Von Banken, FinTechs, Experten, Prognosen und Erinnerungslücken

Dart und Pfeilwerfen
Bild: Jaaak Works | Getty Images

Märkte und Bankenlandschaft sind in Bewegung – ein hervorragendes Feld für abenteuerliche Prognosen.


Steht das grosse FinTech-Sterben vor der Tür?

Nach der Meinung von Carola von Schmettow zweifellos. Reuters zitiert die Aussage der Deutschland-Chefin der Grossbank HSBC an der Euro Finance Week in Frankfurt:

«Das grosse Fintech-Sterben wird kommen, nur einige wenige Grosse werden überleben»

Carola von Schmettow vergleicht das prognostizierte Massensterben dann allerdings mit dem Auftreten der Biotech-Firmen von einigen Jahren, die von Pharmakonzernen aufgekauft worden sind. Die Bank-Managerin geht davon aus, dass genau dadurch die Agilität der kleinen, innovativen FinTechs mit der Stärke der grossen Finanzinstitute kombiniert werden kann.

Also doch nicht sterben, nicht so richtig, mehr eine neue Rolle als innovativer Verstärker für eine Grossbank? Das versöhnt, umso mehr, als dieser Exit für die FinTech-Gründer ziemlich lukrativ sein kann. Er sichert nicht nur das Überleben des FinTechs in neuen Umfeldern, er stattet die Gründer auch mit neuem Kapital aus. Damit können sie, fit und gewappnet für die Zukunft, das nächste FinTech gründen.

Steht das grosse Bankensterben vor der Tür?

Wahrscheinlich auch nicht. Aber die Bankenlandschaft wandelt sich. FinTechs werden zu Banken und Banken erfinden sich neu, aus verschiedenen Gründen. Daraus entstehen auch neue Typen von Banken. Die Kunden freut's, die gehören zu den Gewinnern. Die Verlierer sind noch nicht definiert, weil Agilität, Innovation und clevere Geschäftsmodelle von allen Seiten zu erwarten sind.

Dass der Wind allerdings deutlich rauer weht als auch schon, zeigt zum Beispiel die Aussage vom Vorstandschef der Deutschen Bank, John Cryan. In einem Interview mit der Financial Times vor einigen Tagen reflektiert Cryan über Sparpotenziale, zieht Vergleiche und sagt mit einem Seitenblick auf die 97'000 Mitarbeiter seiner Bank:

«Die meisten Grossbanken kommen mit der Hälfte an Angestellten aus»

Interessant dabei: Jene, die er meint, fahren ebenfalls Sparprogramme, schliessen Filialen und reduzieren Personal. Trotzdem, hüben wie drüben, es ist nicht die Zeit des Sterbens, es ist die Zeit der Herausforderungen, der Paradigmenwechsel, der Innovationen, der Digitalisierung und der Märkte, die sich verändern.

Von Prognosen und Erinnerungslücken

Zahlreiche "Experten" prognostizieren, dass bis zu 80 Prozent der FinTechs die nächsten fünf Jahre nicht überleben werden. Andere "Experten" sehen voraus, dass die Hälfte der heutigen Banken in zehn Jahren nicht mehr da sein werden. Das eine wie das andere ist grundsätzlich möglich. Allerdings haben diese Art von Prognosen erstmal nichts mit vorhersehbaren Entwicklungen und schon gar nichts mit Fakten zu tun. In dermassen bewegten "Umbruchs-Zeiten", wie wir sie aktuell erleben, sind halbwegs fundierte Prognosen auf fünf oder zehn Jahre hinaus schlicht nicht möglich. Da sind "Experten" am Werk, die vorgefasste Meinung und dazugemixte Annahmen, auch abenteuerliche, kräftig schütteln und rühren, um dann eine starke Prognose rauszuhauen, welche die Welt erschüttert.

Meinung ist immer erlaubt. Vermutungen auch. Eine Prognose hingegen ist eine "wissenschaftlich begründete Voraussage einer künftigen Entwicklung". Zahlreiche herumgereichte Prognosen von "Experten" tragen nicht den Hauch von Wissenschaftlichkeit in sich, sie erinnern mehr an eine missglückte Mischung aus Glaskugel und Pfeilwerfen mit verbundenen Augen.

Ist die Hälfte der FinTechs nach fünf Jahren noch da (das entspricht der "normalen" Überlebens-Quote bei Startups) und gibt's auch die wegprognostizierte andere Hälfte der Banken nach zehn Jahren immer noch, vielleicht in anderer Form, dann tun sich bei den dannzumal orakelnden "Experten" oftmals und gerne Erinnerungslücken auf. Ist ja auch schon lange her, das alles. Und überhaupt, wen kümmert die Vergangenheit, die Zukunft ist im Fokus, und da winken neue Prognosen, die zusammengeschustert werden dürfen, weil sich bisher noch kein "Experte" darangewagt hat.