Vom Fluch, eine Bank zu sein, ohne eine Bank sein zu dürfen

Bild: © PostFinance AG 2017, Alle Rechte vorbehalten

Der Postfinance bleibt es traditionellerweise verwehrt, selbstständig Kredite und Hypotheken anzubieten. Das war und ist ein Problem – und deshalb immer wieder Thema in den Medien.

Als Tochtergesellschaft der Post unterliegt die Postfinance der Postgesetzgebung, konkret dem Postorganisationsgesetz. Dadurch steht das Finanzinstitut bei der direkten Vergabe von Krediten und Hypotheken aussen vor.

Genau dieses Argument ist im Juni 2013 ins Feld geführt worden, als die Postfinance ihre Banklizenz erhalten hat, sinngemäss als Beruhigungspille so verabreicht: Nein, es entsteht keine neue Schweizer Grossbank. Nein, bestehende Banken sind ihrer Existenz nicht gefährdet.

Seither muss die Postfinance sämtliche Aufgaben und Pflichten einer Bank erfüllen, seit 2015 zusätzlich die Auflagen für systemrelevante Banken, darf jedoch als Staatsbetrieb nicht in allen Sparten des Bankgeschäfts aktiv operieren. Eine Motion, das Kreditverbot für die Postfinance aufzuheben, ist im September 2016 von der zuständigen Ständeratskommission abgelehnt worden.

Dennoch bleibt der gesetzliche Auftrag bestehen, Mehrwert zu schaffen. Der Bund als Eigner möchte den Ertrag langfristig gesteigert sehen und damit sicherstellen, dass die Postfinance weiterhin beträchtliche Anteile an den Betriebsertrag der Post leistet. Ein legitimer Anspruch, sofern der Werkzeugkasten top ausgerüstet ist. Das ist er aber nicht.

Was nach einem Spagat klingt, ist genau das:
Ein Spagat, der nur mit Kreativität zu schaffen ist

Schwinden die Erträge im Zinsdifferenzgeschäft im aktuellen Marktumfeld, hilft nur die Flucht nach vorne, um neue Ertragsquellen zu erschliessen. Die Postfinance ist hier auf zahlreichen Pfaden unterwegs – um nur einige zu nennen:

Kooperation mit der Münchner Hypothekarbank im Bereich Hypothekenvergabe

Partnerschaft mit Swissquote im Bereich Wertschriftenhandel

Beteiligungen an FinTechs und zahlreiche Kooperationen

Joint Venture mit Lendico, um an der Kreditvergabe über Crowdfunding-Plattformen partizipieren zu können

Diese und weitere Engagements sind Teil einer kreativen Diversifizierungsstrategie, welche die Ertragsbasis erweitern und vom Zinsdifferenzgeschäft unabhängiger machen soll. Ungünstiger Nebeneffekt: In den Geschäftsfeldern, wo es um Hypotheken oder Kredite geht, werden Erträge und Gewinne zum Teil ins Ausland verlagert oder dann mit Kooperationspartnern geteilt. In Bereichen, in denen die Postfinance über Know-how, Kompetenz und Strukturen verfügen würde, um die Geschäfte aus eigener Kraft und selbstständig betreiben zu können, was sie aus besagten Gründen aber nicht darf.

Grauzone, Dunkelgraubereich oder Umgehung von Verboten?

Diese Begriffe sind zitiert aus den Schlagzeilen von Medienberichten, welche neue Engagements und Geschäftsmodelle der Postfinance jeweils kommentieren. Man könnte diese und andere Begriffe schlicht ersetzen durch: kreative Notwehr. Eine Bank, die auf der einen Seite sämtliche Regulierungsanforderungen erfüllen muss und zudem den Auftrag hat, Mehrwert zu schaffen und Erträge zu steigern, auf der anderen Seite aber nicht in allen Sparten wie "eine richtige" Bank arbeiten darf und von zentralen Bereichen des Bankgeschäfts ausgeschlossen bleibt, dieser Bank bleibt gar keine andere Wahl. Sie muss klug diversifizieren. Sie muss Verbote und Einschränkungen kreativ interpretieren und Grenzen zumindest so weit ausreizen, wie es eben gerade noch geht, ohne das Postorganisationsgesetz oder das Verbot selbst zu ritzen.

Aktuell in den Medien

Ein weiteres Kapitel zum Thema ist in der Wochenend-Ausgabe des Tages-Anzeigers vom 24. Juni 2017 geöffnet worden, prominent auf der Frontseite als Aufmacher:

"Trotz Kreditverbot: Post leiht Milliarden an Gemeinden"

Im Wirtschaftsteil dann die ausführliche Geschichte, wie die Posttochter zum wichtigsten Geldgeber von Schweizer Gemeinden geworden ist. Die Autoren Mischa Stünzi und Jorgos Brouzos benennen Kunden, Summen, Zinssätze und beschreiben in einem separaten Kasten im Detail das Vorgehen: "Der Kniff zur Umgehung des Kreditverbots: So vergibt die Postfinance Darlehen".

Die beiden Autoren beziehen sich auf eine noch nicht veröffentlichte Studie der Hochschule Luzern über die Finanzierung mittelgrosser Gemeinden. In dieser Studie wird der Marktanteil der Postfinance am Kreditvolumen in diesem Segment mit 26 Prozent beziffert. Und die Studie kommt zum Schluss, dass sich dieser Marktanteil noch vergrössern wird.

Die Story ist gut recherchiert, geht auch ins Detail der Zusammenhänge und ist hier zu finden:

Tages-Anzeiger: "Postfinance trotzt Kreditverbot"

Neben den Fakten ein Kommentar: Das wiederkehrende Ärgernis

Ärgerlich sind nicht die zahlreichen und wiederkehrenden Artikel zu den Themen von "Grauzone", "Dunkelgraubereich" oder "Umgehung von Kreditverbot", die sind folgerichtig und notwendig. Stossend ist vielmehr die Tatsache, dass die missglückte Konstellation von Anspruch, Realität und Möglichkeiten solche Artikel in kühner Regelmässigkeit förmlich provoziert. Einfach deshalb, weil eine Bank tut, was eine Bank tun muss. Und mit den bestehenden Vorgaben und Einschränkungen gar nicht anders kann, als Grenzen immer wieder kreativ auszutesten.

Die regelmässigen Presseartikel werden von banknahen Zielgruppen eher richtig eingeordnet, weil die Zusammenhänge bekannt sind. Breiten Zielgruppen und Lesern fällt das etwas schwerer, zumal zahlreiche Artikel oftmals den Charakter von Aufdeckung, Vorwurf oder (moralischer) Anklage in sich tragen. Das bekommt in der Aussenwirkung dem Image der Grossbank, die keine sein darf, nicht unbedingt gut.

Dabei tut die Bank nur das, wozu sie gesetzlich verpflichtet worden ist, in den wichtigen Bereichen Kredit- und Hypothekenvergabe dann allerdings verordneterweise mit eher stumpfen Werkzeugen. So wenig, wie "ein bisschen schwanger" funktioniert, so wenig kann ein Finanzinstitut "ein bisschen Bank" sein. Schon gar nicht dann, wenn die Bank den klaren Auftrag hat, Mehrwert zu schaffen und Erträge zu steigern. Eine Situation, die nicht nur als unglücklich bezeichnet werden kann, sie ist geradezu absurd.

Sicher, wir alle haben uns daran gewöhnt, in den Medien regelmässig über neue Geschäftsmodelle der Postfinance zu lesen, die konsequent mit der Frage gekoppelt werden, ob das gerade noch geht oder ob die Grenzen nun überschritten sind. Nur: Gewöhnung allein macht eine Konstellation mit Widersprüchlichkeiten noch nicht zur praktikablen Lösung. Der damit verbundene Zwang für die Postfinance zum Lavieren, Herantasten, Ausloten und zum Spagat in Serie ist irgendwie unwürdig. Und dieser Zwang hat mit der inkonsequenten Ausgangslage zu tun.

Konsequent wäre, in sehr anspruchsvollen Marktumfeldern mit neuen und wachsenden Herausforderungen gleich lange Spiesse für alle Banken zu schaffen, Postfinance mit eingeschlossen. Ebenso konsequent wäre, alles so zu belassen, wie es ist, dann jedoch die Ansprüche bei den Stichworten Mehrwert und wachsende Erträge zurückzuschrauben. Der Huhn-und-Ei-Anspruch und dazu noch ein verkleinertes Gehege machen frisch gelegte Eier nicht unmöglich, wie man sieht, lassen die Eier in den Bereichen Kredite und Hypotheken jedoch kleiner ausfallen, als sie sein könnten. Und jede neue Bewegung im Gehege führt regelmässig zu den medialen Grundsatzdiskussionen, ob die Eier überhaupt hätten gelegt werden dürfen.

Das Briefing: Ein bisschen von allem, aber ja nicht zu viel von diesem und jenem, wird auf Dauer kaum funktionieren. Selbstbeschränkung, kreative Umwege und nicht realisierbare Teilerträge sind mit unnötigen Reibungsverlusten verbunden. Kommende und neue Herausforderungen machen es zusätzlich zunehmend schwieriger, mit ungleichen und variablen Flügellängen unterwegs sein zu müssen. Zudem und grundsätzlich gefragt: Weshalb sollten Konstrukteure und Ingenieure bei einer top ausgerüsteten Flugzeugflotte die Flughöhe künstlich limitieren? Eben.