Chatbots – Hype oder App-Killer?

KLM: Ein gutes Beispiel für einen serviceorientierten Chatbot
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Chatbots sind im Trend – haben die Plauder-Roboter wirklich das Zeug dazu, Apps zu ersetzen?

Chatbots sind keine Erfindung der Neuzeit, die gibt's schon seit Jahrzehnten. Erst in sehr einfacher Form, durch das Internet dann nach und nach etwas vielseitiger ausgelegt. So richtig im Gespräch sind Chatbots aktuell (wieder) durch die Marketing-Initiativen von Facebook und Microsoft. Experten streiten sich darüber, ob Bots das Ende der Apps bedeuten oder als Hype zu hoch gehandelt werden.

Was es ist

Im Kern ist ein Chatbot eine Software, die mit dem Nutzer kommuniziert. Ein Dialog-System, das meist über eine simple Texteingabe- und Textausgabemaske funktioniert, wie sich das User von klassischen Chat- und Messenger-Programmen gewohnt sind. Chatbots können Fragen beantworten, Vorschläge für Produkte oder Services unterbreiten, Alternativen anbieten, Buchungen bestätigen, Support bieten und sehr viel mehr. Je nach Programmierung in Text, Bild, Video, Links oder auch mit Stimme in gesprochener Sprache.

  • Triviale Bots, davon existieren (noch) viele, funktionieren im Umfang sehr bescheiden. Sie liefern eine überschaubare Anzahl vorgefertigter Textbausteine aus. "Versteht" der Bot eine Frage nicht, passiert nichts oder der Bot nervt den User mit dem Hinweis, dass er die Frage nicht einordnen und deshalb keine Hilfe anbieten kann.
  • Intelligente Bots, davon gibt es immer mehr, greifen auf eine riesige Datenbank zurück, über die sie praktisch alle Fragen oder Wünsche beantworten oder erfüllen können. Intelligent sind sie deshalb, weil sie oft den User und seine Präferenzen kennen, auf seine Accountdaten zugreifen und deshalb gewissermassen persönlich agieren können. Zudem operieren sie vielseitig, "denken" in Varianten und können situativ und fast schon intuitiv reagieren. Und stehen sie dennoch einmal an, leiten sie den User an die "menschlichen Kollegen" weiter, sprich, an den Kundendienst.
  • Lernfähige Bots, die sind im Vormarsch, werden immer besser. Weil sie aus der "eigenen Praxis" und vom User lernen. Zum Beispiel die Bot Engine Wit.ai von Facebook setzt auf Machine Learning und künstliche Intelligenz, deshalb optimiert sie sich über eigene Ressourcen.

Chatbots sind also nicht nur Plauder-Roboter, wie der Name vermuten lassen könnte, vielmehr hochentwickelte digitale Kommunikationspartner, die automatisiert mit Kunden und Usern agieren. Sind die Bots gut gemacht, werden sie zu Experten in jeder Branche, zu hervorragenden Kommunikatoren für jedes Kundensegment. Deshalb sehr interessant auch für die Finanzbranche in zahlreichen Anwendungsbereichen und für unterschiedliche Kundensegmente.

Chatbot versus App

Die aktuelle Diskussion, ob Chatbots zu App-Killern werden, ist durch Facebook und Microsoft befeuert worden. Beide Unternehmen haben im Frühling 2016 ihre Messenger-Plattformen für Entwickler geöffnet. Über spezielle Entwickler-Plattformen finden Unternehmen modulare Baukästen für Chatbots, welche mit eher geringem Aufwand entwickelt und dann in die gewünschten Messengers integriert werden können. Im Vergleich zur Entwicklung klassischer Apps liegen Aufwand und Kosten gerade noch bei einem Bruchteil.

Zusätzlich bedeutet die Integration zum Beispiel in den Facebook Messenger Zugang zu neuen, riesigen Zielgruppen, die vorher weder bekannt noch erreichbar waren. Im Falle von Facebook und WhatsApp sind theoretisch je knapp eine Milliarde Nutzer in den globalen Netzwerken aktiv und damit theoretisch erreichbar. Das leistet eine selbst entwickelte App nicht, die muss mit erheblichen Marketing-Aufwänden in den Markt gestellt werden und verbreitet werden.

Wer es nutzt

Der Facebook Messenger wird inzwischen von Unternehmen wie CNN, Uber, KLM und zahlreichen anderen mit tausenden von neuen Bots genutzt. Chatbots in sehr unterschiedlicher Qualität. Das hervorragende Beispiel von KLM zeigt im Video, was Kunden vom neuen Bot haben: Buchungsbestätigung, Check-in-Erinnerung, Boardingkarte, Updates zum Flugstatus oder zu Verspätungen, Flug umbuchen, und, und, und. Der Bot von KLM entlastet den Kundenservice, kommuniziert kompetent mit Kunden, bringt starke Serviceleistungen und damit wirklichen Mehrwert für Kunden.

Wem es nützt

Kunden und User werden in jedem Bereich und in jeder Branche neue Tools sehr schnell akzeptieren, die ihnen neuen Komfort schaffen, tatsächliche Probleme lösen und damit im Alltag fassbaren Nutzen bringen.

Unternehmen werden neue Kanäle und Instrumente einsetzen, die ihnen zusätzliche Nähe zu bestehenden und vor allem Zugang zu neuen Zielgruppen schaffen. Lassen sich durch diese Instrumente zu vertretbaren Kosten die Qualität von Serviceleistungen erhöhen, Prozesse vereinfachen, Umsätze optimieren, Kosten sparen, Sichtbarkeit und Image erhöhen, dann werden sich Bots sehr schnell als starke Marketinginstrumente etablieren.

Warum gerade jetzt?

Die aktuelle Technologie in Verbindung mit künstlicher Intelligenz lässt Chatbots erst wirklich intelligent und vielseitig agieren. Das ist die Voraussetzung, um für Kunden und User zum akzeptierten "Gesprächspartner" zu werden, der kompetent Hilfe und Informationen anbieten kann.

Durch die Öffnung der Messengers von Facebook und Microsoft werden für Unternehmen Millionen von Usern erreichbar, die sie vorher weder gekannt haben noch ansprechen konnten. Zudem: ist ein Chatbot "verbunden" mit dem User, seinen Daten und Präferenzen, seinem historischen Verhalten und mehr, dann wird's erst richtig spannend. Weil der Chatbot dann nicht einfach Standards abspult, sondern vielmehr in der Kommunikation mit dem User gewissermassen persönlich und damit intelligent agieren kann.

Werden Chatbots Apps verdrängen?

Fragt man Microsoft-Boss Satya Nadella, dann ganz sicher: «Bots sind die neuen Apps», gab sich Nadella an der Microsoft Entwicklerkonferenz im Frühling überzeugt. Satya Nadella mag Partei sein, das aktuelle Nutzerverhalten könnte ihn dennoch bestätigen. Untersuchungen belegen, dass ein Grossteil der Anwender nur fünf Apps wirklich intensiv nutzt. Davon machen Messenger Apps den Löwenanteil aus. Es könnte also eng werden für eine Vielzahl von Apps, die kostenintensiv entwickelt, zum Teil auch runtergeladen, dann jedoch im Alltag nicht oder nur schwach genutzt werden.

Deshalb ist es sicher eine Überlegung wert, die eigene Nicht-App in Form eines Bots in die Messengers der globalen Player zu integrieren, welche von Millionen genutzt werden. Die Aufwand-, Kosten- und Nutzenanalyse könnte die Entscheidung für den Bot und gegen die App beflügeln.

Denkt man sich bestehende und neue Sprachassistenten dazu, wie zum Beispiel Alexa von Amazon oder Siri von Apple, dann werden Bots noch eine Spur menschlicher, zumindest rücken sie über die gesprochene Kommunikation noch näher an die Zielgruppe. Zudem bleiben die Hände frei, der User braucht nicht zu tippen, sprechen genügt.

Mit den wachsenden Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz (KI) im Auge, zum Beispiel Watson von Microsoft, lernen Bots laufend dazu und agieren vielseitig und punktgenau auf die Bedürfnisse des aktuellen Users ausgerichtet.

Die Entwicklung und Weiterentwicklung der Technologien rund um Chatbots werden global mit sehr viel Kraft, Ressourcen und Investitionen vorangetrieben. Das führt dazu, dass Bots zunehmend intelligenter werden und sich als Kommunikatoren, Supporter und Verkäufer in der ersten Reihe eher schnell durchsetzen werden. Deshalb spricht vieles dafür, dass Satya Nadella recht bekommt, Bots die Zukunft gehört und Apps in der zweiten Reihe stehen werden.

Entwicklungs-Plattformen und Tools

Facebook, Microsoft und andere Anbieter machen es Unternehmen und Entwicklern sehr leicht, mit überschaubarem Aufwand Chatbots zu entwickeln und ihre Messengers zu intergrieren. Ein Blick auf die verschiedenen Plattformen zeigt die aktuellen Möglichkeiten.

Facebook for Developers: Messenger Platform

Natural Language for Developers: Wit.ai Bot Engine

Microsoft Bot Framework: Smart Bots start here

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