Mobilität, TV-Spots und Zensur

Time to ride the Future? Mais non, sagt Frankreich.

Ein Auto, das sich auflöst und zerfliesst
Bild: Van Moof

Wie eine Behörde mit einem Zuviel an Regulierung Französinnen und Franzosen vor Schaden bewahren will – eine Posse aus dem Nachbarland Frankreich.

Frankreich leistet sich ein paar Gremien und Kommissionen mehr als viele andere Länder. So zum Beispiel die Délégation générale à la langue française et aux langues de France (DGLFLF) – eine Behörde, die mit strengem Blick unter anderem darüber wacht, dass sich keine unerwünschten Anglizismen in die französische Sprache einschleichen können.

Dann gibt's auch noch die L'Autorité de Régulation Professionnelle de la Publicité (ARPP), das ist die Regulierungsbehörde für Werbung in Frankreich. Die sorgt unter anderem dafür, dass sensible Französinnen und empfindsame Franzosen nur TV-Spots zu Gesicht bekommen, die ihnen keine schlaflosen Nächte bereiten.

Sehen Sie sich den aktuellen TV-Spot des niederländischen Startups Van Moof an und Sie wissen gleich, wovon die Rede ist.

Der Kampagnen-Film von Van Moof: "Reflections"

ARPP sei Dank, der grösste Schaden konnte gerade noch abgewendet werden

Na, sind Sie verstört und alsogleich in ein "Klima der Angst" geraten? Nein? Dann sind sie kein Franzose und auch keine Französin, die nach Lesart der ARPP offenbar vor seelischen Schäden bewahrt werden müssen. Deshalb darf der Spot in Frankreich nicht ausgestrahlt werden. Abgewürgt von der ARPP und auf den Index der unerwünschten Werbung gesetzt worden. Ohne Modifikationen im Sinne der Regulierungshörde gibt's kein Durchkommen für den Film.

Die höchst verstörende Brisanz der ästhetischen Bilder und des melancholischen Songs, der den Anbruch des neuen Tages besingt, ist nicht ohne Weiteres und auch nicht für jeden erkennbar. Tatsächlich werde durch den Film ein "Klima der Angst" geschaffen, wie die ARPP-Werbehüter feststellen – oha – und er "diskreditiere die Automobilbranche" – ach so.

Ob jetzt die französische Bevölkerung, nur gerade die Automobilindustrie oder beides geschützt werden soll, mag dahingestellt bleiben. Die niederländischen E-Bike-Hersteller wollten mit ihrem Spot eigentlich nur einen Denkanstoss liefern und waren weit von der Absicht entfernt, ganz Frankreich mit einem "Klima der Angst" zu paralysieren. Mit der desolaten Verfassung der schreckhaften Mitglieder der ARPP haben sie nicht gerechnet.

Apropos Gedankenanstoss: Die Französinnen und Franzosen, die ich kenne, sind alle durchaus in der Lage, den vorgeschlagenen Gedanken ohne Panik-Attacken zu denken – oder es auch bleiben zu lassen. Diese Freiwilligkeit bleibt ihnen nun erspart, ARPP sei Dank.

Van Moof Amsterdam

Das niederländische Startup Van Moof bewirbt und verkauft seit 2009 seine E-Bikes erfolgreich online und inzwischen in Brand Stores in zahlreichen Grossstädten rund um den Globus. Das Unternehmen ist schon mehrmals durch aussergewöhnliche Werbung aufgefallen. Mit ihrem aktuellen Kampagnen-Film "Reflections" werfen die E-Bike-Produzenten "einen melancholischen Blick auf den Transport der Vergangenheit" und mit dem Claim "Time to ride the Future" liefern sie einen Vorschlag, wie aus ihrer Sicht in Städten die Zukunft aussehen könnte. Diese Sicht mag man teilen oder nicht – das eine wie das andere allerdings nur, wenn keine Behörde den Blick auf unterschiedliche Betrachtungen verstellt.