Robin Stäheli | PostFinance

Interview
Februar 2014 in Zürich

Robin Stäheli
Leiter Produktmanagement Schalter & Auslieferung, PostFinance

im Gespräch mit Carsten Miehling, PPI Schweiz

Statements und Einschätzungen
Robin Stäheli über ISO 20022, Zahlungsverkehr Schweiz und den neuen Einheitsbeleg, an dessen Konzeption er in verschiedenen Arbeitsgruppen auf dem Finanzplatz Schweiz mitarbeitet. 

Robin, könntest du unseren Lesern kurz erklären, was aktuell deine Aufgaben bei PostFinance sind und welche Themen du im Rahmen des Vorhabens „Migration Zahlungsverkehr Schweiz“ fokussierst?

Bei PostFinance bin ich für einen Teil der klassischen Zahlungsprodukte zuständig. Dazu zählen unter anderem die verschiedenen Einzahlungsscheine. Als Vertreter in der Arbeitsgruppe Belege innerhalb der Migration ZV CH bringe ich die Anliegen von PostFinance ein und definiere zusammen mit den Bankenvertretern das zukünftige Angebot. Mein Fokus liegt dabei ganz klar auf dem neuen Beleg und dem Interesse, möglichst bald sämtliche Richtlinien zu erarbeiten. Die Migration ZV CH als Ganzes hat bei PostFinance einen hohen Stellenwert und wird als eigenständiges Programm geführt.

Was sind deiner Meinung nach die Gründe, dass die Schweiz ein so stark ausgeprägtes Bedürfnis nach Einzahlungsscheinen (Belegen) hat?

Viele Länder haben im Zahlungsverkehr ihre Eigenheiten. In der Schweiz ist das sicher der Einzahlungsschein. Wir haben ein gutes, flächendeckendes, kostengünstiges Angebot, das sowohl bei Rechnungsstellern als auch bei Rechnungsempfängern etabliert und akzeptiert ist. Die Prozesse sind eingespielt und die Anwender erreichen für Ihre Bedürfnisse einen genügend hohen Automatisierungsgrad in der Erstellung und Verarbeitung von Rechnungen.
Weiter sind wir es uns gewohnt, etwas in den Händen zu haben. Dies gilt für Einzahlungen ebenso wie zum Beispiel für die Steuererklärung. Zwar werden elektronische Kanäle gefördert, letztendlich ist aber nach wie vor ein physischer Beleg oder die Unterschrift auf einem Blatt Papier verbindlich. Dies steht im Gegensatz zu einigen skandinavischen Ländern, welche ein elektronisches Umfeld aktiv pushen.

Im privaten Umfeld ist ein historisches Bedürfnis nach Einzahlungsscheinen ja noch nachvollziehbar, wieso legen aber auch heute noch die meisten Firmen ihrer Rechnung einen Beleg bei? Die Begleichung der Forderung ist ja fast zu 100% elektronisch und da würde doch die reine Angabe der Kontoverbindung ausreichen?

Die Mehrheit der Firmen will ihren Rechnungsempfänger gerecht werden, egal wie diese die Rechnung begleichen wollen. Das Bedürfnis ist nach wie vor vorhanden. Die Einzahlung am Postschalter zum Beispiel funktioniert mit einem physischen Beleg am einfachsten. Beim ESR wird die vorgedruckte Codierzeile gescannt und sämtliche elektronischen Daten werden von diesem Zeitpunkt an automatisiert bis zum Rechnungssteller weitergeleitet.

Einverstanden es gibt die strukturierte ESR-Referenz, welche mir als Rechnungssteller den Abgleich meiner offenen Posten automatisiert. Aber auch diese Referenz könnte direkt auf dem Rechnungsformular aufgedruckt sein.

Natürlich, es gibt aber nach wie vor viele Personen, welche am Postschalter ihre Einzahlungen tätigen. Im 2013 waren es 177 Millionen Einzahlungen in den Poststellen. Die Referenz muss vom Rechnungsformular irgendwie in ein System gelangen. Für den angesprochenen Personenkreis würde somit ein zusätzlicher Arbeitsschritt eingebaut, auch wenn der Gang in die nächstgelegenen Poststelle ebenfalls berücksichtigt werden muss. Ich will hier auch gar nicht werten, ob das gut oder schlecht ist. Es ist eine Tatsache und die Tendenz für die nächsten Jahren sieht nur eine leichte Abnahme von Schalterzahlungen vor. Diesen Aspekt mussten wir in der Konzeption des neuen Einheitsbelegs mit berücksichtigen

In Finnland gibt es beispielsweise einen Standard, wie ein Rechnungssteller seine Bezahlinformationen andruckt (separater Rechnungsbereich). Warum war das in der Schweiz nie ein Thema?

Anstatt einem separaten Rechnungsbereich gibt es in der Schweiz den Beleg. Ich sehe keinen grossen Unterschied, ob die Bezahlinformationen auf einem separaten Rechnungsbereich oder auf einem Beleg angedruckt werden. Beides muss nach klaren Vorgaben geschehen. Insofern sind es zwei verschiedene Möglichkeiten. In der Schweiz haben wir uns für die Beleg-Variante entschieden, da diese Prozesse bereits etabliert sind.

Da stellt sich generell die Frage nach der Durchdringung der E-Rechnung. Warum dauert das so lange in der Schweiz, respektive warum ist auch heute das abgewickelte Volumen über elektronische Rechnungen noch recht bescheiden?

So bescheiden ist es gar nicht mehr. Immerhin nutzen inzwischen rund 1 Mio. Schweizer E-Banking-Kunden die E-Rechnung. In Bezug auf das Zahlungsverhalten stellen wir immer wieder fest, dass man sich offenbar schwer tut mit einer Umstellung. Obwohl die Vorteile der E-Rechnung gegenüber der manuellen Erfassung im E-Banking auf der Hand liegen, scheint es recht schwierig, die Kunden dazu zu bewegen, sich schon nur Gedanken zu machen, wie es noch einfacher ginge. Mit der wachsenden Verbreitung steigt der Nutzungsgrad exponentiell.

Wieso braucht es überhaupt einen neuen Beleg?

Du hast ein paar Trends bereits angesprochen. Hinzu kommen Standardisierungen wie IBAN und ISO 20022. Der neue Beleg soll ab dem Zeitpunkt der Einführung wiederum ein paar Jahrzehnte Bestand haben. Es war zum Beispiel schon früh in der Konzeptionsphase klar, dass die heutige Kodierzeile einer neuen Technologie weichen muss. Mit dem QR-Code ergeben sich viel mehr Möglichkeiten. Sämtliche relevanten Informationen zum Zahlvorgang können darin abgebildet werden. Dies ermöglicht den Zahlungspflichtigen die Rechnungen auf verschiedenen Kanälen mit möglichst geringem Aufwand zu begleichen. Die konsequente Anwendung der IBAN ist dabei nur ein Mittel zur besseren Durchdringung.

Gibt es seitens der Kunden von PostFinance keinen Widerstand bezüglich der Abschaffung des alt gedienten und bewährten Postkonto-Formats?

Wir gehen nicht davon aus. Das Postkonto bleibt ja das Postkonto, nur die Bezeichnung ist mit dem IBAN halt etwas länger. PostFinance stellt laufend auf das IBAN Format um. Da die Banken schon weitgehend auf IBAN umgestellt haben, sind sich die Kunden das neue Format bereits gewohnt.

Wie begegnet ihr dem Einwand, dass zum Beispiel Hilfswerke wie die Glückskette nicht mehr so einprägsame Konto-Nummern wie 10-15000-6 in ihren Spendenaufrufen verwenden können?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten damit solche Spendenaufrufe trotzdem ein Erfolg werden. Viele Spenden werden elektronisch getätigt. In diesem Fall kann leicht auf Stammdaten im entsprechenden System zurückgegriffen werden. Weitere Unterstützungen, wie der IBAN-Rechner oder zum Beispiel die Spendentaste am Postomaten oder Spende per SMS helfen mit eine Zahlung zugunsten eines Hilfswerks möglichst einfach zu halten. Letztendlich hängt der Erfolg einer Spendenaktion nach wie vor von der Bereitschaft der Bevölkerung ab, sich an der Aktion zu beteiligen und nicht primär von der Tatsache, ob die Kontonummer kurz oder länger ist.
Wir akzeptieren auch nach der Umstellung auf IBAN und Einheitsbeleg bis auf weiteres noch das alte Postkontoformat bei den meisten Kundeneingangskanälen und vor allem im direkten Kundenkontakt. Somit können wir unseren Kunden einen Mehrwert bieten und gewissen Ängsten und Widerständen entgegenwirken.

Die Parallelphase erscheint recht lang und die Einführung kommt relativ spät im Vergleich zur Einführung der anderen Verfahren im Zahlungsverkehr. Was ist der Grund dafür? Was spricht gegen eine frühere Einführung mit kürzerer Parallelphase (alte und neue Einzahlungsscheine im Umlauf)?

Der Zeitpunkt ist so gewählt, dass die Vorteile des neuen Belegs vollständig ausgeschöpft werden können. Sämtliche Systeme müssen die Durchgängigkeit der Informationen aus dem QR-Code sicherstellen können. Deshalb wird der Einführungszeitpunkt des neuen Belegs auf das Migrationsende der restlichen Verfahren gelegt. Die Parallelphase ist mit 2 Jahren bereits eine Herausforderung. Während dieser Zeit müssen sämtliche beteiligten Parteien, also Softwarepartner, Druckereien, Zahlungsempfänger und Zahlungspflichtige auf den neuen Beleg umstellen. Erfahrungen von ähnlichen Migrationen haben gezeigt, dass eine Parallelphase von 2 Jahren angemessen ist.

Wann werde ich meinen letzten heutigen roten und orangen Einzahlungsschein am Postschalter einsetzen können?

Der Endtermin ist auf das 2. Quartal 2020 festgelegt. Nach aktueller Planung wirst du somit zum letzten Mal am 31. März 2020 einen alten Beleg am Postschalter einsetzen können. Eine solch langfristige Planung kann aber auch Änderungen erfahren.

Ist es richtig, dass auf Basis der Informationen des neuen Belegs, welche ja auch im QR-Code enthalten sein werden, ein ausländischer Debitor seine Zahlung an den Schweizer Lieferanten initiieren kann?

Ja, das ist richtig. Der Beleg wurde jedoch für die Schweiz konzipiert und kombiniert Standards mit etablierten Zahlungsprozessen in der Schweiz, wie zum Beispiel der Referenznummer. Die Schweiz ist im Übrigen mit diesem Vorhaben nicht alleine. Auf Stufe European Payments Council (EPC) wird ebenfalls an einer einheitlichen Struktur für Zahlungsvorgänge mittels QR-Code gearbeitet. Die Schweizer Struktur ist weitgehend an diejenige des EPC angelehnt.

Welche Informationen werden zusätzlich enthalten sein? Man hörte auch schon von Informationen zur Avisierung oder Vereinfachung der Logistik?

Sämtliche Informationen, welche ein Zahlungsempfänger auf dem Beleg und damit im QR-Code andruckt, werden ihm wieder avisiert. Die ISO 20022-Meldungen geben uns die Möglichkeit dieser Durchgängigkeit. Das vereinfacht einerseits die Nachforschungsprozesse beim Kunden und andererseits können zukünftige regulatorische Anforderungen einfacher umgesetzt werden. Zudem erhalten die Kunden im QR-Code einen „eigenen Bereich“, den sie zum Beispiel für die Drucksteuerung der Rechnungsstellung einsetzen können.

Wird das End-Datum wirklich streng gehandhabt und werden Einzahlungsscheine im alten Format abgelehnt? Wie werden sich die Banken verhalten?

Das End-Datum wurde zusammen mit den Banken definiert. Der maximale Mehrwert wird erst erreicht, wenn die alten Belege nicht mehr im Umlauf sind. Daher ist eine strenge Handhabung in allen Systemen und Annahmestellen unumgänglich. Zudem zeigen Erfahrungen, dass Formate oder Belege ohne verbindliches End-Datum noch über Jahre weiter eingesetzt werden.

Wie hoch schätzst du die Nutzenpotentiale für Rechnungssteller und Empfänger im Firmenkundengeschäft ein? Gibt es da Schätzungen, was eine Firma gegenüber heute beim Rechnungsversand und wohl noch mehr beim -Empfang prozentual einspart?

Das ist schwierig zu beziffern. Erstmals bedeutet es für viele eine Investition. Eine Investition, welche mit zunehmender Standardisierung aber sowieso angestanden wäre. Deshalb war es unser Ziel mit dieser Investition einen Zusatznutzen zu generieren. Ich bin überzeugt, dass uns dies mit dem neuen Beleg gelungen ist. Schätzungen auf Kundenebene können am besten im direkten Kontakt vorgenommen werden. Über effektive Zahlen können wir uns im 2020 unterhalten.

Gibt es etwas, was du unseren Lesern noch mit auf den Weg geben möchtest?

Mit dem neuen Einheitsbeleg als Teil der Migration ZV CH schlagen wir ein neues Kapitel im Zahlungsverkehr der Schweiz auf. Ich bin überzeugt, dass der ISO 20022 Standard uns dafür die besten Möglichkeiten bietet. Deshalb muss es unser Ziel sein, alle betroffenen Parteien möglichst rasch auf die neuen Formate umzustellen. Die Endtermine mögen auf den ersten Blick noch weit weg sein, das Ausmass darf aber nicht unterschätzt werden. Ich rate deshalb allen Betroffenen sich Gedanken über die Migration ZV CH zu machen und dies fix in ihre Planung aufzunehmen.