage kann dieses notwendige Gleichgewicht nicht hergestellt werden.

Für die Arbeitsgruppe Regulations von SFTI
Werner W. Wyss, Leiter AG Regulations
Dr. Cornelia Stengel, Co-Director SFTI

(Ende der Stellungnahme von SFTI)

Fragezeichen? Nachgehakt!

Wie gesagt, das Thema ist komplex, die Stellungnahme von Swiss FinTech Innovations deshalb zwangsläufig ebenso. Wenn "über eine Selbstregulierung ohne gesetzliche Grundlage das notwendige Gleichgewicht nicht hergestellt werden kann", spricht das dann gegen die Gründung einer Schweizer Selbstregulierungsorganisation oder für eine gesetzliche Grundlage? Wenn "in der Schweiz, in welcher die Third Party Provider nicht aufsichtsrechtlich reguliert sind, jede Bank selbst beurteilen und entscheiden können muss, ob und welche Anbieter genügende Sicherheit und Stabilität gewährleisten können", verträgt sich das dann auf Dauer mit dem ansonsten in jedem Bereich hochgehaltenen Willen und Bemühen, gemeinsame Standards zu schaffen? Oder: Kann das Fehlen von Standards in der Schweiz mittelfristig zu Problemen führen mit anderen EU-Staaten, welche gemeinsamen Richtlinien folgen?

Wir haben bei Swiss FinTech Innovations nachgehakt und versucht, einige der möglichen Fragezeichen aus dem Weg zu räumen. Werner W. Wyss, Leiter der Arbeitsgruppe Regulations von SFTI, hat sich Zeit genommen und unsere Fragen beantwortet:

"Open Banking wird auch in der Schweiz die Innovation vorantreiben“, stimmt, aber das „volle" Open Banking wird schwierig umzusetzen sein, weil aktuell gesetzliche Grundlagen fehlen. Wie steht die SFTI grundsätzlich zu diesem Punkt?

SFTI will die Innovation auf dem Finanzplatz fördern und engagiert sich nach Kräften für die Standardisierung von API’s. Diese würden technisch gesehen auch ein «volles» Open Banking ermöglichen. Aber es ist klar: über die tatsächliche Nutzung dieser Möglichkeit entscheidet jede Bank in der Schweiz selbst.

SFTI führt aus, dass die von SFS vorgeschlagene Selbstregulierungsorganisation aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen an ihre Grenzen stossen könnte. Damit legt SFTI den Finger auf einen zentralen Punkt, der im Wege stehen kann, aber dennoch und in Kenntnis dieses möglichen Defizits:

Befürwortet denn SFTI grundsätzlich den Vorschlag von SFS zur Bildung einer Selbstregulierungsorganisation?

Im Rahmen einer Selbstregulierungsorganisation ohne gesetzliche Grundlage könnten zwar gemeinsam Prinzipien und Regeln für die Zusammenarbeit oder auch bestimmte Zertifizierungen o.ä. erarbeitet werden, was SFTI vom Prinzip her befürwortet. Dies kann aber auch im Rahmen einer Arbeitsgruppe der engagierten Verbände geschehen, denn der Beitritt zu einer solchen SRO bliebe bei fehlender gesetzlicher Grundlage ebenso freiwillig wie das Engagement in einer Arbeitsgruppe oder einem Verband.

Der Punkt, der zwangsläufig im Zentrum steht: Es fehlen im Moment in der Schweiz aufsichtsrechtliche Vorschriften, welche den Schutz von Konsumenten und Finanzplatz betreffen, wie auch die Rolle von Third Party Providern definieren und gesetzlich regeln, wie Sie in Ihrem Statement richtigerweise festhalten. Sie sagen konkret: „Über eine Selbstregulierung ohne gesetzliche Grundlage kann dieses notwendige Gleichgewicht nicht hergestellt werden."

Wie ist die Haltung der SFTI zu diesem Thema: Unterstützt SFTI die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen und Regulierungen, um klare Leitplanken und Rechtssicherheit zu schaffen und damit „dieses notwendige Gleichgewicht“ hergestellt werden kann?

In der Schweiz fehlt es in diesem Bereich nicht an Rechtssicherheit. Es ist klar, dass im Moment die Banken hier selbst entscheiden können, ob und für wen sie welche Schnittstellen öffnen. Im Gegenzug sind Third Party Provider in der Schweiz typischerweise nicht bewilligungspflichtig. Die Mitglieder von SFTI haben sich zusammengeschlossen, um Innovationen auf dem Finanzplatz zu fördern. Das tun sie auch ohne gesetzlichen Zwang und in Zusammenarbeit auch mit unregulierten TPP.

Sie verweisen in Ihrer Stellungnahme auf die zwei Seiten der PSD2, die zweite Seite definiert als die rechtlichen Grundlagen und Regulierungen, welche erst das Gleichgewicht für die PSD2 schaffen. Dieses Gleichgewicht besteht in der Schweiz (noch) nicht, zumal unser Land nicht den Regeln der PSD2 unterliegt.

Besteht die Gefahr, dass der Schweiz und ihren Banken aus dem Fehlen dieses Gleichgewichts, das wir aus eigener Initiative schaffen müssten, im Vergleich zur EU Nachteile erwachsen?

Sehr vereinfacht ausgedrückt: Die eine Seite der PSD2 betrifft den Zwang zur Öffnung von Schnittstellen, die andere Seite betrifft die Regulierung der TPP, die diese Schnittstellen benutzen, und die Vorschriften zum Schutz der Konsumenten in diesem Bereich. In der Schweiz gibt es beide Seiten nicht. Dennoch treiben namhafte Banken und Versicherungen im SFTI aktiv Innovationen voran, womit vor allem auch der Gefahr, dass dem Schweizer Finanzplatz Nachteile erwachsen, begegnet wird.

PSD2 und Open Banking in der Diskussion

Die letzten Fragezeichen rund um PSD2 und Open Banking sind noch lange nicht ausgeräumt. Weder in der EU, die sehr direkt von der PSD2 betroffen ist, noch in der Schweiz, welche sehr direkt von Open Banking betroffen ist. Und diese Betroffenheit zu einer unglaubliche Stärke umschmieden kann, wenn der gemeinsam Wille vorhanden ist. Die Haltung "Jeder schaut mal ein bisschen für sich", verschafft viel individuelle Freiheit, vielleicht aber auch viele Unsicherheiten. Ohne sich ungeliebten Zwängen unterwerfen zu müssen, wäre ein gemeinsames und deshalb konzertiertes und starkes Vorgehen möglicherweise der erfolgversprechende Weg, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern und die Chancen derselben, gemeinsam geschmiedeten Zukunft zu nutzen.