Digitale Transformation

Digitalisierung: Die digitale DNA der Schweiz

Die digitale DNA der Schweiz
Bild: Dmytro Yarmolin | Getty Images

Beschäftigte in der Finanzbranche machen sich vermehrt Sorgen um den eigenen Job und um Arbeitsplätze, andere Branchen bleiben optimistischer. Und wie Schweizer generell zur Digitalisierung stehen.

Das internationale Beratungsunternehmen Oliver Wyman entschlüsselt bereits zum zweiten Mal die digitale DNA der Schweiz.

Das Unternehmen hat 2'000 Schweizerinnen und Schweizer zu ihrer Einstellung zum Thema Digitalisierung befragt. Im Fokus der Befragung standen Details zur persönlichen Nutzung des Internets, zu Hoffnungen und Ängsten sowie zum Vertrauen zu bestimmten Institutionen.

Die Studie ist erstmals 2017 durchgeführt worden, deshalb lassen sich Vergleiche ziehen, ob und wie sich Einstellungen innerhalb eines Jahres verändert haben. Einige Resultate aus der aktuellen Studie "Switzerland's Digital DNA".

Ist die Digitalisierung ein Jobmotor oder ein Jobkiller? 

Eine Debatte, welche in allen Ländern und Branchen höchst kontrovers geführt wird und, je nach Lager, zu unterschiedlichen Betrachtungen und Prognosen führt.

In der Schweiz wächst im wichtigen Finanzsektor die Skepsis: Nur noch 59 Prozent der Beschäftigten bei Banken, Versicherungen und anderen Finanzdienstleistern glauben, dass die Digitalisierung für neue Jobs sorgen wird. Im Vorjahr waren zu diesem Thema noch über 80 Prozent optimistisch eingestellt.

Dieser Stimmungseinbruch in der Finanz- und Versicherungsbranche ist eine der frappierenden Veränderungen, welche die Studie „Switzerland‘s Digital DNA“ feststellt. 

Der Kommentar von Nordal Cavadini, Partner bei Oliver Wyman in Zürich, zum Stimmungswandel:

In keiner anderen Branche hat sich der Blick der Betroffenen auf die Veränderungen durch das Internet so stark verdüstert wie in der Finanzindustrie. Der Stellenabbau in vielen Banken und der spürbare Wettbewerbsdruck durch FinTechs lässt hier offenbar die Sorgen wachsen.

Ausserhalb der Finanzindustrie überwiegt weiterhin in weiten Teilen die Zuversicht: In den meisten Industriesektoren verbesserte sich sogar die Erwartungshaltung mit Blick auf neue Arbeitsplätze. So stiegen die Spitzenwerte in der ITK-Branche auf 82 Prozent, im produzierenden Gewerbe auf 73 Prozent und in der öffentlichen Verwaltung auf 70 Prozent.

Der tiefste Wert wurde im Gross- und Detailhandel mit 53 Prozent verzeichnet. Über alle Branchen gerechnet halten es 60 Prozent der Schweizer in diesem Jahr für wahrscheinlicher, dass neue Jobs durch das Internet und andere Kommunikations-Technologien entstehen.

Ausgeprägtes Selbstvertrauen in die eigene persönliche Qualifikation

79 Prozent der Befragten fühlen sich nach eigenem Bekunden ausreichend ausgebildet, um ihren Job in fünf Jahren noch ausführen zu können. Diese Frage bejahen immerhin 76 Prozent der Banker, während das produzierende Gewerbe mit 88 Prozent die Spitze bildet und der Logistiksektor mit nur 68 Prozent als Schlusslicht rangiert. In Logistikunternehmen fühlen sich 29 Prozent zurückgelassen und vom Tempo des technischen Wandels überfordert – dieser Wert liegt um zehn Prozentpunkte über dem Durchschnitt.

Joris D’Incà, Schweiz-Chef von Oliver Wyman, zu den Auswirkungen auf die Schweiz:

Generell bleibt die Schweiz auch 2018 ein idealer Standort für Digitalunternehmen, denn die Bevölkerung stellt sich den Chancen sehr positiv, aber auch aufgeklärt gegenüber

73 Prozent sehen eine "Chance für die Schweiz", 67 Prozent einen "positiven Einfluss auf das eigene Leben". Im Vorjahr lagen diese Werte auf vergleichbar hohem Niveau. Die Autoren der Studie erkennen darin, dass die Schweizer bereit sind für zukünftige Umstellungen – zum Beispiel dafür, dass klassische Jobs durch flexiblere Arbeitsmodelle ersetzt werden.

Starkes Wachstum im E-Commerce

Die überragenden Vorteile der Digitalisierung werden von Schweizern sehr stark mit Komfort und tiefen Preisen im Konsum assoziiert:

Sorgt das Internet für günstigere Preise beim Einkauf?
Ja, sagen 79 Prozent und nutzen verstärkt den Kanal E-Commerce. Dabei docken sie immer öfter bei den Platzhirschen an:

Zalando (von 32 auf 42 Prozent) und Amazon (von 29 auf 35) konnten im Jahresvergleich deutlich mehr regelmässige Nutzer gewinnen, so wie auch Digitec (von 19 auf 26 Prozent). Der chinesische E-Commerce-Riese Alibaba kommt bereits auf 9 Prozent regelmässige Nutzer. Die Studienautoren sind davon überzeug, dass die internationalen Plattformen weiterhin zulegen werden.

Das Paradoxon im Online-Shopping
Immer öfter steuern die Schweizer die internationalen Einkaufsriesen an, obwohl ihr Vertrauen in genau diese Konzerne sinkt. Nordal Cavadini hat eine einfach Erklärung für dieses Verhalten:

Der stark ausgeprägte Wunsch nach günstigen Preisen siegt bei den Konsumenten ganz offensichtlich über die Sorge um Datenweitergabe

Zwar mögen es 67 Prozent der Befragten nicht, ihre Daten an Dritte weiterzugeben. Doch die Abwehrhaltung bröckelt: Im Vorjahr war die Abneigung mit 73 Prozent noch deutlich stärker ausgeprägt. Laut Cavadini können Schweizer Plattformen mit der Konkurrenz mithalten, wenn sie die Nähe zum Konsumenten stärker nutzen – etwa durch Dienstleistungen, die mit dem Standort verknüpft sind.

Tech-Konzerne werden misstrauisch beäugt

Wie bereits oben ausgeführt, hindert das Misstrauen jedoch nicht daran, zu klicken, wenn man sich einen Vorteil verspricht.

Das Vertrauen in Big Techs wie Google liegt mit 25 Prozent am untersten Ende der abgefragten Sektoren. Kaum besser ist der Ruf der Online-Händler wie Amazon, denen nur gerade 26 Prozent der Befragten ihr Vertrauen schenken, wenn es um personalisierte Angebote geht. Daran hat sich seit 2017 wenig geändert.

Spitzenwerte geniessen weiterhin Spitäler, Ärzte und Krankenkassen mit 61 Prozent, Banken mit 59 Prozent und Universitäten mit 58 Prozent.

Datenschutz und Ambivalenz im Umgang mit den eigenen Daten

60 Prozent der Schweizer sind der Ansicht, Unternehmen und Politik müssen mehr für den Datenschutz tun. Das leuchtet ein. Die eigene Ambivalenz schwächt den Wunsch allerdings wieder sehr deutlich ab.

Was auch andere Studien belegen: In der Schweiz und in anderen Ländern entscheiden sich zahlreiche User regelmässig und in eigener Verantwortung dafür, ihre Daten preiszugeben – gewissermassen im Tausch gegen günstige Preise oder die Nutzung kostenloser Tools und Leistungen.